Dahinter kann auch mal eine Porphyrie stecken

Stefanie Menzel

Die Patientin berichtete von monatlichen Attacken, die unabhängig vom Zyklus auftreten, mehrere Tage andauern und mit Verstopfung einhergehen. Die Patientin berichtete von monatlichen Attacken, die unabhängig vom Zyklus auftreten, mehrere Tage andauern und mit Verstopfung einhergehen. © iStock/AndreyPopov

Wer bei abdominellen Schmerzen an eine akute intermittierende Porphyrie denkt, kann Betroffenen mitunter einen langen Leidensweg mit frustranen Klinikaufenthalten ersparen. Warnzeichen sind u.a. zusätzliche psychiatrische Auffälligkeiten sowie eine Verfärbung des Urins.

Mit starken Unterleibsschmerzen stellte sich eine 32-jährige Patientin in einer gastro­enterologischen Klinik vor. Sie berichtete von monatlichen Attacken, die unabhängig vom Zyklus auftreten, mehrere Tage andauern und mit Verstopfung einhergehen. Sie stünden nicht im Zusammenhang mit Nahrungsaufnahme und verschlimmerten sich beim Joggen. Zwischen den Episoden habe sie jeden Tag immer wieder Bauchkrämpfe unterschiedlicher Schwere.

Die Beschwerden plagten sie bereits seit zehn Jahren. Schon zuvor war die Frau mehrfach zur Abklärung im Krankenhaus gewesen. Dabei hatten weder eine Magen-Darm-Spiegelung mit Biopsie noch die CT-Bildgebung auffällige Befunde zutage gefördert.

Serumnatrium der Patientin war stark erniedrigt

Bei einem dieser Klinikaufenthalte hatte sie vorübergehend „ein bisschen neben sich“ gestanden, was die Ärzte auf gegen die Schmerzen eingenommene Opiode zurückführten, schreiben Professor Dr. Thomas­ Fredrick­ von der Mayo Clinic in Rochester und Kollegen. Nach psychiatrischem Assessment war der Frau eine dissoziative Störung bescheinigt worden.

Nun konnten die Ärzte auffällig niedrige Natriumserumwerte bei ihr feststellen. Zum Ausgleich verabreich­ten sie NaCl-Infusionen. Die AST-Konzentration lag bei 48 U/l, die der ALT bei 53 U/l. Ansonsten war das Labor unauffällig. Die Patientin erhielt Nortriptylin und wurde mit der Diagnose funktionelle Unterleibsbeschwerden entlassen.

Bereits zwei Monate später kam sie erneut in die Notaufnahme – sie plagten starke abdominelle Schmerzen, zusätzlich lag eine Tachykardie ohne Rhythmusstörung vor. Die Patientin wirkte orientiert, aber nervös und berichtete von unfreiwilligem Stuhlverhalt seit einem Tag. Ileus, Mesenterialinfarkt sowie Störungen im Bereich von Bauchspeicheldrüse und Gallengängen ließen sich mittels Bildgebung und Labor ausschließen. Ein Harnwegsinfekt oder eine Schwangerschaft lagen nicht vor. Durch Volumenausgleich normalisierte sich der Herzrhythmus der Frau, Schmerzen und Konstipation blieben aber trotz diverser Maßnahmen hartnäckig bestehen.

In den nächsten Tagen fiel der Natriumspiegel der Patientin trotz Kochsalzinfusionen erneut bis auf 122 mmol/l. Das Labor bescheinig­te eine gestörte Osmoregulation bei Thyrotropin- und morgendlichen Cortisolwerten im Normbereich. Die Ärzte vermuteten eine inadäquate ADH-Sekretion (SIADH) und stoppten die Infusionen.

