Pro und Kontra Metformin – wie stabil ist die Evidenz?

Dr. Miriam Sonnet

Metformin hat seinen festen Platz in der Diabetestherapie, die Evidenz hat aber Lücken. Metformin hat seinen festen Platz in der Diabetestherapie, die Evidenz hat aber Lücken. © iStock/girubalani garnarajan

Gute Blutglukosesenkung, mehr als 65 Jahre klinische Erfahrung, geringe Kosten und die hohe Sicherheit sprechen für den Einsatz von Metformin bei Menschen mit Typ-2-Diabetes. Doch es gibt auch Gegenargumente: etwa die wackelige Evidenz dafür, dass die Substanz tatsächlich das Risiko für klinisch relevante Endpunkte kardiovaskulär vorerkrankter Patienten senken kann.

Metformin hat seinen festen Platz in der Diabetestherapie. Auch in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie wird für Menschen mit Typ-2-Diabetes u.a. das Biguanid empfohlen.1 Dafür gibt es hinreichende Argumente – der Einsatz der Substanz in der Erstlinientherapie kann aber auch kritisch gesehen werden, wie die folgende Pro-Kontra-Diskussion zweier Experten über den Stellenwert von Metformin zeigt.

Niedrigeres Risiko unter anderem bei COVID-19

Für das Antidiabetikum als Medikament der ersten Wahl sprach sich Professor Dr. Ulrich­ A. Müller­, niedergelassener Diabetologe aus Jena, aus. Ein Argument sei, dass der Wirkstoff die Diabetes-Mortalität von Betroffenen reduziere. Dies sei jedoch nicht der einzige Vorteil: So demonstrierten chinesische Forschende in einer Metaanalyse, dass die Substanz die kardiovaskuläre sowie die Gesamtmortalität bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit verringert.2 Weiteren Studien zufolge könne Metformin das Risiko für Lungenkrebs, Pneumonien und für schwere Verläufe bei COVID-19 reduzieren, führte der Diabetologe aus. Auch wirke es möglicherweise geroprotektiv.

Neben diesen Punkten sprächen die geringen Kosten, die hohe Sicherheit, die gute Blutglukosesenkung sowie die über 65-jährige klinische Erfahrung dafür, Metformin in der Erstlinientherapie des Typ-2-Diabetes einzusetzen. Zu guter Letzt führte Prof. Müller die Empfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinie als ein Pro-Argument ins Feld.

Diesen Punkten entgegnete Professor Dr. Joachim­ Spranger­ von der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der die Gegenposition bezog, dass Leitlinien lediglich den Stand des Wissens zu diesem Zeitpunkt widerspiegeln. Zudem handele es sich dabei oft um Kompromisse zwischen den Experten. Den US-Fachinformationen zu Metformin könne man entnehmen, dass es keine klinischen Studien gibt, die auf eine schlüssige Evidenz bezüglich einer makrovaskulären Risikoreduktion durch die Substanz hindeuten.

Die EU-Fachinformation hingegen zitiere die UKPDS-Studie und komme zu dem Schluss, dass der Wirkstoff vs. alleinige Diät nach 10,7 Jahren signifikant jegliche diabetesassoziierten Komplikationen, die diabetesbezogene und die Gesamtmortalität sowie das absolute Risiko eines Herzinfarkts reduziert.3 Die Daten der UKPDS-Studie deuteten zwar in der Tat auf einen gewissen Vorteil von Metformin gegenüber Placebo und anderen Vergleichssubstanzen hin. Allerdings habe es sich um ein spezifisches Patientenkollektiv gehandelt, das nicht notwendigerweise die Situation in der Praxis abbildet. Zudem sei die Vergleichstherapie inadäquat gewesen.

Evidenz ist auf eine spezifische Patientengruppe beschränkt

Auch in weiteren Untersuchungen, in denen man Metformin gegen Placebo verglich, wurden keine nennenswerten Unterschiede in den Ereignisraten beobachtet. „Es gibt allenfalls eine geringe Evidenz zur Frage, ob eine First-Line-Therapie das kardiovaskuläre Risiko im Vergleich zu Placebo senken kann“, resümierte Prof. Spranger. Auch fehlten überzeugende Daten, die zeigen, dass eine Erstlinienbehandlung mit der Substanz anderen verfügbaren Optionen bei dieser Indikation überlegen ist.

In jedem Fall sei die vorhandene Evidenz auf eine spezifische Patientengruppe beschränkt, etwa auf übergewichtige Personen mit neu dia­gnostiziertem Diabetes. Schaue man sich außerdem Studien zu SGLT2-Hemmern und GLP1-Rezeptor­agonisten an, so finde man hier eine bessere Evidenz für Betroffene mit hohem kardiovaskulärem Risiko bzw. solche mit vorbestehenden kardiovaskulären Erkrankungen in Bezug auf die Reduktion klinisch relevanter Endpunkte.

1. Nationale VersorgungsLeitlinie Typ-2-Diabetes, AWMF-Register-Nr. nvl-001
2. Han Y et al. Cardiovasc Diabetol. 2019 Jul 30; 18: 96; DOI: 10.1186/s12933-019-0900-7;
3. https://www.medicines.org.uk/emc/medicine/23244/SPC

Quelle: Diabetes Kongress 2021

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Metformin hat seinen festen Platz in der Diabetestherapie, die Evidenz hat aber Lücken. Metformin hat seinen festen Platz in der Diabetestherapie, die Evidenz hat aber Lücken. © iStock/girubalani garnarajan