CGRP-Antikörper sind wirksam aber teuer

Manuela Arand

Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor haben sich als hocheffektiv in der Prophylaxe erwiesen. (Agenturfoto) Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor haben sich als hocheffektiv in der Prophylaxe erwiesen. (Agenturfoto) © vectorfusionart– stock.adobe.com

Gehören CGRP-Antikörper in die erste Reihe, wenn es um Migräneprophylaxe geht? Wirksam und verträglich sind sie zweifellos, doch sie verursachen auch hohe Kosten. 

CGRP ist spezifisch an der Entstehung von Migräne beteiligt. Infundiert man das Peptid Betroffenen, triggert es Attacken – bei Gesunden tut sich praktisch nichts, sagte Prof.Dr. Faisal Mohammad Amin, Dänisches Kopfschmerzzentrum, Universität Kopenhagen. Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor haben sich als hocheffektiv in der Prophylaxe erwiesen. Monatlich oder vierteljährlich appliziert, reduzieren sie je nach Studie bei 40–60 % der Patienten die Zahl der monatlichen Migränetage um mindestens die Hälfte. 

Nach Überzeugung von Prof. Amin sollten die Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor unbedingt in die Firstline der Migräneprophylaxe rücken. Nicht für jeden Patienten, aber für diejenigen, die besonders stark leiden, für die andere Prophylaktika nicht infrage kommen oder wenn sie absehbar nicht vertragen werden. Allerdings haben European Headache Foundation (EHF) und European Academy of Neurology (EAN) erst im vergangenen Jahr ein Konsensuspapier veröffentlicht, in dem sie die Antikörper zusammen mit Onabotulinumtoxin A in die dritte Reihe verbannen, noch hinter Flunarizin, Amitriptylin und Valproat.1 „Ich habe das Paper mehrmals gelesen, weil ich wissen wollte, warum sie CGRP-Antikörper so weit hinten platzieren, obwohl wir doch wissen, dass diese gezielt in die Mechanismen der Migräne eingreifen“, so Prof. Amin.

Als Grund führen die Autoren lokale Verordnungseinschränkungen an. „Und das auf einer Plattform, auf der wir besser über Wissenschaft diskutieren sollten und wie wir unseren Patienten eine gute Therapie zukommen lassen können“, kritisierte Prof. Amin. 

Vergleichsstudien fehlen noch

Ein Manko besteht darin, dass es bisher nur eine einzige Studie gibt, in der ein CGRP-Antikörper (Erenumab) gegen ein Mitglied des traditionellen Firstline-Prophylaxeteams (Topiramat) angetreten ist. Dabei erwies sich der Antikörper in allen geprüften Aspekten als wirksamer. Dummerweise war jedoch Wirksamkeit nicht als primärer Endpunkt definiert, sondern die Abbruchrate wegen Nebenwirkungen. Zur Erinnerung: Sekundäre Endpunkte gelten als geeignet, Hypothesen zu generieren, sind aber nicht beweiskräftig für Überlegenheit. 

Hinsichtlich des primären Endpunkts schnitt Erenumab ebenfalls signifikant besser ab (10,6 % vs. 38,9 % in 24 Wochen, p < 0,001). Prof. Amin wies darauf hin, dass Aufmerksamkeitsstörungen unter Topiramat fünfmal so häufig auftraten (10 % vs. < 2 %) wie unter Erenumab. Bei Patienten mit chronischer Migräne wolle man ganz sicher nicht, dass ihre Aufmerksamkeit an den wenigen schmerzfreien Tagen im Monat leide, kommentierte er. 

Natürlich muss man über Kosten sprechen, räumte der Kollege ein. Er gab jedoch zu bedenken, dass Migränepatienten bereit sind, vergleichsweise hohe Kosten aus eigener Tasche zu tragen. In einem aktuellen Survey gaben Patienten mit chronischer Migräne an, pro Monat durchschnittlich 145 Euro für nicht-medikamentöse Interventionen auszugeben, vor allem für Massagen. 

