Corona infiltriert die Gastroenterologie – ein Überblick

Kathrin Strobel

Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind zahlreiche geplante Gastro- und Koloskopien verschoben worden. Dabei kann die Endoskopie bei Einhalten der empfohlenen Schutzmaßnahmen als sicher angesehen werden, so die Expertenmeinung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind zahlreiche geplante Gastro- und Koloskopien verschoben worden. Dabei kann die Endoskopie bei Einhalten der empfohlenen Schutzmaßnahmen als sicher angesehen werden, so die Expertenmeinung. © iStock/romaset

Die Gastroenterologie bleibt von SARS-CoV-2 nicht verschont: Das Virus lässt sich in verschiedenen Organen des Verdauungssystems nachweisen und sorgt bei Infizierten mitunter für ausgeprägte Magen-Darm-Beschwerden.

Laut einer Metaanalyse von 60 Studien mit insgesamt 4243 Patienten weisen 17,6 % der COVID-19-Patienten gastrointes­tinale Symptome auf, etwa jeder achte klagt über Diarrhö. Anorexie kommt als unspezifisches Symptom bei 26,8 % der Betroffenen vor. Es gibt sogar Berichte über Fälle, in denen sich die Krankheit ausschließlich durch Magen-Darm-Beschwerden bemerkbar machte und respiratorische Symptome komplett ausblieben. „Damit scheint der Gastrointestinaltrakt bei SARS-CoV-2-Infektionen durchaus relevant zu sein“, ordnete Professor Dr. Christoph­ Sarrazin­ vom St. Josefs-Hospital in Wiesbaden diese Daten ein. Auch bei reinen gastrointestinalen Symptomen sollte man also an SARS-CoV-2 denken.

Man weiß, dass der Erreger über den ACE2-Rezeptor in die Zelle eindringt. Das bedeutet, dass in Organen, in denen eine ACE2-Expression stattfindet, eine Virusreplikation zumindest prinzipiell möglich ist. Die ACE2-Expression sei dabei zwar eine Voraussetzung für die Virusinfektion, aber nicht ausreichend dafür, betonte der Kollege. Auch andere Faktoren spielen eine Rolle. Der ACE2-Rezeptor findet sich

  • in der naso-oralen Mukosa, den Bronchien und den Alveolen,
  • in vaskulären Endothelzellen,
  • ubiquitär in der glatten Muskulatur,
  • in renalen Zellen des proximalen Tubulus,
  • im GI-Trakt und dort vor allem im Dünndarm sowie
  • in der Leber.

In welchen Organen das Virus tatsächlich repliziert, ist laut Prof. Sarrazin nicht abschließend geklärt.

Bislang keine Berichte von Infektionen durch Koloskopie

Einer Metaanalyse zufolge lässt sich bei etwa der Hälfte der Patienten SARS-CoV-2-RNA in Stuhlproben nachweisen – und das sogar länger als im Rachenabstrich. Wenn nicht sicher ist, ob ein Patient eine Infektion hat, könnte es daher hilfreich sein, zusätzlich zum Rachenabstrich noch eine Stuhluntersuchung zu machen, erklärte der ­Kollege aus Wiesbaden.

Zur Frage, ob das Virus nur über den GI-Trakt ausgeschieden wird oder dort auch repliziert, existieren derzeit noch keine eindeutigen Ergebnisse. Zwar gibt es einen Fallbericht aus China, laut dem SARS-CoV-2-Nukleoproteine im Magen, Duodenum und Rektum nachgewiesen wurden. In anderen Untersuchungen konnte man die Replikation allerdings bislang nicht beweisen. Auch bei den sehr umfangreich untersuchten neun Patienten der Münchner Fallgruppe ist es nicht gelungen, infektiöse Viren im Stuhl zu detektieren. Diese Daten und die Tatsache, dass es bislang keine Fallberichte von Infektionen im Rahmen einer Koloskopie gebe, seien aber definitiv kein Grund, diesbezüglich Entwarnung zu geben. Dafür sei die Datenlage schlichtweg noch zu dünn.

