„Das Bessere ist der Feind des Guten“

Kathrin Strobel

Mittlerweile gibt es weit aus mehr Therapieoptionen für Patienten mit Morbus Crohn als die gängige Erhaltungstherapie mit Mesalazin. Mittlerweile gibt es weit aus mehr Therapieoptionen für Patienten mit Morbus Crohn als die gängige Erhaltungstherapie mit Mesalazin. © MohammedElAmine – stock.adobe.com

Inzwischen steht für die Behandlung des Morbus Crohn eine Vielzahl von Optionen zur Verfügung. Die richtige für den jeweiligen Patienten zu finden, kann schwierig sein. Die wichtigsten Studien der letzten Monate bringen ein wenig Ordnung ins Wirrwarr.

Ob man bei Morbus Crohn eine Erhaltungstherapie mit Mesalazin anbietet oder den Patienten nicht behandelt, macht keinen Unterschied. Das zeigt eine Studie mit 3.027 Patienten, denen kürzlich Morbus Crohn diagnostiziert wurde und die Mesalazin erhielten, und 5.583 Patienten ohne die Behandlung.1 Verglichen wurden die beiden Gruppen in Bezug auf die Zeit bis zu einer Biologikatherapie, einer Steroidabhängigkeit, einer Krankenhauseinweisung aufgrund der Erkrankung und einer crohnbedingten Operation. Eine Behandlung mit Mesalazin ist also nicht effektiv, sagte Prof. Dr. Andreas Stallmach, Universitätsklinikum Jena. 

Glücklicherweise gibt es aber Therapieoptionen bei Morbus Crohn, die durchaus wirksam sind, so der Kollege. Zur Verfügung stehen inzwischen einige Substanzen mit zum Teil sehr unterschiedlichen Wirkmechanismen. Die richtige Therapie für den individuellen Patienten zu finden, ist deshalb nicht einfach. Metaanalysen helfen dabei nur bedingt, wie der Experte erklärte. Denn im echten Leben hat man eben nicht das gesamte in den jeweiligen Studien untersuchte Patientenkollektiv vor sich, – sondern nur einen Patienten mit seiner ganz spezifischen Krankheitsgeschichte und Therapiehistorie.

Die bislang vorliegenden Daten zu Morbus-Crohn-Patienten mit Ileozökalbefall und Nichtansprechen auf eine konventionelle Therapie zeigen beispielsweise, dass nicht die Behandlung mit einem TNF-Antikörper, sondern eine Resektion die beste Option ist.2 Frühzeitig durchgeführt, geht die Ileozökalresektion bei dieser Subgruppe von Patienten mit einem besseren Langzeitergebnis einher. Das ergab eine populationsbasierte Studie mit 1.279 Patienten. Darin war das Risiko für einen ungünstigen Verlauf in den 15 Jahren nach der Behandlung bei Patienten nach Resektion um 33 % niedriger als bei denen, die mit TNF-Antikörpern behandelt worden waren. „Unter Berücksichtigung aller Faktoren, einschließlich Kosten und Lebensqualität, sollte deshalb Patienten in dieser Situation eine OP angeboten werden“, so Prof. Stallmach.

In einer anderen Publikation wurde die Effektivität von Vedolizumab im Vergleich zu TNF-Antikörpern bei 327 biologikanaiven Patienten beleuchtet – und zwar unter Real-World-Bedingungen.3 Mehr als 90 % der Patienten waren mit Steroiden vorbehandelt. Im Rahmen der Induktionstherapie schnitten die Patienten unter TNF-Antikörpern besser ab als die unter Vedolizumab. Die Ansprechraten lagen bei 79,3 % vs. 61,1 %, eine klinische Remission erreichten 73,9 % vs. 56,3 %, eine steroidfreie 66,4 % vs. 45,2 %. Nach einem Jahr sah das Bild anders aus: Von denjenigen Patienten, die während der Induktionstherapie auf die jeweilige Therapie angesprochen hatten, befanden sich nach 12 Monaten 91,7 % der mit Vedolizumab Behandelten in klinischer Remission. Unter TNF-Antikörpern waren es 66,1 %. Eine steroidfreie Remission nach zwei Jahren erreichten unter Vedolizumab 64,2 % und unter Anti-TNF 44,7 %.

