
Biologika unter der Lupe

Es gibt zwei Typen von betagten Arthritispatienten. Diejenigen, die mit ihrer rheumatoiden Arthritis alt geworden sind (young onset RA, YORA) und diejenigen, bei denen sich die Erkrankung erst jenseits des 60. Lebensjahrs entwickelt (elderly onset RA, EORA) hat. Letztere bilden mit etwa einem Drittel der RA-Patienten eine beträchtliche Gruppe, berichtete Prof. Dr. Rik Lories von der Uniklinik Leuven.
Klinisch unterscheiden sich EORA-Patienten und YORA-Patienten durchaus voneinander. Bei den „Spätentwicklern“ beginnt die Erkrankung meist akuter und ist zunächst nicht auf wenige Gelenke beschränkt. Häufig sind bei ihnen große, proximale Gelenke involviert. Serologisch findet man höhere Il-6-, aber niedrigere TNF-a-Werte. Auch der Rheumafaktor fällt bei Late-onset-Patienten niedriger aus.
Ob EORA oder YORA, die Behandlung alter Patienten erschweren vielerlei Faktoren: Depressionen, kognitive Defizite und Gebrechlichkeit sind nur einige davon. Hinzu kommen Komorbiditäten und die daraus folgende Polypharmazie mit den drohenden Arzneimittelwechselwirkungen. Auch das Wissen um die Reaktion des alternden Organismus auf neue Wirkstoffe ist gering, da diese Patientengruppe in
klinischen Studien unterrepräsentiert ist.
Late-onset-Patienten sind oft unterbehandelt
Vielleicht liegt es an diesen Faktoren, dass sich die medikamentöse Therapie beider Gruppen unterscheidet. Late-onset-Patienten sind oft unter- oder nicht adäquat behandelt, berichtete Prof. Lories. Sie erhalten first-line häufiger Glukokortikoide als Monotherapie und seltener cDMARD oder Biologika im Vergleich zu YORA-Patienten.
Die Zurückhaltung bei der Erstverordnung von Biologika hält der Experte nicht für gerechtfertigt. Natürlich müssen bei alten Menschen immer der körperliche Zustand und evtl. Komorbiditäten berücksichtigt werden. Trotzdem gelten viele bDMARD als effektiv und gut toleriert in dieser Population.
Das trifft vor allem auf TNF-a-Blocker zu. Sie erhöhen zwar moderat das Risiko für Infektionen – als wichtiger Faktor gilt die Reaktivierung einer Tuberkulose. Insgesamt scheint die Gefahr für schwere Infektionen unter der Therapie aber geringer zu sein als unter cDMARD oder Glukokortikoiden. Eine altersbezogene Dosisadjustierung ist für Senioren nicht erforderlich, und die Nebenwirkungen unterscheiden sich bei alten und jungen Patienten kaum, erläuterte Prof. Lories. Epidemiologischen Daten zufolge ist offenbar auch das Krebsrisiko bei alten Patienten nicht erhöht. Allerdings sollte man das Herz im Blick behalten: Bei schwerer Herzinsuffizienz sind TNF-a-Blocker kontraindiziert.
Patienten mit EORA weisen meist hohe IL-6-Spiegel auf. Anti-eIL-6-Strategien könnten deshalb gerade in dieser Population besonders wirkungsvoll sein. Allerdings verändern IL-6-Blocker die Blutlipide, wobei die Folge auf kardiovaskuläre Ereignisse noch unklar bleibt. Der Effekt der IL-6-Blockade auf das CRP macht es zudem schwierig, frühe Zeichen einer Infektion zu erkennen. Außerdem gibt es Hinweise, dass IL-6-Blocker bei alten Menschen Hautinfektionen und Divertikulitis begünstigen.
Anti-T- und Anti-B-Strategien bei Senioren
Was ist bei Anti-B-Zell-Therapien zu beachten? Die vorhandenen epidemiologischen Daten weisen darauf hin, dass Über-60-Jährige unter einer B-Zell-depletierenden Therapie tatsächlich höhere Infektionsraten haben. Deshalb rät Prof. Lories bei denjenigen mit schweren Infektionen in der Anamnese vom Einsatz ab.
Die Anti-T-Zelltherapie mit Abatacept zeigt bei alten Menschen keine anderen unerwünschten Nebenwirkungen als bei jüngeren. Bei Über-75-Jährigen treten Nebenwirkungen jedoch häufiger auf und führen häufiger zum Abbruch der Behandlung, berichtete Prof. Lories.
Für IL-17- oder IL-23-Blocker fehlen noch Daten
Zu weiteren Biologika wie IL-17-Inhibitoren oder IL-23-Blocker gibt es, was ältere Patienten betrifft, bisher keine besorgniserregenden Sicherheitssignale. Allerdings stellt sich laut Prof. Lories die Frage, ob „wir lediglich den Kopf in den Sand stecken oder die Abwesenheit schlechter Nachrichten wirklich gute Nachrichten sind“. Um Empfehlungen auszusprechen, müssen deshalb kommende Studien abgewartet werden.
Auch bei den JAK-Inhibitoren gibt es in Bezug auf ihren Einsatz bei Älteren momentan noch mehr Fragen als Antworten. Ihrem erhöhten Zosterrisiko lässt sich durch eine Impfung begegnen, einer drohenden Thromboembolie durch gründliche Anamnese und Ausschluss thrombosegefährdeter Patienten. Bei Über-65-Jährigen war in der ORAL-Studie unter Tofacitinib die Inzidenz für MACE und Krebs höher. Ob sich diese Ergebnisse auf andere JAK-Inhibitoren übertragen lassen, ist allerdings noch unklar. Laut EMA sollen Über-65-Jährige, die rauchen oder Risikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs aufweisen, Tofacitinib nur bei fehlender Alternative erhalten.
Kongressbericht: European Congress of Rheumatology 2022
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