Rückstau bei elektiven Koloskopien

Laut der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) sind in Deutschland seit Beginn der Krise bis Mitte Mai mindestens 20 000 Koloskopien entfallen, erklärte Professor Dr. Wolfgang Fischbach vom Klinikum Aschaffenburg. Inzwischen gibt es erste Empfehlungen dazu, wie die elektive Endoskopie schrittweise wieder aufgenommen werden kann. Die Asian Pacific Society for Digestive Endoscopy (APSDE) beispielsweise schlägt vor, sich bei der Wiederaufnahme an der lokalen COVID-19-Situation, der Verfügbarkeit von Personal und Schutzausrüstung sowie dem bereits angestauten Umfang zurückgestellter Endoskopien zu orientieren. Dabei ist die Notwendigkeit einer Rückkehr zum Normalbetrieb umso größer, je mehr Untersuchungen bereits aufgeschoben wurden, betonte Prof. Fischbach. Unter den etablierten Schutzmaßnahmen sind Vorsorgekoloskopien sicher durchführbar, erklärte Dr. Ulrich Rosien vom Israelitischen Krankenhaus in Hamburg unter Berufung auf eine DGVS-Pressemitteilung. Einen Überblick darüber, welche Schutzmaßnahmen bei der Endoskopie zu ergreifen sind, gibt das Positionspapier der European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE).

Und wie sieht es mit der Leber aus? „Erhöhte Leberwerte finden sich nicht selten bei COVID-19“, erklärte Prof. Sarrazin. Aber lassen sich diese Auffälligkeiten tatsächlich auf die Virusinfektion per se zurückführen oder handelt es sich dabei um Neben­effekte der medikamentösen Therapie? Daten aus China zeigen, dass bspw. die Gabe von Lopinavir/Ritonavir bei COVID-19-Patienten signifikant mit abnormalen Leberwerten korreliert: Von 41 Patienten, die die Medikamentenkombi erhalten hatten, wiesen knapp 58 % erhöhte Leberwerte auf. „Es könnte also schon sein, dass das durch die Medikation getriggert wird und nicht unbedingt COVID-19-spezifisch ist“, erklärte Prof. Sarrazin. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass es durch eine Schädigung der Cholangiozyten und den daraus folgenden Funktionsstörungen zu einer Erhöhung der Leberwerte kommt. Denn auf Cholangiozyten wird deutlich mehr ACE2 exprimiert als auf Hepatozyten und vielen anderen Zellen. Ob bestehende Lebererkrankungen das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs erhöhen, lässt sich bislang nicht klar sagen. „Grundsätzlich ist ein schwerer Verlauf bei Leberzirrhose durchaus möglich“, so der Kollege. Allerdings habe man für diese Patientengruppe bisher nichts Signifikantes gefunden. Man wisse, dass SARS-CoV-2 die Gerinnung beeinflusse. Thromboembolische Ereignisse kommen bei COVID-19-Betroffenen daher gehäuft vor, auch Pfortaderthrombosen wurden beobachtet. Bei Patienten, die bereits transplantiert wurden und deshalb Immunsuppressiva einnehmen, sind das Infektionsrisiko und die Wahrscheinlichkeit für schwere Verläufe erhöht.

Deutlich erhöhtes Risiko bei Steroiddosierungen > 20 mg

Das Thema Immunsuppressiva spielt auch für die Therapie der CED eine Rolle. „Ich wäre, was Steroide betrifft, sehr zurückhaltend“, so Professor Dr. Andreas­ Stallmach­ vom Universitätsklinikum Jena. Denn Studien zufolge gibt es zumindest für Dosierungen > 20 mg/d ein klares negatives Signal: Die Gabe der Medikamente ist mit einem deutlich erhöhten Risiko für schwere Verläufe, die eine intensivmedizinische Behandlung und/oder eine Beatmung erfordern, sowie für das Versterben der Patienten assoziiert. Die Behandlung mit IL-12/23- und anti-TNF-Antikörpern hingegen scheint nicht mit einer erhöhten Gefahr einherzugehen.

Quelle: GastroLive; Online-Veranstaltung „Corona und Gastroenterologie: Follow up“ vom 03.06.2020, streamed-up.com

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Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind zahlreiche geplante Gastro- und Koloskopien verschoben worden. Dabei kann die Endoskopie bei Einhalten der empfohlenen Schutzmaßnahmen als sicher angesehen werden, so die Expertenmeinung. Aufgrund der COVID-19-Pandemie sind zahlreiche geplante Gastro- und Koloskopien verschoben worden. Dabei kann die Endoskopie bei Einhalten der empfohlenen Schutzmaßnahmen als sicher angesehen werden, so die Expertenmeinung. © iStock/romaset