Digoxin: Herzglykoside können bereits in therapeutischen Dosen zu Vergiftungen führen

Aufgrund allgemeiner Schwäche, orthostatischen Schwindels und Sehstörungen wurde eine 78-jährige Patientin notfallmäßig ins Universitätsspital Zürich eingeliefert. Bereits seit längerer Zeit nahm die ältere Dame aufgrund einer hypertensiven Herzkrankheit mit persistierendem Vorhofflimmern Digoxin (0,25 mg/d) ein. Im EKG zeigte sich ein bradykardes Vorhofflimmern mit muldenförmiger ST-Streckensenkung.
Antikörperfragmente als Gegenmittel
Außerdem bestand ein akutes Nierenversagen (Kreatinin 283 mmol/l) bei chronisch eingeschränkter renaler Funktion. Labordiagnostisch fanden die Kollegen zudem eine Hyperkaliämie (7,1 mmol/l) sowie einen deutlich erhöhten Digitalisspiegel (6,0 nmol/l).
Aufgrund des Verdachts auf eine chronische Digoxinüberdosierung wurde die bisherige Medikation mit Digoxin, Diuretika und Betablocker gestoppt. Unter einer intensiven Hydrierung und der Gabe von Glukose/Insulin normalisierte sich der Kaliumwert. Als Antidot wurden 80 mg digitalisspezifischer Antikörperfragmente verabreicht, worunter sich sowohl die Herzfrequenz als auch die übrige Symptomatik deutlich besserten.
Digoxin wird aus den Blättern des Digitalis lanata (Wolliger Fingerhut) gewonnen. Es kann die Kontraktilität des Herzmuskels steigern, indem es intrazellulär die Kalziumkonzentration erhöht. Außerdem senkt es durch seine Wirkung am sinuatrialen Knoten die Herzfrequenz. Eine Digitalisüberdosierung führt typischerweise zu den im Fallbeispiel genannten Herzrhythmusstörungen mit ST-Senkungen und allgemeiner Schwäche.
Frauen häufiger betroffen als Männer
Weitere Anzeichen für eine Intoxikation können gastrointestinale oder zentralnervöse Symptome sein, seltener auch Sehstörungen. Schlimmstenfalls kommt es infolge von Kammerflimmern oder Asystolie zu einem Herzstillstand.
Frauen sind aufgrund der geringeren Muskelmasse bzw. des niedrigeren Körpergewichts häufiger von einer Überdosierung betroffen als Männer. Zudem zählen Alter, Adipositas, Proteinbindungsminderung und renale Insuffizienz zu den Risikofaktoren, schreiben Asmita Apte und ihre Kollegen von der Klinik für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich. Aber auch bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Medikamente ist Vorsicht geboten, da diese die Digoxinkonzentration beeinflussen können (s. Kasten).
Von Medikamenten gestört?
- Diuretika
- Laxanzien (Abusus)
- Kortikosteroide
- Salicylate
- Lithiumsalze
- Antibiotika
- Betablocker
- Kalziumantagonisten
- trizyklische Antidepressiva
- Sympathomimetika
- Phosphodiesterasehemmer
Innerhalb der ersten Stunde 1 mg/kgKG Aktivkohle geben
Die Therapie einer Digoxinüberdosierung richtet sich nach dem Schweregrad der Intoxikation. Bei leichten Anzeichen einer Vergiftung genügt es in der Regel, das Herzglykosid abzusetzen und den Patienten sorgfältig zu überwachen. Im Fall einer akuten Vergiftung kann bei wachen und kooperativen Patienten auf eine Magenspülung verzichtet werden. Innerhalb einer Stunde erfolgt die Therapie mit 1 mg/kgKG Aktivkohle oral. Vorsicht ist bei einer Überdosis Digitoxin geboten, hier muss die Applikation von 0,25 mg/kgKG alle zwei Stunden wiederholt werden. Patienten, die infolge einer Digitalisüberdosierung an bedrohlichen Herzrhythmusstörungen und/oder Hyperkaliämie leiden, gehören auf die Intensivstation. Phenytoin, Lidocain oder Betablocker sind therapeutisch bei komplexen ventrikulären Arrhythmien indiziert. Eine Infusion mit hochprozentiger Glukose und Insulin normalisiert die Kaliumwerte. Zudem ist bei einer schweren Digoxinintoxikation mit Hyperkaliämie wie im genannten Fallbeispiel die Gabe des Antidots erforderlich. Die Wirkung tritt nach etwa 30 Minuten ein und erreicht ihr Maximum nach drei bis vier Stunden.Quelle: Apte A et al. Schweiz Med Forum 2018; 18: 460-462
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