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Beim Obesitas-Hypoventilations-Syndrom müssen die Pfunde purzeln

Zum Obesitas-Hypoventilations-Syndrom (OHS) gehören per definitionem ein deutliches Übergewicht (BMI ≥ 30 kg/m2), eine Hyperkapnie am Tag (paCO2 ≥ 45 mmHg) und eine schlafbezogene Atemstörung. Ganz wichtig ist aber, betonen Dr. Juan F. Masa, Pneumologe am San Pedro de Alcantara Hospital im spanischen Cáceres, und seine Kollegen, dass zunächst alle anderen Diagnosen wie neuromuskuläre Störungen oder metabolische und sonstige Ursachen der Hypoventilation ausgeschlossen wurden.
Pathophysiologisch zugrunde liegen dem OHS – auch Pickwick-Syndrom genannt – vor allem
- eine durch das Übergewicht hervorgerufene Beeinträchtigung der Atemmuskulatur und der Lunge und
- Veränderungen des Atemantriebs sowie
- Atemstörungen im Schlaf.
Achtung: Das OHS ist nicht gleichzusetzen mit der obstruktiven Schlafapnoe, obwohl sie bei fast 90 % der OHS-Patienten vorkommt. Immerhin bei jedem Zehnten besteht keine oder eine nur geringfügige obstruktive schlafbedingte Hypoventilation.
Schätzungen zur Häufigkeit variieren: Für die USA lässt sich eine Prävalenz von etwa 0,4 % abschätzen. Da es aber immer mehr Übergewichtige gibt, erwarten Fachleute, dass auch das OHS immer häufiger werden wird. Die Zeit bis zur endgültigen Diagnose kann sich unter Umständen hinziehen, warnen die Experten – oft werden die Betroffenen auf eine Lungenerkrankung, wie eine COPD, hinbehandelt, obwohl in der „LuFu“ nichts darauf hindeutet.
Arterielle BGA nicht immer durchführbar
Ein OHS sollten Sie im Hinterkopf haben, wenn Ihnen ein „mittelalterlicher“ Mann (Durchschnittsalter Anfang 50) mit starker Adipositas (BMI oft deutlich über ≥ 40 kg/m2) gegenübersitzt und über Schläfrigkeit und häufige Atemnot klagt. Beweisend für die Hypoventilation sind Hypoxie und Hyperkapnie sowie Azidose in der arteriellen Blutgasanalyse. Allerdings ist in der täglichen Routine die arterielle Punktion nicht immer umsetzbar – und der Patient oft auch nicht begeistert davon.
Alternativ können Sie die Auswirkungen der OHS messen – Standardbicarbonatwert im venösen Blut und die Sättigung unter Raumluftatmung via Pulsoximetrie. Bestätigen diese Ihren Verdacht, kommt die Blutgasanalyse zum Einsatz und der Patient wird am besten an einen ausgewiesenen Schlafmediziner überwiesen, der dann im Schlaflabor weiterführende Untersuchungen mit Polysomnographie veranlasst. Der Spezialist kann dort auch, wenn er sich der Diagnose sicher ist, die optimale Behandlung austesten.
Im Wesentlichen besteht diese aus therapiebegleitender Gewichtsreduktion und in einer Atemunterstützung mittels CPAP (continuous positive airway pressure) oder einer nicht-invasiven Beatmung. In beiden Fällen wird über eine Gesichtsmaske ein anhaltender positiver Druck in den Atemwegen aufgebaut, allerdings bietet die nicht-invasive Ventilation darüber hinaus eine zusätzliche Atemhilfe. Beide Verfahren vermindern erfolgreich die nächtliche Hypoventilation und damit auch die Schläfrigkeit am Tag.
Die meisten Studien kommen letztlich zu ähnlichen Ergebnissen, was die Effekte auf Blutgaswerte, akute Atemnotepisoden und Lebensqualität betrifft. Oft fahren Patienten mit ausgeprägter begleitender Schlafapnoe besser mit einer CPAP-Atmung, während bei nur geringer Apnoe zunächst die nicht-invasive Beatmung angesagt sein kann. Möglicherweise braucht die CPAP-Therapie allerdings etwas länger, bis sie anschlägt.
Atemstörung wegoperieren?
Medikamente verstärken Kollaps der oberen Atemwege
Weniger empfehlenswert sind dagegen atemstimulierende Medikamente, z.B. Medroxyprogesteron und Azetazolamid, warnen die Experten – oft führen die Substanzen im Schlaf zu einem verstärkten Kollaps der oberen Atemwege. Wenn sich der Einsatz nicht umgehen lässt, weil der Patient die Atemmasken nicht toleriert, muss das unter enger Überwachung in spezialisierten Zentren begonnen werden. Eine zusätzliche dauerhafte Sauerstoffgabe ist überhaupt nicht angesagt – und meist auch nicht notwendig –, denn sie würde den ohnehin geringen Atemantrieb weiter senken.Quelle: Masa JF et al. Eur Respir Rev 2019; 28: pii: 180097; DOI: 10.1183/16000617.0097-2018
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