Dravet-Syndrom: Alter Appetitzügler in neuer Mission reduziert epileptische Anfälle

Maria Weiß

Das Dravet-Syndrom löst bereits im ersten Lebensjahr Krampfanfälle aus. (Agenturfoto) Das Dravet-Syndrom löst bereits im ersten Lebensjahr Krampfanfälle aus. (Agenturfoto) © Tobilander – stock.adobe.com

Hinter der Behandlung des genetisch bedingten Dravet-Syndroms stehen nach wie vor viele Fragezeichen. Bis heute fehlt eine sicher wirksame Therapie, um die häufigen Krampfanfälle zu vermeiden. Einen kleinen Hoffnungsschimmer liefert offenbar Fenfluramin.

Das Dravet-Syndrom ist eine therapierefraktäre epileptische Enzephalopathie, bei der bereits im ers­ten Lebensjahr generalisierte oder einseitige Krampfanfälle auftreten. Etwa 45 % der Betroffenen erleiden mehr als drei tonisch-klonische Anfälle pro Monat trotz antiepileptischer Kombinationstherapie. Dabei kommt es gehäuft zu Status epilepticus und plötzlichen Todesfällen (SUDEP).

Schon seit den 1980er-Jahren ist bekannt, dass das Amphetaminderivat Fenfluramin antiepileptische Eigenschaften hat. Damals sprachen kleine Fallserien und Beobachtungsstudien für einen Nutzen bei Kindern mit photosensitiver Epilepsie. Zugelassen wurde es jedoch in den 1990ern als Appetitzügler für übergewichtige Erwachsene. Aufgrund von schweren Nebenwirkungen (Herzklappenerkrankungen, pulmonale arterielle Hypertonie) bei hoher Dosierung (bis 220 mg/d) verschwand es dann aber wieder vom Markt.

Statt 21 nur noch fünf Anfälle pro Monat

In Belgien darf Fenfluramin seit 2002 im Rahmen eines Arzneimitttel-Härtefallprogramms Kindern mit Dravet-Syndrom verordnet werden. Manche Patienten erhalten die Substanz aber schon bis zu 30 Jahre lang und erfahren darunter eine signifikante Reduktion ihrer Anfallsfrequenz, ohne kardiopulmonale Komplikationen zu entwickeln, berichten Professor Dr. Lieven Lagae von der Abteilung für Pädiatrische Neurologie an der Universität Leuven, Belgien, und seine Kollegen.

Wie wirksam und sicher Fenfluramin tatsächlich ist, haben sie in einer Doppelblindstudie bei 119 Kindern und jungen Erwachsenen mit Dravet-Syndrom (mittleres Alter 9 Jahre) untersucht. Randomisiert erhielten die Patienten zusätzlich zu ihrer bereits vorhandenen antiepileptischen Behandlung 14 Wochen lang täglich entweder 0,2 mg/kgKG bzw. 0,7 mg/kgKG Fenfluramin oder Placebo.

Unter der höheren Verum-Dosierung wurde die Zahl der Krampfanfälle innerhalb von 28 Tagen im Durchschnitt um 74,9 % reduziert. Statt 20,7 Krämpfen erlitten die Patienten nur noch 4,7. Unter der niedrigeren Fenfluramin-Dosis betrug die Reduktion der Krampfhäufigkeit 42,3 %, in der Placebogruppe 19,9 %.

Als häufigste Nebenwirkungen der Verumtherapie wurden verminderter Appetit, Diarrhö, Fatigue, Lethargie, Somnolenz und Gewichtsverlust beobachtet. Klappenveränderungen und Anzeichen einer pulmonalen Hypertonie ließen sich echokardiographisch nicht nachweisen.

Fenfluramin könnte somit eine wichtige Therapieoption bei Patienten mit Dravet-Syndrom sein, lautet daher das Fazit der Studienautoren.

Quelle: Lagae L et al. Lancet 2019; 394: 2243-2254; DOI: 10.1016/S0140-6736(19)32500-0

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Das Dravet-Syndrom löst bereits im ersten Lebensjahr Krampfanfälle aus. (Agenturfoto) Das Dravet-Syndrom löst bereits im ersten Lebensjahr Krampfanfälle aus. (Agenturfoto) © Tobilander – stock.adobe.com