Wissenschaftler untersuchten in einer Studie mit 123 Patienten, ob sich das Ansprechen auf Vedolizumab in der Primärtherapie durch zusätzliche Gabe von Budesonid verbessern lässt.4 Zu Woche 14 gab es im Hinblick auf die klinischen Remissionsraten allerdings keine Unterschiede zwischen den Patienten, die lediglich das Biologikum erhalten hatten, und denen, die zusätzlich Budesonid genommen hatten (71,4 % vs. 68,0 %).

Obwohl die Ansprechraten auf Vedolizumab in der Induktionstherapie niedriger sind als auf TNF-Antikörper, ist Vedolizumab in der Primärtherapie günstig für Patienten mit mildem bis mittelschwerem aktiven Morbus Crohn, so Prof. Stallmach. Er erklärte: „Aufgrund deutlich niedrigerer Abbruchraten im weiteren Therapieverlauf unter Vedolizumab und einem niedrigeren Risiko für unerwünschte Ereignisse kann diese Substanz durchaus in der Erstlinientherapie beim M. Crohn eingesetzt werden.“

Auch Ustekinumab wurde in verschiedenen Studien mit einer Anti-TNF-Therapie verglichen. In einem Real-World-Vergleich zeigte sich kein Unterschied zwischen den Substanzen im Hinblick auf die Effektivität bei einer Induktionstherapie.5 

Bei 100 „schwer zu behandelnden“ Patienten mit Morbus Crohn, die alle mit TNF-Antikörpern und teilweise mit Vedolizumab (n = 94) und/oder Ustekinumab (n = 98) vorbehandelt waren und/oder einen chirurgischen Eingriff hinter sich hatten (n = 61), konnte man mit Risankizumab ein gutes Ansprechen erreichen, so der Kollege.6 In einer weiteren Studie erhielten 520 Patienten, bei denen mindestens eine Anti-TNF-Therapie versagt hatte, entweder eine Therapie mit Risankizumab oder eine mit Ustekinumab.7 Im Hinblick auf den primären Endpunkt klinische Remission zeigte sich Risankizumab gegenüber Ustekinumab nicht unterlegen. In allen weiteren Endpunkten (z.B. klinische Remission in Woche 48, steroidfreie klinische Remission in Woche 48) war Risankizumab sogar überlegen. Die Studie hat zwar ihre Mängel (z.B. fehlende Verblindung), liefert aber wichtige Informationen für die tägliche Praxis, sagte Prof. Stallmach.

Mit Guselkumab betritt ein neuer Kandidat für die Erstlinientherapie die Bühne, so die Einschätzung des Kollegen. Er beruft sich dabei u.a. auf eine fünfarmige Phase-2-Studie mit 309 Patienten (112 biologikanaiv, 197 biologikaerfahren), in der man Guselkumab in verschiedenen Dosierungen mit Ustekinumab (Induktionstherapie) und Placebo verglich. Unter Guselkumab wurden hohe Raten des klinischen Ansprechens mit endoskopischer Verbesserung erreicht, erklärte Prof. Stallmach.

1 Atia O et al. Aliment Pharmacol Ther 2023; 57: 1004-1013
2 Agrawal M et al. Gastroenterology 2023; 165: 976-985
3 Bokemeyer B et al. Inflamm Bowel Dis 2023
4 Weisshof R et al. BMC Gastroenterol 2023; 23: 417
5 Bokemeyer B et al. Inflamm Bowel Dis 2023; 29: 1741-1750
6 Fumery M et al. Aliment Pharmacol Ther 2023; 57: 426-434
7 Peyrin-Biroulet L et al. United European Gastroenterology Journal 2023; 11 (Supplement 8)

Quelle: 32. Gastroenterologie-Update-Seminar

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Mittlerweile gibt es weit aus mehr Therapieoptionen für Patienten mit Morbus Crohn als die gängige Erhaltungstherapie mit Mesalazin. Mittlerweile gibt es weit aus mehr Therapieoptionen für Patienten mit Morbus Crohn als die gängige Erhaltungstherapie mit Mesalazin. © MohammedElAmine – stock.adobe.com