Ein Kontrastmitteleinlauf offenbarte große Mengen Stuhl im Colon transversum, abführende Maßnahmen wurden eingeleitet. An Tag 6 besserten sich allmählich die Symptome, der Elektrolythaushalt normalisierte sich. Aufgrund des Dreiklangs aus rezidivierenden abdominellen Schmerzen, Hyponatri­ämie und passageren neuro-psychia­trischen Beschwerden vermuteten die Ärzte nun eine akute intermittierende Porphyrie (AIP). Die Verdachtsdiagnose konnte durch Labor- und Gendiagnostik bestätigt werden.

Auf lange Sicht drohen Leberzirrhose und Krebs

Die seltene Stoffwechselerkrankung (Prävalenz ca. 5,4 pro 1 Million) gehört zu einer Gruppe von genetisch bedingten Störungen der Häm-Synthese, den Porphyrien. Sie manifestiert sich typischerweise bei Frauen zwischen 18 und 45 Jahren. Ein akuter AIP-Schub ist gekennzeichnet durch folgende Symptome:

  • abdominelle Schmerzen
  • Obstipation
  • Übelkeit und Erbrechen
  • rot oder dunkel gefärbter Urin
  • Krämpfe
  • Verwirrtheitszustände

Begleitend kann es zu peripheren und autonomen Neuropathien, psychischen Störungen, chronischen Nierenerkrankungen, Hypertonie und Hyponatriämie kommen, auf lange Sicht auch zu Leberzirrhose und hepatozellulärem Karzinom.

Ursächlich für die Attacken sind Enzymdefekte, die dazu führen, dass die Leber der Betroffenen nur begrenzt Häm-Moleküle herstellen kann. Bei situativ erhöhtem Häm-Bedarf reichern sich Porphobilinogen (PBG) und Delta-Aminolävulinsäure (delta-ALA) in Blut und Gewebe an, was die Akut­symptome auslöst. Während eines Schubs können die PBG-Konzentrationen im Spontanurin 20–300 mg pro Gramm Kreatinin erreichen (normal: 0–2 mg). Die Diagnose sollte zusätzlich durch einen Gentest bestätigt werden.

Seit 2020 neue Therapie zur Schubprävention

In der Akutphase sind die intravenöse Gabe von Glukose, zum Teil auch von Hämarginat sowie kohlenhydratreiche Kost angezeigt. Langfris­tig steht die Vermeidung der auslösenden Faktoren im Vordergrund. Dazu zählen:

  • Fastenkuren
  • Low-Carb-Ernährung
  • Alkohol- und Nikotingenuss
  • Stress
  • Infekte
  • hormonelle Kontrazeptiva
  • porphyrinogene Medikamente (z.B. Antiepileptika)

Zur Schubprävention ist seit 2020 die small interfering RNA (siRNA) Givosiran zugelassen. Die Substanz wird monatlich subkutan verab­reicht. Wegen des erhöhten Risikos für ein hepatozelluläres Karzinom bei AIP-Patienten raten die Experten dazu, Betroffene über 50 Jahre regelmäßig mittels Lebersonographie zu kontrollieren. Außerdem sollte der Tumormarker Alpha-Fetoprotein bestimmt werden.

Im Fall der jungen Patientin konnte der Auslöser der bisherigen Schübe schnell ermittelt werden: Vor allen Krankenhausaufenthalten hatte die Frau eine sogenannte Keto-Diät begonnen, bei der fast komplett auf Kohlenhydrate verzichtet wird. Beim Follow-up war die Patientin nach zwei Monaten noch immer beschwerdefrei. 

Quelle: Fredrick TW et al. N Engl J Med 2021; 385: 549-54; DOI: 10.1056/NEJMcps2105278

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Die Patientin berichtete von monatlichen Attacken, die unabhängig vom Zyklus auftreten, mehrere Tage andauern und mit Verstopfung einhergehen. Die Patientin berichtete von monatlichen Attacken, die unabhängig vom Zyklus auftreten, mehrere Tage andauern und mit Verstopfung einhergehen. © iStock/AndreyPopov