
Der Individualität gerechtwerden

Molekulargenetische Untersuchungen helfen bislang kaum dabei, die für einen Patienten am besten wirkende, risikoärmste Behandlung zu identifizieren. Einzige Ausnahme: der monogenetische MODY*, erklärte Professor Dr. Miriam Udler von der Harvard Medical School in Boston. Bei Vorliegen einer HNF1a-Mutation kann die Gabe von Sulfonylharnstoffen oder GLP1-Rezeptoragonisten die durch die Mutation gestörten Signalwege zur Regulation der glukosestimulierten Insulinsekretion beeinflussen. In der Folge können Betroffene häufig eine Insulintherapie absetzen.
Abseits dessen stützt man sich derzeit auf klinische Faktoren, um die Diabetestherapie zu individualisieren. Dazu zählen entsprechend den aktuellen EASD/ADA-Leitlinien beispielsweise
- HbA1c und Therapieziel,
- Vulnerabilität für Hypoglykämien,
- Körpergewicht und
- kardiovaskuläre oder renale Erkrankungen bzw. Risikofaktoren.
Die von Ahlqvist et al. klinisch-pathophysiologisch definierten Cluster unterschiedlicher Diabetes-Typ-2-Formen könnten ein anderer pathophysiologisch determinierter Schritt hin zur Präzisionsmedizin sein, beispielsweise um die Wahrscheinlichkeit des Ansprechens auf eine Therapie beim neu diagnostizierten Diabetes abzuschätzen.1 Allerdings gab es laut Prof. Udler hier Ernüchterung: In einer Studie ihres Nachredners Dr. John Dennis, University of Exeter, war es durch die Parameter Geschlecht, Alter, BMI und HbA1c zum Zeitpunkt der Diagnose besser als mithilfe der Cluster gelungen, das Ansprechen auf die Therapie vorherzusagen.2 „Das Risiko eines Hyperglykämieprogresses zeigte das Diagnosealter ebenso gut an wie die Cluster und durch die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) ließ sich ein guter Rückschluss auf die Wahrscheinlichkeit ziehen, eine chronische Nierenerkrankung zu entwickeln“, sagte Prof. Udler.
Unterschied zum Standard
Individualisierte Empfehlungen nur für 15–20 % der Patienten
Reicht Metformin zur glykämischen Kontrolle nicht aus, stehen eine Reihe von Medikamentenklassen zur Verfügung. In den EASD/ADA-Leitlinien gibt man aber nur für Patienten mit kardiovaskulärer Vorbelastung oder chronischer Nierenerkrankung konkrete, individualisierte Empfehlungen. „Bei den übrigen 80–85 % bleibt die optimale Therapiewahl offen“, erklärte Dr. Dennis. Auf Basis klinischer Routinedaten hatte er bereits BMI und eGFR als Prädiktoren für ein Therapieansprechen auf DPP4-Hemmer, Glitazonen bzw. Sulfonylharnstoff etabliert, die Grundlage für die TriMASTER-Studie waren (s.u.). Patienten mit hohen HbA1c-Werten vor Behandlungsbeginn sprachen in neueren Analysen etwas besser auf SGLT2-Hemmer an als auf DPP4-Inhibitoren. Eine moderate Assoziation zu einem deutlicheren glykämischen Ansprechen auf SGLT2-Inhibitoren ließ sich auch bei höherer eGFR erkennen. Gegenwärtig arbeitet Dr. Dennis an einem Modell, das kontinuierliche klinische Variablen mit Einfluss auf das Ansprechen in Algorithmen umsetzen soll.* Maturity-Onset Diabetes of the Young
1. Ahlqvist E et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2018; 6: 361-369
2. Dennis JM et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2019; 7: 442-451
Kongressbericht: EASD Annual Meeting 2021
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