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Status epilepticus: Zwischen Empfehlungen der Leitlinie und praktischem Vorgehen liegen Welten

Kommt es zum Status klonisch-tonischer Anfälle, droht dem Patienten Lebensgefahr. Es ist daher zwingend notwendig, das Geschehen früh zu unterbrechen. Damit jeder weiß, was zu tun ist, wurde schon vor Jahren ein therapeutisches Stufenschema mit Zeitvorgaben entwickelt. Es gilt national wie international, wird in der Praxis aber nur unzureichend umgesetzt.
Dies zeigte u. a. ein im letzten Jahr publiziertes Review von 15 Studien, in das die Daten von 2212 Statuspatienten eingingen. Im Durchschnitt dauerte es 42 Minuten, bis überhaupt mit der Therapie begonnen wurde, und fast eine Stunde, bis die Patienten im Krankenhaus waren, berichtete Professor Dr. Frank Erbguth, Klinik für Neurologie am Klinikum Nürnberg – Paracelsus Medizinische Privatuniversität. Nur in 52 % der Fälle wurden bereits präklinisch von Rettungsdienst bzw. Ärzten Medikamente verabreicht.
Auf Stufe 2 verabschieden sich viele Kollegen
Für ein unzureichendes Management sprechen auch die Ergebnisse eines Status-Simulationstrainings in der Schweiz mit 58 Ärzten. Zwar erkannten alle Teilnehmer den Status, kümmerten sich aber nicht ausreichend um die Vitalparameter. Einen Check der Atemwege führten gerade mal 54 % durch, für gesicherte Atemwege sorgten lediglich 16 % innerhalb der ersten vier Minuten. Sauerstoff applizierten rund drei Viertel.
Die Therapie auf Stufe 1 mit einem Benzodiazepin hat noch geklappt. Sie wurde von 98 % der Ärzte innerhalb von knapp drei Minuten appliziert. Auf Stufe 2 „verabschiedeten“ sich dann aber 41 % der Kollegen, kommentierte Prof. Erbguth. „Die Neurologen waren ganz gut bei den Antiepileptika, haben aber die Vitalparameter verpennt, die anderen haben besser auf die Vitalparameter geguckt, waren aber mit den Medikamenten sehr chaotisch.“
Die Defizite in der Versorgung von Status-Patienten spiegelt auch das SENSE-Register wider, das von Epilepsiezentren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gespeist wird. Von 457 Patienten mit konvulsivem und 592 mit nicht-konvulsivem Status analysierte man die über viereinhalb Jahre gesammelten Daten. Dabei zeigte sich für diejenigen mit konvulsivem Status Folgendes:
- Zwischen Beginn der Symptomatik und Therapiestart lagen 25–240 Minuten.
- Nur 48 % der Patienten erhielten innerhalb von 30 Minuten eine erste Therapie
- 86 % bekamen intravenös primär ein Benzodiazepin, das bei etwa jedem Fünften den Status beendete. In rund drei Viertel der Fälle lag die Dosis niedriger als in den Leitlinien empfohlen.
- Den Anfall innerhalb einer Stunde zu beenden (primärer Studienendpunkt), gelang nur bei 30 % der Patienten mit konvulsivem Status.
Indikatoren für eine erfolgreiche Behandlung innerhalb der ersten Stunde waren u.a. die i.v. Benzodiazepingabe als primäre Maßnahme, eine höhere kumulative Dosis innerhalb der ersten halben Stunde der Behandlung und eine kürzere Latenz zwischen Symptom- und Therapiebeginn.
Die Mortalität lag beim konvulsiven Status, der nicht innerhalb einer Stunde durchbrochen werden konnte, bei 93 %, berichtete Professor Dr. Hajo Hamer vom Epilepsiezentrum der Universität Erlangen. Gelang es dagegen, rasch und erfolgreich zu behandeln, betrug die Sterblichkeit nur 7 %.
Die deutsche Statusleitlinie wird derzeit überarbeitet. Darin ist vorgesehen, beim konvulsiven Status als Mittel der Wahl Lorazepam (0,05 mg/kgKG) zu verabreichen, sofern ein i.v. Zugang vorhanden ist. Dies bedeutet:
- 50 kgKG: 2,5 mg Lorazepam
- 70 kgKG: 3,5 mg Lorazepam
- 100 kgKG: 5,0 mg Lorazepam
Ggf. wird die Injektion nach fünf Minuten wiederholt. Maximal erhält ein Patient 0,1 mg/kgKG Lorazepam. Fehlt ein i.v. Zugang, kann man in der Ersttherapie 10 mg Midazolam intranasal oder bucccal applizieren.
Kongressbericht: 12. Neurologie-Update-Seminar (Online-Veranstaltung)
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