Drei simple Parameter für die Prognose bei pulmonaler Hypertonie

Manuela Arand

Der 6-Minuten-Gehtest trägt dazu bei, die Prognose bei pulmonaler Hypertonie abzuschätzen. Der 6-Minuten-Gehtest trägt dazu bei, die Prognose bei pulmonaler Hypertonie abzuschätzen. © iStock/curtoicuto und iStock/acilo; MT

Bei der pulmonalen Hypertonie tut sich viel. Neue Therapieoptionen steigern die Erfolgschancen der Therapie, machen sie aber auch anspruchsvoller. Die Prognoseabschätzung wird dagegen einfacher.

Im diagnostischen Algorithmus der europäischen Leitlinie nimmt die Echokardiographie eine zentrale Position ein: Sie fungiert quasi als Gatekeeper für die weitere Dia­gnostik, reicht aber allein nicht aus, um therapeutische Entscheidungen abzuleiten. Dazu ist eine Katheteruntersuchung unabdingbar, da in der Definition der pulmonalen Hypertonie (PH) neben dem erhöhten Druck im kleinen Kreislauf auch die Widerstandserhöhung in der pulmonalen Zirkulation auf über drei Wood-Einheiten gefordert wird.

Erst das Echo, dann die Spiroergometrie

Die Echodiagnostik selbst ist anspruchsvoller geworden, zu bewerten sind heute nicht mehr nur die Trikuspidalklappeninsuffizienz und die Regurgitationsgeschwindigkeit. Es gibt eine ganze Reihe weiterer Parameter, wie das Größenverhältnis von rechtem und linkem Ventrikel oder den inferioren Cava-Durchmesser, um die Wahrscheinlichkeit einer PH abzuschätzen, erklärte Dr. Daniel Dumitrescu vom Herzzentrum der Universität Köln.

Ein Problem sieht der Kollege darin, dass eine weitergehende Diagnostik streng genommen erst dann erfolgen darf, wenn das Echo positiv ausfällt. „Ist das Echo negativ, verliert man den PAH*-Patienten womöglich. Dann sollen nämlich andere Ursachen abgeklärt oder weiter beobachtet werden.“

Die Spiroergometrie könnte einen Weg aus dem Dilemma bieten: Aktuelle Studien zeigen, dass sie in der Lage ist, bei symptomatischen Patienten mit normalem Echobefund eine chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) oder eine PAH zu diagnostizieren. Die Kölner Konsensus-Konferenz empfiehlt deshalb, die Spiroergometrie als optionales Tool auf der zweiten diagnostischen Ebene nach dem Echo zu etablieren.

Kritisch sieht Dr. Dumitrescu die Prognose-Determinanten, die in der Leitlinie aufgeführt sind und die Therapieplanung unterstützen sollen. Sie reichen von Symptomatik und körperlicher Leistungsfähigkeit bis hin zu Labor, Bildgebung und Hämodynamik und erzeugen den Eindruck, damit ließe sich das individuelle Einjahres-Sterberisiko zuverlässig als niedrig (< 5 %), intermediär und hoch (> 10 %) einschätzen. Schaut man jedoch genau hin, steht da: „Die meisten Variablen und Cut-off-Werte basieren auf Expertenmeinung“ und „Eine Anwendung am individuellen Patienten muss sehr vorsichtig erfolgen“.

Präkapillär, postkapillär und irgendwas dazwischen

Lange war das pneumologische Weltbild einfach: Patienten hatten eine präkapilläre pulmonale Hypertonie, gleich PAH, wenig Komorbiditäten und sprachen gut auf die gezielte medikamentöse Therapie an. Oder sie hatten eine postkapilläre pulmonale Hypertonie, mehr Begleiterkrankungen und ein schlechtes Therapieansprechen mit erhöhter Nebenwirkungsrate. Inzwischen hat sich aber gezeigt, dass keine zwei separate Entitäten vorliegen, sondern dass es ein pathophysiologisches Kontinuum gibt. Zwischen prä- und postkapillär steht die „atypische pulmonale Hypertonie“ – die betroffenen Patienten zeigen das hämodynamische Profil einer PAH, haben aber gehäuft Komorbiditäten und sind meist älter. Therapeutisch wird empfohlen, dass typische PAH-Patienten mit niedrigem oder intermediärem Risiko initial eine orale Zweifachkombination erhalten, Patienten mit hohem Risiko eine frühe Tripletherapie (inklusive Prostazyklin-Analogon i. v.) und Patienten mit atypischer PAH eine orale Monotherapie.

Hämodynamik bringt kaum Erkenntnisgewinn

Die Konsensus-Konferenz hatte die Hämodynamik an die erste Stelle bei der Risikostratifizierung gesetzt. Seither kamen aber Resultate von Validierungsstudien, darunter auch des deutschen COMPERA-Registers. Die zeigen konsistente Ergebnisse: Die Einteilung der Patienten in Niedrig-, Mittel- und Hochrisiko stimmt zwar in etwa. