Depressiv und dick: Erst der Psychiater entdeckte die Genommutation

Dr. Anne Benckendorff

Patient litt 40 Jahre lang unter nicht erkanntem Klinefelter-Syndrom. Patient litt 40 Jahre lang unter nicht erkanntem Klinefelter-Syndrom. © fotolia/Photographee.eu

Das Klinefelter-Syndrom wird auch im Verlauf noch nicht einmal in der Hälfte der Fälle erkannt. So auch bei einem Patienten, der nach einem Trauerfall psychiatrische Hilfe suchte.

Nachdem er seinen Vater bis zu dessen Tod betreut hatte, stellt sich ein 40-Jähriger aufgrund eines ängstlich-depressiven Syndroms in der psychiatrischen Sprechstunde vor. Der adipöse Mann hat einen Diabetes, eine Hyperurikämie und einen Bluthochdruck. Diese Vorerkrankungen werden bereits medikamentös behandelt. Er berichtet über Entwicklungsverzögerungen in der Kinder- und Jugendzeit und dass er sich bereits vor zehn Jahren wegen einer ängstlich-depressiven Symptomatik in Psychotherapie befand.

Aktuell leidet er zusätzlich intermittierend auch unter panikartigen Ängsten. Zudem berichtet er über einen leichten Waschzwang und eine Grübelneigung. Bei der körperlichen Untersuchung fallen ein Hypogonadismus, eine verminderte Körperbehaarung sowie eine Gynäkomastie auf. Weitere Untersuchungen ergeben eine leichte kognitive Störung und konzentrative Defizite, verminderte Belastbarkeit und eine psychomotorische Verlangsamung.

Frühe Diagnose kann Zeugungsfähigkeit retten

Die Werte für Prolaktin, Testosteron und Estradiol sind erniedrigt (Testosteron: 0,6 nmol/l). Im Routinelabor sind zudem die Leberwerte, die Lipide und das freie Trijodthyronin grenzwertig verändert. Dies lenkt den Verdacht in Richtung eines Klinefelter-Syndroms, Kallmann-Syndroms, fragilen X-Syndroms oder Androgenrezeptordefekts.

Die genetische Untersuchung zeigt ein Klinefeltersyndrom im Mosaikverband (47, XXY in 80 %; 48, XXXY in 3 %; 46, XY in 17 %). Unter niedrig-dosiertem Sertalin und Opipramol geht die ängstlich-depressive Symptomatik vollständig zurück. Zudem erhält der Patient eine Testosteronsubstitution.

Der mit der Chromosomenanomalie verbundene Testosteronmangel ist für die psychischen Symptome mitverantwortlich. Ein weiteres Begleitsymptom ist Adipositas mit Diabetes und metabolischem Syndrom.

Der Autor betont die Bedeutung einer frühen Diagnose des Klinefelter-Syndroms, da sich damit die Lebensqualität der Betroffenen steigern lässt. Denn sie erlaubt eine kindliche Förderung, Beratung und Hormontherapie. Zudem ermög-licht sie präventive Untersuchungen hinsichtlich möglicher Komplikationen wie Thrombosen, Osteoporose und des leicht erhöhten Krebsrisikos. Schließlich ist sie auch für die Familienplanung wichtig. 

Quelle: Koch HJ. Internistische praxis 2016; 57: 95-98

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Patient litt 40 Jahre lang unter nicht erkanntem Klinefelter-Syndrom. Patient litt 40 Jahre lang unter nicht erkanntem Klinefelter-Syndrom. © fotolia/Photographee.eu