Coronaimpfung: Polyethylenglykol kann Pseudoallergien auslösen

Dr. Daniela Erhard/Birgit Maronde

Das im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene Polyethylenglykol kann Pseudoallergien auslösen. Das im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene Polyethylenglykol kann Pseudoallergien auslösen. © toa555 – stock.adobe.com

Was war die Aufregung groß, als zu Beginn der Corona-Impfkampagne anaphylaktische Reaktionen auf die BioNTech/Pfizer-Vakzine beobachtet wurden – zwar nur sehr selten, aber immerhin. Mittlerweile ist es an dieser Front ruhig geworden, zudem hat man wohl den Auslöser der Ereignisse identifiziert.

Bis Ende Februar 2021 wurden rund 40 Fälle von anaphylaktischen Reaktionen auf den Corona-Impfstoff von BionTech/Pfizer  bekannt, berichtete Professor Dr. Christiane Bayerl von den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken in Wiesbaden anlässlich des 11. Allergologie-Update-Seminars. Da die Vakzine weder einen Konservierungsstoff noch Hühnereiweiß oder Adjunvanzien enthält und der Stopfen der Durchstechampulle latexfrei ist, fallen die üblichen Verdächtigen unter den Auslösern weg. In den Lipidnano­partikeln des Impfstoffs findet sich jedoch Polyethylenglykol 2000, auch im Moderna-Impfstoff kommt diese Substanz vor, erklärte die Wiesbadener Dermatologin. 

Polyethylenglykol (PEG) ist ein Kind mit vielen Namen: Laureth-9, Polidocanol, Thesit, Macrogol. Es findet sich u.a. in Kosmetika, Shampoos, Rasierschaum, Mundspülungen, Zahnprodukten und Nahrungsmitteln, aber auch in Hals­tabletten, Ultraschall-Gleitmitteln, osmotischen Laxanzien, Medikamenten sowie Impfstoffen. Und dabei ist es ist keineswegs ein Bad Guy. Die Pegylierung von Medikamenten gilt als Goldstandard, um Blutzirkulationszeit und Effektivität im Gewebe zu erhöhen, heißt es in einer aktuellen Publikation von Prof. Bayerl und ihrem in Darmstadt niedergelassenen Kollegen Dr. Matthias Herbst.1

Dass Polyethylenglykol zu Soforttyp-Reaktionen führen kann, ist lange bekannt. Sie wurden immer wieder in Kasuistiken unterschiedlicher medizinischer Fachgebiete beschrieben, zum Beispiel bei Koloskopiepatienten, die mit PEG 3350 abgeführt hatten. Dabei handelt es sich allerdings nur sehr selten um IgE-vermittelte Ereignisse. Prof. Bayerl und Dr. Herbst vermuten, dass die meisten Soforttyp-Reaktionen Ausdruck einer Pseudoallergie sind, bei der es über Komplementaktivierung zur Degranulierung der Mastzellen kommt (Complement-activation-related pseudoallergy, CARPA). Diese kennt man auch nach Gabe von Radio­kontrastmitteln, Biologicals, Eisen i.v. oder Enzymen, berichten die beiden Kollegen. 

Polyethylenglykol in Nanomaterialien kann prinzipiell mit TH2-Zellen, Mastzellen und dem Komplementsystem interagieren und somit pseudoallergische Reaktionen auslösen. Beschrieben ist die Hypersensitivitätsreaktion auch über Inflammasomaktivierung, antigenpräsentierende Zellen und TH2-Typ-Effektorzellen. 

Zu Polysorbat 80, das wiederum im AstraZeneca-Impfstoff enthalten ist, weist Polyethylenglykol eine hohe Strukturhomologie (80 %) auf, sodass es bei entsprechend sensibilisierten Patienten häufig zu Kreuzreaktionen kommt, berichtete die Kollegin. 

Ebenfalls interessant in diesem Zusammenhang: Bis zu 70 % der Bevölkerung weisen kurzlebige IgM-Antikörper gegen PEG auf. Dass nur wenige dieser Menschen „allergisch“ auf die Corona-Impfung reagieren, spreche für deren Einsatz, betonen Prof. Bayerl und Dr. Herbst. Um auf Anaphylaxien reagieren zu können, seien Notfallmedikamente und eine Nachbeobachtung von 30 Minuten in den Impfzentren notwendig.

Immunsystem spielt falsch

Immunmediierte Reaktionen auf Impfungen sind über verschiedene Mechanismen möglich:
  • IgE: Urtikaria, Bronchospasmus, gastrointestinale Reaktionen, Anaphylaxie u.a.
  • nicht-IgE-mediiert (Pseudoallergie): Urtikaria, Bronchospasmus, gastrointestinale Reaktionen, Anaphylaxie u.a.
  • Immunkomplex IgG: Vaskulitis, Myokarditis
  • T-Zell-mediiert: makulopapulse Exantheme, akute generalisierte eosinophile Pustulose, Erythema multiforme
  • autoimmun/entzündlich: Thrombozytopenie, Serumkrankheit, Polyradikuloneuritis, Guillain-Barré-Syndrom, makrophagische Myofasziitis

1. Bayerl C, Herbst M. Akt Dermatol 2021; 47: 17-19; DOI: 10.1055/a-1352-6241

Medical-Tribune-Bericht

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Das im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene Polyethylenglykol kann Pseudoallergien auslösen. Das im Impfstoff von BioNTech/Pfizer und Moderna enthaltene Polyethylenglykol kann Pseudoallergien auslösen. © toa555 – stock.adobe.com