Metformin: Wo bleiben die einheitlichen Vorgaben im periinterventionellen Setting?

Dr. Elke Ruchalla

Am besten sollte die Einnahme von Metformin zwei Tage vor und nach einer Intervention pausiert werden. Am besten sollte die Einnahme von Metformin zwei Tage vor und nach einer Intervention pausiert werden. © Soni's – stock.adobe.com

Metformin gilt beim Typ-2-Diabetes nach wie vor als Medikament der Wahl. Wie man allerdings in besonders nierenbelastenden Situationen am besten damit umgeht, z.B. bei anstehenden Operationen oder Kontrastmittelgabe, bleibt unklar. Aktualisierte Versionen der längst abgelaufenen deutschen Leitlinien lassen auf sich warten.

Betrachtet man die Anwendungsbeschränkungen, ist Metformin ein im Wesentlichen komplikationsarmes Medikament, schreiben Sebastian Masur, niedergelassener Pharmazeut in Düsseldorf, und seine Kollegen von der Uniklinik RWTH Aachen. Gefürchtete Nebenwirkung bleibt die Laktatazidose, die vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion auftreten kann.

Verschiedene kleinere Studien, eine randomisierte kontrollierte Studie sowie eine Beobachtungsstudie kamen zwar zu dem Ergebnis, dass dieses Risiko auch nicht höher sein dürfte als das anderer Antidiabetika. Dennoch darf man es natürlich nicht darauf ankommen lassen. Dabei stellen sich zwei Probleme.

Perioperatives Setting

So mancher Mediziner zögert bei der Kombi Operation plus Metformin. Will man allerdings nachschlagen, wie das beste Vorgehen aussieht, ist man hinterher nicht schlauer als vorher: Die einen Fachartikel raten zu einer 48-stündigen Karenz sowohl vor als auch nach dem Eingriff, die anderen sehen keinen Grund für Pausen welcher Dauer auch immer. Natürlich immer abhängig von Art und Ausmaß des Eingriffs und sonstigen Risiken, die beeinflussen, wie stark die Nieren beeinträchtigt werden.

Nicht einmal der Hersteller äußert sich in seiner Fachinformation eindeutig: Dort heißt es zwar, dass Metformin erst 48 Stunden nach einer OP in Allgemein- oder rückenmarknaher Anästhesie wieder angesetzt werden solle, vorausgesetzt, die Nierenwerte bleiben stabil und eine orale Ernährung ist möglich. Nichts aber findet man dazu, ob, und wenn ja, wann diese Pause präoperativ zu beginnen habe. Wer sich stattdessen auf die Leitlinien berufen möchte, hat ein anderes Problem. Denn in der DDG-S3-Leitlinie heißt es zwar, dass Metformin 12 Stunden prä­operativ abzusetzen und 48 Stunden nach der OP wieder anzusetzen sei – nur ist diese seit August 2018 abgelaufen. Eine Überarbeitung läuft, ist bislang aber nicht veröffentlicht.

Bleibt der letzte Versuch: Wie halten es die Fachgesellschaften anderer Länder? Man ahnt es schon: Auch die sind sich nicht einig. Die Briten neigen z.B. eher zu einem permissiven Vorgehen v.a. bei kleineren OPs (Auslassen einer Mahlzeit) und ausreichender Nierenfunktion und Fehlen weiterer Risikofaktoren. Die Franzosen raten zum Absetzen in der Nacht vor der OP, bei kleineren Eingriffen auch zum ununterbrochenen Einnehmen.

Zwar bleibt der Nierenfunktionswert (eGFR > 60 ml/min/1,73 m²) ein relativ einheitlicher Parameter, um Metformin postoperativ wieder ansetzen zu dürfen. Allerdings sind die Messmethoden nicht festgeschrieben, sodass ein und derselbe Patient zu ein und demselben Zeitpunkt zwei oder mehr, je nach Zahl der eingesetzten Formeln, unterschiedliche renale Fitness-Parameter aufweisen kann.

Im Grunde, so resümieren die Pharmazeuten, beruhen alle diese Empfehlungen nur auf Konsensusentscheidungen. Hochwertige Studien zu der Frage haben sie nach eingehender Recherche nicht gefunden.

Jodhaltige Kontrastmittel

Wie sieht es vor bzw. nach einer Untersuchung mit jodhaltigem Kontrastmittel aus? Hier ähnelt die Datenlage dem perioperativen Management von Metformin. Zwar sind sich fast alle internationalen Fachgesellschaften von Diabetologie bis Radiologie einig, dass eine ausreichende Nierenfunktion bei einer Weiterführung der Therapie vorhanden sein muss. Ausreichend wird aber unterschiedlich definiert. Bei den US-amerikanischen Radiologen bedeutet es eine eGFR ≥ 30 ml/min/1,73 m2, die Briten scheinen dagegen weniger hart im Nehmen, weswegen deren Diabetesgesellschaften zu > 60 ml/min/1,73 m2 raten. Die Schweden und Kanadier befinden sich mit einer Grenze von > 45 ml/min/1,73 m2 etwa in der Mitte. Immerhin: Die schwedischen Uroradiologen geben exakt an, wie „ihre“ eGFR zu beurteilen ist, nämlich über die Konzentration von Cystatin­ C.

Zusätzlich berücksichtigen einige Gremien wie die European Socie­ty of Urogenital Radiology, ob die Kontrastmittel intraarteriell oder intravenös gegeben werden. Die ESUR unterscheidet auch First- und Second-Pass-Effekte und modifiziert die Empfehlungen entsprechend.

Und was ist mit der deutschen Versorgungsleitlinie „Nierenerkrankungen bei Diabetes im Erwachsenenalter“? In der heißt es zwar, generell (eGFR-unabhängig) über 48 Stunden vor und nach der Maßnahme pausieren, allerdings ist die NVL seit 2017 abgelaufen und wird derzeit überarbeitet. Die Metformin-Fachinfo schließlich meint „im Vorfeld“ pausieren und Wiederaufnahme frühestens 48 Stunden nach der Untersuchung.

Welches Fazit ziehen die Pharmazeuten aus den Empfehlungen? Für sie gibt es nur eine Möglichkeit, die die Bedenken aller Gesellschaften abdeckt – konservativ vorgehen:

  • Metformin-Pause 48 Stunden vor bis 48 Stunden nach einer OP bzw. einem Jod-Kontrastmittel-Test
  • Die Nierenfunktion muss dabei regelmäßig und abhängig von den individuellen Risikofaktoren überprüft werden.

Quelle: Masur S et al. Dtsch Med Wochenschr 2021; 146: 121-127; DOI: 10.1055/a-1241-2407

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