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Leberkrank in Zeiten von Corona: Risikokonstellationen und Besonderheiten

Ob Patienten mit chronischen Lebererkrankungen generell eine COVID-19-Risikogruppe darstellen, ist bislang nicht endgültig geklärt. Theoretische Überlegungen und erste klinische Erfahrungen geben aber eher Entwarnung: Eine stabile chronische Lebererkrankung scheint demnach für sich genommen kein Risikofaktor zu sein, heißt es in der deutschen Übersetzung des Positionspapiers der European Association for the Study of the Liver (EASL) und der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID).
Vorsicht ist allerdings in besonderen Konstellationen geboten. So sollte bei Patienten mit Zirrhosebildung und hepatozellulärem Karzinom (HCC) sowie nach Lebertransplantation an Immundysfunktionen und damit einhergehend an ein erhöhtes Infektionsrisiko gedacht werden.
Lieber zu früh als zu spät ins Krankenhaus
Auch Patienten mit einer nicht-alkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD) oder Steatohepatitis (NASH) benötigen eine erhöhte Aufmerksamkeit. Sie leiden in der Regel an metabolischen Begleiterkrankungen wie Diabetes, Hypertonie und Adipositas und gelten daher als Corona-Risikogruppe.
Besonders bei solchen Patienten gilt: engmaschig überwachen und im Zweifelsfall lieber zu früh als zu spät ins Krankenhaus überweisen. Menschen mit autoimmun bedingter oder dekompensierter Lebererkrankung sowie lebertransplantierten Patienten sollte darüber hinaus dringend zu einer Impfung gegen Streptococcus pneumoniae und Influenza geraten werden.
Fragen ergeben sich auch in Bezug auf leberdiagnostische Untersuchungen wie die Endoskopie. Laut Positionspapier sollten derzeit Varizenuntersuchungen per Ösophagogastroduodenalendoskopie (ÖGD) Risikopatienten vorbehalten bleiben. Das betrifft z.B. solche mit einer anamnestisch bekannten Varizenblutung oder mit Anzeichen einer ausgeprägten portalen Hypertension (Aszites, Thrombozyten < 100 000 µl). Als nicht-invasive Alternative stehen Risikobewertungsverfahren (z.B. Stratifikation nach Baveno) zur Verfügung.
Besondere Vorsicht ist außerdem bei der Endoskopie infizierter Patienten angezeigt. So können im Rahmen einer ÖGD virusbelastete Tröpfchen verbreitet werden, bei einer Koloskopie erhöht möglicherweise die Virusausscheidung über den Stuhl das Risiko. Die Endoskopie ist daher während der akuten Corona-Pandemie weitgehend auf Notfälle wie gastrointestinale Blutungen, bakterielle Cholangitis oder andere lebensbedrohliche Zustände beschränkt.
Routinemäßig anfallende Ultraschall-Vorsorgeuntersuchungen auf ein hepatozelluläres Karzinom (HCC) können meist verschoben werden, die Untersuchung bleibt derzeit vorrangig für Patienten mit Risikokonstellationen (z.B. erhöhtem Alpha-Fetoprotein-Spiegel, fortgeschrittener Zirrhose oder chronischer Hepatitis) vorbehalten. Die HCC-Überwachung z.B. bei Zirrhose-Patienten wird bei akuter COVID-19-Erkrankung bis zur Genesung verschoben.
Therapie gegebenenfalls anpassen
Angesichts noch fehlender zugelassener Medikamente gegen SARS-CoV-2 bleibt die antivirale Behandlung bei Leberpatienten derzeit noch der Einzelfallbeurteilung überlassen. Für Leberpatienten mit zusätzlichen Risikofaktoren für einen schweren Infektionsverlauf empfehlen die Experten einen möglichst frühzeitigen Beginn der antiviralen Therapie – optimalerweise im Rahmen von klinischen Studien, die derzeit an verschiedenen Leberzentren laufen.
Vorsicht in der symptomatischen Therapie z.B. von Fieber ist vor allem bei Zirrhotikern geboten. So ist die Paracetamol-Dosis bei Zirrhose-Patienten ohne Alkoholkonsum auf 2–3 g pro Tag zu begrenzen, nicht-steroidale Entzündungshemmer sind bei Zirrhotikern mit portaler Hypertonie grundsätzlich kontraindiziert.
Auch die Therapie hepatischer Grunderkrankungen muss bei einer akuten Corona-Infektion ggf. nachjustiert werden. Bei HCC-Patienten sind lokoregionale Behandlungen möglichst aufzuschieben und Immuncheckpoint-Inhibitoren auszusetzen, empfiehlt das Positionspapier. Kinaseinhibitoren können dagegen zumindest bei leichteren COVID-19-Verläufen, evtl. in niedrigerer Dosierung, beibehalten werden.
Bei Patienten mit Zustand nach Lebertransplantation ist in Abhängigkeit von der Art der eingeleiteten antiviralen Behandlung die Dosis von Calcineurin- und/oder mTOR-Inhibitoren anzupassen. Auch bei einer medikamenteninduzierten Lymphopenie sowie einer Superinfektion bei schwerem COVID-19-Verlauf ist eine Dosisreduktion der Immunsuppressiva in Erwägung zu ziehen.
Quelle: Böttler T et al. Deutsche Übersetzung des Positionspapiers der EASL (European Association for the Study of the Liver) und der ESCMID (European Society of Clinical Micobiology and Infectious Diseases); www.deutsche-leberstiftung.de
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