„Wirksam ja, aber keine Wunderkur“ 

Finanzielle Ressourcen sind nicht unbegrenzt, und es liegt auch in der Verantwortung von Ärzten, dazu beizutragen, dass der Zugang zur Medizin für alle möglich, bezahlbar und nachhaltig bleibt, widersprach Prof. Dr. Simona Sacco, Neurologische Klinik der Universität Aquila. CGRP-Antikörper verursachten nun einmal wesentlich höhere direkte Kosten als konventionelle Prophylaktika. „Die meisten Patienten mit Migräne brauchen diese teure Therapie nicht“, meinte die Neurologin. „Es ist absolut angemessen, sie Patienten vorzubehalten, die auf andere Wirkstoffe nicht ansprechen.“

Sie verantwortet selbst als Erstautorin die aktuelle evidenzbasierte Leitlinie der EHF zum Einsatz der monoklonalen Antikörper.2 Diesen Substanzen wird auch in der Leitlinie bescheinigt, dass sie in der Langzeitprophylaxe der episodischen wie chronischen Migräne wirksam und sicher sind. „Wirksam ja, aber keine Wunderkur“, so Prof. Sacco. Der Anteil an Nonrespondern variiert von Studie zu Studie, ist aber beträchtlich. Im Schnitt gelingt es bei jedem zweiten Patienten nicht, die Zahl der Migränetage zu halbieren. Selbst jene, die als Responder qualifizieren, behalten oft noch eine hohe Migränelast mit vielen Kopfschmerztagen im Monat zurück. 

Es ist auch keineswegs eindeutig, dass die „Mabs“ effektiver wirken als die konventionellen Prophylaktika. Betrachtet man die Number needed to treat, nehmen sich die Wirkstoffe wahrscheinlich alle nicht viel – sie schwankt von Studie zu Studie und beträgt im Schnitt 5–10. Was man den CGRP-Antikörpern zugestehen sollte – abgesehen davon, dass sie mehr Studien vorweisen können als die meisten anderen Wirkstoffe –
ist die bessere Verträglichkeit. Das dürfte auch der Adhärenz zugutekommen. Die lässt bei den oralen Prophylaktika bekanntlich zu wünschen übrig. Nach einem Jahr sind 80 % der Patienten wieder abgesprungen, die meisten wegen Nebenwirkungen und weil die Wirkung sie enttäuscht hat. Es ist essenziell, die Erwartungen an die Prophylaxe nicht zu hoch zu hängen, erinnerte Prof. Sacco. „Patienten müssen wissen, dass es darum geht, Symptome zu lindern und Attacken zu reduzieren, nicht zu eradizieren.“ 

Therapieansätze in erste, zweite und dritte Linie zu gruppieren, macht nach Auffassung der Kollegin keinen Sinn. Man solle jedem Patienten die Therapie zukommen lassen, die er brauche. Das schließe durchaus ein, im Einzelfall auch einen Antikörper als erste prophylaktische Option zu wählen – das erlaube übrigens auch die neue Leitlinie. „Aber die meisten Patienten können erst einmal mit anderen Wirkstoffen behandelt werden, bevor man einen Mab gibt“, so Prof. Sacco.

Kongressbericht: 8th Congress of the European Academy of Neurology

Quellen: 1. Eigenbrodt AK et al. Nat Rev Neurol 2021; 17: 501-514; DOI: 10.1038/s41582-021-00509-5 / 2.    Sacco S et al. J Headache Pain 2022;  DOI: 10.1186/s10194-022-01431-x

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Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor haben sich als hocheffektiv in der Prophylaxe erwiesen. (Agenturfoto) Antikörper gegen CGRP oder dessen Rezeptor haben sich als hocheffektiv in der Prophylaxe erwiesen. (Agenturfoto) © vectorfusionart– stock.adobe.com