Blackbox IPF-Exazerbation

DGP-Kongress 2024 Manuela Arand

Nicht nur die Ätiologie der akuten IPF-Exazerbation ist völlig unklar. Nicht nur die Ätiologie der akuten IPF-Exazerbation ist völlig unklar. © Sakosshu Taro – stock.adobe.com

Akute Exazerbationen einer pulmonalen Fibrose verlaufen noch dramatischer als bei anderen chronischen Lungenerkrankungen. Umso schlimmer sind die riesigen Wissenslücken bei diesem Thema. 

Akute Exazerbationen gelten als der Killer Nr. 1 bei idiopathischer Lungenfibrose (IPF), konstatierte Prof. Dr. Michael Kreuter vom Lungenzentrum am Universitätsklinikum Mainz. Er untermauerte diese Aussage mit prägnanten Zahlen. Die mittlere Überlebenszeit von Patienten, die wegen einer akut exazerbierten IPF (AE-IPF) hospitalisiert werden müssen, beträgt 2,2 Monate. Die Hälfte der Patienten stirbt bereits im Krankenhaus, weitere 30–40 % binnen eines Jahres. Anders ausgedrückt: Von zehn Patienten, die eine AE-IPF erleiden, überlebt nur einer das erste Jahr. Dabei ist die AE-IPF kein seltenes Ereignis. Die jährliche Inzidenz beträgt Statistiken zufolge 5–20 %, wobei der Peak wie bei COPD und Asthma in der Erkältungssaison liegt. 

Kein Schutz durch Masken und Abstandhalten

Aber anders als bei den obstruktiven Lungenerkrankungen gab es während der Coronapandemie keinen Rückgang – Masken und Abstandhalten scheinen keinen Schutz zu bieten. Zu anderen fibrosierenden Lungenerkrankungen existieren wenige Daten, aber sie signalisieren ein ähnliches Bild. 

Selbst wer die AE-IPF überlebt, trägt schwer an den Folgen. Praktisch jeder Patient erleidet eine massive Progression der Lungenfibrose. Die Betroffenen verlieren nicht nur Lungenfunktion, Diffusionskapazität und Leistungsfähigkeit, sondern auch Lebensqualität und haben hinterher wesentlich mehr Symptome. 

Dafür, dass es so häufig vorkommt und so lebensbedrohlich ist, ist das Phänomen AE-IPF ausnehmend schlecht erforscht. „Wir wissen nicht, was die Ätiologie ist und was pathophysiologisch abläuft“, so Prof. Kreuter. „Es gibt noch nicht einmal gute Modelle dafür.“

Definition der akuten Exazerbation der IPF

  • Vordiagnose einer IPF
  • akute, klinisch signifikante respiratorische Verschlechterung, einhergehend mit neuen ausgedehnten alveolären Anomalien
  • Dauer von Akutverschlechterung oder zunehmender Dyspnoe kürzer als ein Monat
  • CT mit neuen Milchglasveränderungen und/oder Konsolidierung auf Basis eines UIP-Musters
  • Verschlechterung nicht komplett durch Herzinsuffizienz oder Volumenüberladung erklärbar

Quelle: Collard HR et al. Am J Respir Crit Care Med 2016; 194: 265-275; DOI: 10.1164/rccm.201604-0801CI

Immerhin sind Risikofaktoren bekannt, die besonders anfällig für eine Exazerbation machen – Dyspnoe und eine niedrige Vitalkapazität, Raucheranamnese, Lungenhochdruck bei Diagnose und eine ausgeprägte Fibrose in der HRCT, aber auch ein hoher Body-Mass-Index und die chronische Einnahme von Magensäureblockern. Außerdem scheint ein Zusammenhang mit dem pulmonalen Mikrobiom zu bestehen. Während der akuten Exazerbation nimmt die Bakterienlast in den Atemwegen deutlich zu und die Flora verschiebt sich. „Ob sich daraus irgendwann therapeutische Konsequenzen ableiten lassen, ist noch völlig unklar“, sagte Prof. Kreuter. 

Neben Atemwegsinfekten können vor allem Operationen – auch extrathorakale – eine AE-IPF triggern, möglicherweise wenn die Beatmung mit zu hohem Druck und zu viel Sauerstoff erfolgt. Zu den präventiven Maßnahmen, die der Pneumologe empfahl, zählt deshalb neben Hygiene und Impfungen, operative Eingriffe auf das Nötigste zu beschränken. Das sollten auch die Kollegen außerhalb der Pneumologie wissen, meinte er. 

Die antifibrotische Medikation bietet wahrscheinlich einen gewissen Schutz. Daten aus den Nintedanib-Studien zeigen, dass die Zeit bis zur ersten AE verlängert wird. Da das erste Ereignis oft den Trigger für das nächste setzt, dürfte die AE-Last unter der Therapie insgesamt sinken. Außerdem reduzierte die Behandlung das Sterberisiko. Für Pirfenidon gibt es vergleichbare Daten bisher nicht, weil der Endpunkt AE aus den Studienprotokollen genommen wurde. Es existiert nur eine Post-hoc-Analyse, derzufolge deutlich weniger respiratorische Hospitalisierungen eintraten.

„Und damit bin ich beim schwierigsten Punkt“, betonte Prof. Kreuter. „Wir wissen vieles nicht, aber was wir noch viel weniger wissen: Was tun wir mit Patienten, die eine AE-IPF durchmachen?“ Die Leitlinienautoren schweigen sich dazu aus. Nur 2011 gab es eine internationale Guideline, in der es lapidar hieß: No treatments have been shown to be effective in the treatment of AE-IPF. Damals gab es eine schwache, aus dem Bauchgefühl entstandene Empfehlung für Steroide ohne spezifische Hinweise zu Dosierung, Applikationsroute und Dauer. 

Widersprüchliche Studien zum Einsatz von Steroiden

Wie wichtig solide Daten sind, zeigt das Beispiel rekombinantes humanes Thrombomodulin, das eine verstärkte Protein-C-Aktivierung bewirken soll. Eine kleine japanische Arbeit mit je 20 Verumpatienten und historischen Kontrollen suggerierte, dass das großartig funktionieren könne. Die placebokontrollierte Bestätigungsstudie mit doppelt so vielen Patienten fand keine positiven Effekte. „Verlassen Sie sich nicht auf Studien, die schlecht gemacht sind und historische Kontrollen haben“, betonte Prof. Kreuter.

Ob Steroide wirken, prüfen französische Wissenschaftler derzeit in einer kontrollierten Studie. Was auf keinen Fall funktioniert, obwohl es weltweit häufig praktiziert wird, sind Immunsuppressiva. Im Gegenteil: Eine prospektive Studie mit Cyclophosphamid, das nach einer Umfrage unter rund 500 internationalen Lungenfibroseexperten jeder fünfte verordnet, deutet an, dass es sogar zu einer Übersterblichkeit führen könnte.

Quelle: Kongressbericht 64. Kongress der DGP (Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin)

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