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Die Schilddrüse sicher durch die Schwangerschaft geleiten
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Unterfunktion
Manifeste Hypothyreosen in der Schwangerschaft sind selten, häufiger handelt es sich um subklinische Unterfunktionen mit TSH-Werten oberhalb des trimenonspezifischen Referenzbereichs und normalem fT4-Spiegel. Die Referenzbereiche ändern sich während der Gravidität: Im ersten Drittel liegt die Obergrenze des TSH-Werts bei 2,5 mIU/l, im zweiten und dritten bei 3 mIU/l.
In Industrieländern geht die Unterfunktion am häufigsten auf eine Autoimmunthyreoiditis zurück, schreiben Prof. Dr. Jörg Bojunga von der Medizinischen Klinik 1 am Universitätsklinikum Frankfurt und Kollegen. Bei Schwangeren mit TSH-Werten > 2,5 mIU/l sollten daher die TPO-Antikörper bestimmt werden. Diese führen dazu, dass der β-HCG-induzierte Anstieg des fT4 schwächer ausfällt. Frühzeitig kontrolliert werden müssen Frauen mit vorbestehender Schilddrüsenerkrankung und positiven TPO-Antikörpern. Sie entwickeln besonders häufig während der Gravidität eine Hypothyreose.
Zur Substitution bekommen werdende Mütter ausschließlich L-Thyroxin. Sind sie bereits damit vorbehandelt, sollte man die Dosis in den ersten Schwangerschaftswochen um 20–50 % steigern, da sie in dieser Phase einen erhöhten Hormonbedarf haben.
Erste Kontrolle der Schilddrüse im ersten bis zweiten Monat
TSH-Werte über 10 mIU/l in der Schwangerschaft verlangen immer eine L-Thyroxin-Therapie. Auch bei Werten zwischen 4 und 10 mIU/l empfiehlt man die Substitution trotz widersprüchlicher Datenlage. Liegen die Werte zwischen 2,5 und 4 mIU/l, ist eine Substitution zunächst nicht indiziert, wenn sich keine TPO-Antikörper nachweisen lassen. Eine Kontrolle der Werte wird nach vier Wochen empfohlen, gibt es dann einen positiven Antikörperbefund, kann man eine Substitution erwägen.
Zu einer ersten Kontrolle der Schilddrüsenfunktion raten die Autoren in der sechsten bis achten Schwangerschaftswoche (SSW), danach alle 4–6 Wochen. Ab der 20. Woche kann man auf weitere Kontrollen verzichten, da der Fötus dann selbst genügend Schilddrüsenhormon produziert. Eine Übertherapie mit L-Thyroxin gilt es unbedingt zu vermeiden: Sie erhöht das Risiko für Autismus-Spektrum-Störungen und ADHS beim Kind.
Überfunktion
Ein TSH-Wert < 0,1 mIU/l markiert eine Hyperthyreose. Diese gilt als latent bei normalen peripheren Hormonspiegeln, als manifest bei erhöhten. Nur die klinisch manifeste steigert das Risiko für Herzversagen der Mutter sowie Frühgeburt, Wachstumsretardierung und Totgeburt.
Bereits physiologisch nimmt die Schilddrüsenhormonproduktion induziert durch β-HCG zu, erklären die Autoren. Diese Gestationshyperthyreose ist meist bis zur 18. SSW selbstlimitierend. Sie muss unterschieden werden von der manifesten Überfunktion mit Krankheitswert, am häufigsten bedingt durch einen Morbus Basedow mit erhöhter Produktion von TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK).
Eine subklinische Hyperthyreose in der Schwangerschaft stellt keine Therapieindikation dar, die offenkundige muss dagegen mit Thyreostatika wie Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil (PTU) behandelt werden. Letzteres erhält im ersten Trimenon den Vorzug, weil es die Organogenese weniger gefährdet. Im Voraus gilt: Wenn eine Frau bereits mit Thiamazol oder Carbimazol vorbehandelt ist, sollte sie idealerweise bereits präkonzeptionell, spätestens aber, wenn sie die Schwangerschaft feststellt, auf PTU wechseln. Da PTU vor allem nach dem ersten Drittel das Risiko für ein Leberversagen der Mutter erhöht, stellt man im zweiten auf Thiamazol um.
TSH-Rezeptor-Antikörper sind plazentagängig
Das Ziel der Therapie ist nicht, das TSH zu normalisieren, sondern die fT4-Werte im oberen Referenzbereich zu halten. Die Aktivität eines Morbus Basedow nimmt unter Umständen aufgrund der relativen Immunsuppression in der Schwangerschaft ab. Bei niedriger Dosis und Euthyreose kommt daher ein Auslassversuch infrage.
TRAK sind plazentagängig und können beim Fötus eine immunogene Hyperthyreose auslösen. TRAK-Werte über dem Dreifachen der oberen Norm bedingen ein hohes Risiko für eine neonatale Hyperthyreose. Sie erfordern ein entsprechendes Monitoring der Feten und Neugeborenen.
Wenn der Hyperthyreose eine fokale Autonomie zugrunde liegt, findet nicht wie beim Morbus Basedow eine Stimulation der fetalen Schilddrüse durch TRAK statt. Thyreostatika sollten deshalb nur niedrig dosiert und streng kontrolliert eingesetzt werden, da sie beim Fetus zu einer Hypothyreose führen können.
Eine Radiojodtherapie ist in der Schwangerschaft kontraindiziert. Eine Thyreoidektomie sollte die Ausnahme bleiben und wenn unbedingt erforderlich, möglichst erst im zweiten Trimenon erfolgen.
Schilddrüsenknoten, die in der Schwangerschaft auftreten, werden auf ihre Benignität per Sonografie und evtl. mittels Feinnadelpunktion geprüft und einer Verlaufskontrolle unterzogen. Eine OP-Indikation besteht bei malignen Knoten, die schnell wachsen, d.h., in 24 Wochen um mehr als 50 % an Volumen und 20 % im Durchmesser zulegen, oder zervikalen Lymphknotenmetastasen. Dennoch sollte dies, wenn möglich, erst ab dem zweiten Trimester geschehen. Die OP differenzierter Schilddrüsenkarzinome lässt sich in vielen Fällen auf postpartal verschieben.
In der gesamten Schwangerschaft raten Experten zu Gabe von Jodid in einer Dosis von 150 µg pro Tag. Das gilt nicht, wenn eine unbehandelte manifeste Hyperthyreose besteht.
Quelle: Bojunga J et al. Dtsch Med Wochenschr 2023; 148: 17-25; doi: 10.1055/a-1813-0892
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