Commotio beim Sport – wie reagieren?

Josef Gulden, Foto: thinkstock

Die US-Kollegen haben ihre Leitlinie zur Commotio cere­bri bei Sportlern aktualisiert. Künftig sollen die Entscheidungen individueller erfolgen.

Keine Einteilung der Gehirnerschütterung in die Schweregrade 1 bis 3 mehr und kein fester Zeitplan, wann  ein Sportler frühestens wieder am Spiel teilnehmen kann: Das sind die beiden wesentlichen Änderungen der aktuellen Leitlinie der American Academy of Neurology (AAN) im Vergleich zu der von 1997.

Gehirnerschütterung: Schon bei Verdacht aus dem Spiel nehmen

Symptome der Commotio cerebriHeute gilt: Besteht bei einem Sportler der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung, sollte er sofort aus dem Spiel genommen werden und auch draußen bleiben – unabhängig vom Schweregrad. Er darf erst dann wieder seinen Sport aufnehmen, wenn er von einem Arzt oder einem medizinisch ausgebildeten Betreuer, der sich mit Diagnose und Behandlung von Hirnerschütterungen und mit dem Erkennen schwerer Schädel-Hirn-Traumata auskennt, untersucht wurde und von ihm das Plazet erhalten hat, fordern die Experten der amerikanischen Neurologengesellschaft.


Voraussetzung für diese Entscheidung ist allerdings, dass sich entweder der Verdacht auf die Commotio zerschlagen hat oder die akute Symptomatik, die sich auch erst nach Stunden entwickeln kann, vollständig abgeklungen ist und auch unter körperlicher Belastung nicht mehr auftritt, betonen die Leitlinienautoren.


Symptom-Checklisten wie die Post-Concussion-Symptom-Scale oder die Graded-Symptom-Checklist und neuropsychologische Tests könnten bei der Abklärung zwar helfen, seien aber kein Ersatz für eine eingehende medizinisch-neurologische oder neuropsychologische Untersuchung.

Absolute Ruhe bei einer Commotio ist keineswegs erforderlich

Studiendaten besagen, dass es bei Kindern und Jugendlichen länger als bei Erwachsenen und Profi-Sportlern dauert, bis sich Symptome und neurokognitive Leistungen wieder bessern, heißt es in der Leitlinie. Auch migräneartige Kopfschmerzen und Schwindel, nicht aber Bewusstlosigkeit als unmittelbare Folge der Hirnerschütterung werden mit längeren Erholungszeiten in Verbindung gebracht. 


Absolute Ruhe nach der Commotio scheint für die Genesung des Sportlers unnötig zu sein. Aktivitäten, die die Symptomatik nicht verschlechtern oder kein Risiko für ein erneutes Trauma beinhalten, sind sogar erlaubt. Medikamente spielen in der Behandlung keine Rolle. Derzeit gibt es so gut wie keine Evidenz dafür, dass sie die Erholung nach einer Gehirnerschütterung beschleunigen können.


Ein Sportler, der zuvor bereits eine oder mehrere Hirnerschütterungen erlitten hat, trägt ein größeres Risiko für ein weiteres derartiges Ereignis – insbesondere in den folgenden zehn Tagen. Der Grund für diesen Zusammenhang ist unklar. Man vermutet aber, dass sich durch eine durchgemachte Commotio Reaktionsvermögen oder kognitive Prozesse verlangsamen und es deshalb leichter zu gefährlichen Zusammenstößen etc. kommt. Gute Belege für die Hypothese, dass eine zweite Gehirnerschütterung in einem noch vulnerablen Zustand das Risiko für ein Hirnödem oder für Tod erhöhen, fehlen aber bisher.

Häufiger kognitive Defizite und Depressionen

Die Leitlinie ist in enger Zusammenarbeit mit der National Football League Players Association entstanden und wird als Beginn der Entwicklung einer „Sport-Neurologie“ als eigene Subdisziplin des Fachs verstanden, heißt es in einem Editorial in der Zeitschrift „Neuro­logy“. Als als wichtigste Aufgabe für die Zukunft wird die Aufklärung der Sportler über Bedeutung und Konsequenzen einer Commotio angesehen.1


Immerhin haben gerade zwei Untersuchungen bei ehemaligen Spielern der National Football League im mittleren Alter von etwas über 60 Jahren häufiger kognitive Defizite und Depressionen gezeigt als bei normalen Kontrollpersonen. Diese Auffälligkeiten waren mit Anomalien der weißen Substanz und Veränderungen im regionalen Blutfluss im Gehirn verbunden 2,3.


Quelle: 65th Annual Meeting of the American Academy of Neurology
1 Alessi A.G. et al., Neurology 2013; online first
2 Hart J et al., JAMA Neurol 2013; 70: 326-335
3 Strain J et al., Neurology 2013; online first

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