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Biss zum bitteren Ende

Hat man einen Patienten mit Bissverletzungen vor sich, ist zunächst zu klären, wer zugebissen hat. War es ein Hund oder eine Katze? Oder womöglich ein Mensch? Besteht vielleicht die Gefahr einer Infektion mit dem Rabies-Virus? Außerdem sollte man – falls nicht bekannt – Risikofaktoren für eine erhöhte Infektanfälligkeit oder eine schlechtere Wundheilung eruieren. Dazu gehören z.B. ein Diabetes, eine PAVK oder eine Asplenie. Ebenso ist nach dem Tetanusschutz des Patienten zu fragen, erinnern Dr. Isabelle Colmers-Gray von der Queen’s University im kanadischen Kingston und Kollegen.
Benachbarte Strukturen können mit beeinträchtigt sein. Deshalb gehört bei einem Tier- oder Menschenbiss die Untersuchung von Gefäßen, Nerven, Muskeln und Sehnen fest zum Programm. Zudem gilt es, knöcherne Verletzungen und im Körper verbliebene Fremdkörper wie einen Zahn nicht zu übersehen.
Bei Bissen an Kopf und Hals die Hirnnerven untersuchen
Abhängig vom Ort der Wunde sind einige Besonderheiten zu beachten. So werden Kinder häufig in Kopf und Hals gebissen, eventuell mit tieferen Läsionen, was sich mittels CT klären lässt. Auch eine Untersuchung der Hirnnerven, vor allem des N. facialis und N. trigeminus, ist indiziert. Zeigt der Patient motorische Defizite, muss gegebenenfalls umgehend operiert werden.
Für Bisse am Hals kommt erschwerend hinzu, dass die Wunden äußerlich eventuell nicht zu erkennen sind. Solche Verletzungen erfordern deshalb die besonders sorgfältige Abklärung, wobei man kritische Stukturen in der Nachbarschaft in die Untersuchung einschließen sollte, also etwa die Karotiden, Halsnerven und die Trachea. Die Indikation zur CT ist in diesem Fall großzügig zu stellen.
Katzen, Hunde und auch Menschen beißen häufig in die Hand. Um das Ausmaß der Verletzung zu erfassen, raten Dr. Colmers-Gray und Kollegen zur zielgerichteten neurovaskulären Untersuchung der betroffenen Extremität mit Seitenvergleich. Dabei gilt es, auf neurologisch bedingte Defizite ebenso zu achten wie auf eine mögliche Beeinträchtigung der distalen Zirkulation. Sie zeigt sich etwa als Akrozyanose oder verlängerte kapilläre Füllungszeit. Bei Lazerationen über Sehnen hinweg muss man die verbliebene Bewegungsfähigkeit der Hand kontrollieren.
Kann ein Patient einen betroffenen Finger nicht bewegen, ermöglicht die Kontrolle des Tenodeseeffekts die Differenzierung zwischen Sehnen- und Nervenverletzung. In entspannter Haltung werden die Finger bei der Flexion des Handgelenks normalerweise gestreckt und bei Extension gebeugt. Das passiert auch bei einer neuralen Läsion, nicht aber bei durchtrennter Sehne.
Bissverletzungen bergen ein hohes Infektionsrisiko. Kleine Wunden können für eine Sekundärheilung offengelassen werden, wobei aber tägliche Verbandswechsel dazugehören. Klaffende Wunden dürfen nach ausgiebiger Spülung und Debridement genäht werden – auch im Gesicht, die Infektionsgefahr ist dort nicht größer als anderswo am Körper. Für Katzenbisse gilt speziell: immer offen lassen, sofern sie sich nicht im Gesicht befinden. Bei Hundebissen hingegen lässt sich meist eine Naht vertreten.
Die Evidenz für den Nutzen von Wundspülungen ist nach wie vor gering. Sie werden aber wegen der hohen Kontaminationsgefahr bei Bissverletzungen in den meisten Leitlinien empfohlen.
Erst steril spülen, dann antiseptisch behandeln
Zum Einsatz kommen sterile Kochsalzlösungen oder Trinkwasser, bei punktähnlichen Läsionen hilft es, eine Spritze zu nutzen. Im Anschluss sollte eine antiseptische Behandlung erfolgen, z.B. mit Seife, Povidon-Iod oder Polyhexanid, um das Infektionsrisiko weiter zu reduzieren. Totes Gewebe wird entfernt.
Kinder sollte man immer an einen Spezialisten überweisen. Ansonsten empfiehlt sich das, wenn der Verdacht auf eine vaskuläre oder neurale Schädigung besteht oder wenn man von einer Sehnen-, Knochen- oder Gelenkbeteiligung ausgeht. Gleiches gilt im Falle von schweren Infektionen und Verletzungen mit einem hohen Risiko für kosmetische oder funktionelle Folgeschäden, insbesondere im Gesicht und an den Händen.
Zur Antibiotikaprophylaxe raten die Autoren für Betroffene mit beeinträchtigter Wundheilung, z.B. Personen unter immunsuppressiver Therapie sowie Patienten mit Diabetes, Asplenie oder Leberzirrhose. Sie ist auch bei Menschenbissen indiziert und bei Läsionen in Bereichen mit hohem Risiko, also im Gesicht oder an den Händen, Füßen oder Genitalien. Außerdem sollte die Prophylaxe im Falle mutmaßlicher Knochen- oder Gelenkbeteiligung, bei den meisten Katzenbissen und generell nach einer primären Wundnaht erfolgen.
Als Antibiotikum der ersten Wahl empfehlen die britischen Kollegen Amoxicillin plus Clavulansäure. In der Zweitlinie eignet sich Metronidazol in Kombination mit Doxycyclin oder mit Cotrimoxazol. Die Einnahme erfolgt üblicherweise über drei bis fünf Tage. Genähte Wunden sollten im Fall einer Infektion geöffnet und drainiert werden.
Quelle: Colmers-Gray IN et al. BMJ 2023; 380: e071921; DOI: 10.1136/bmj-2022-071921
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