Krampfendes Kind: Was sollten Sie beim epileptischen Anfall tun oder lassen?

Dr. Elke Ruchalla

Ruhe bewahren und systematisch vorgehen ist das Wichtigste. Ruhe bewahren und systematisch vorgehen ist das Wichtigste. © iStock/ThitareeSarmkasat

Wenn ein Kind krampft, können auch gestandene Praktiker leicht tachykard werden. Akute konvulsive Anfälle verlaufen aber meist weniger dramatisch, als es zunächst aussieht. Verschaffen Sie sich einen Überblick und machen Sie sich dann an die Arbeit.

„Wir brauchen hier einen Arzt!“ Und plötzlich stehen Sie vor einem krampfenden Kind. Die allermeisten konvulsiven Anfälle sistieren von selbst, beruhigen Dr. Moritz Tacke von der Abteilung für Pädiatrische Neurologie, Entwicklungsneurologie und Sozialpädiatrie vom Epilepsiezentrum am Dr. von Haunerschen Kinderspital der Uniklinik München und seine Kollegen. Daneben stehen bleiben und warten, dass sich die Situation­ beruhigt, sollte dennoch niemand.

Zuerst potenziell gefährliche Gegenstände wegräumen

Als wichtigste Erstmaßnahme, so die bayerischen Kollegen, müssen Sie eine sichere Umgebung schaffen. Gefährlich sind nicht nur Straßen oder Gleise, auch gefährliche Alltagsgegenstände – ob zerbrechlich, schwer oder elektrisch – sollten aus dem direkten Umfeld entfernt werden. Was auf keinen Fall indiziert ist: Beißkeile oder ähnliche Gerätschaften mit Gewalt in den Mund schieben, um Zungenbisse zu vermeiden. Das Risiko, das Kind dabei zu verletzen ist, wesentlich größer als der mögliche Nutzen.

Wenn Sie das Kind nicht kennen bzw. nicht wissen, dass ein Anfallsleiden bereits gesichert ist, alarmieren Sie außerdem den Rettungsdienst mit notärztlichem Kollegen. Danach folgt das bekannte ABCD-(Notfall-)Schema: Bringen Sie das Kind in die stabile Seitenlage, entfernen Sie ggf. erbrochenen Mageninhalt aus dem Mund-Rachen-Raum, um die Atemwege freizuhalten und Aspirationen zu verhindern etc. Bei (myo-)klonischen Anfällen sollten Sie zusätzlich Kopf, Arme und Beine so gut wie möglich abpolstern, um Begleittraumata zu verhindern.

Weitere Basismaßnahmen wie Beatmung und Herzdruckmassage sind nur in seltenen Ausnahmefällen nötig. Ebenfalls selten müssen Sie in die Medikamentenkiste greifen (siehe Tabelle). Nur dann, wenn der Anfall gar nicht aufhören will. Die Pharmakotherapie ist eigentlich nach etwa drei Minuten erforderlich, schreiben die Münchner Kinderärzte, obwohl das bei Kindern mit erstmaligem Anfall oft kaum realisierbar ist. Mittel der ersten Wahl sind immer noch über die Schleimhaut resorbierbare Benzodiazepine, vor allem bukkales Midazolam­.

Medikamente bei epileptischem Anfall im Kindesalter
Arzneimittel
Applikation, Dosis
Nebenwirkungen und Warnhinweise
Midazolam(am besten) bukkal je nach Lebensalter 2,5 mg (Säuglinge) bis 10 mg (ab dem 10. Lebensjahr bei Wiederholung 0,2 mg/kg i.v.
Diazepamrektal, möglichst nicht in der Öffentlichkeit 5 bzw. 10 mg (bei Körpergewicht unter bzw. ab 15 kg)
Levetiracetam40 mg/kgKG i.v.
Phenobarbital15 mg/kgKG i.v.stark sedierend, lange Halbwertszeit
Phenytoin 20 mg/kgKG i.v.bei Paravasaten lokal toxisch, Gefahr von Herzrhythmusstörungen
Valproat20 mg/kgKG i.v. kontraindiziert bei Mädchen im gebärfähigen Alter, Lebererkrankungen, Störungen des Harnstoffzyklus und Mitochondriopathien

 

Nach wiederholter Benzogabe droht eine Atemdepression

Dauert der Anfall länger als 3 Minuten, legen Sie einen intravenösen Zugang – möglicherweise brauchen Sie ihn noch für weitere Medikamente – und wiederholen die Benzo-Gabe (i.v.). Im Falle eines Status epilepticus (ab 5 Min. bei tonisch-klonischen Anfällen, ab 10 Min. bei fokalen), müssen Sie schwerere Geschütze mit einem anderen Wirkmechanismus auffahren, denn die Effektivität der Benzos nimmt ab und zusätzlich besteht bei mehr als einer Wiederholung die Gefahr einer Atemdepression. Die Kollegen empfehlen vor allem Levetiracetam i.v., Alternativen sind etwa Valproat, Phenobarbital und Phenytoin – aber cave Kontraindikationen und Nebenwirkungen.

Ein erstmaliger Anfall muss immer auf eventuelle kausale, behandelbare Ursachen hin abgeklärt werden. Eine Grunderkrankung besteht bei etwa jedem dritten Kind mit erstem epileptischem Status.

Wenn möglich, den Blutzucker messen

Dazu gehören zum Beispiel ZNS-Infektionen, ein vorangegangenes Schädel-Hirn-Trauma, Medikamentennebenwirkungen oder Stoffwechselentgleisungen. Wenn machbar, sollten Sie den Blutzucker messen, Hypoglykämien sind in diesen Fällen nicht selten. Bleibt die Ursache unklar, braucht der junge Patient eine bildgebende Diagnostik. Und auch wenn die Diagnose Epilepsie bereits bestand: Ein Anfall ist ein Zeichen dafür, dass sich die Therapie noch optimieren lässt. Informieren Sie also den behandelnden Pädiater oder Kinderneurologen über den Vorfall.

Quelle: Tacke M et al. Monatsschr Kinderheilkd 2020; 168: 113-117; DOI: 10.1007/s00112-019-00830-w

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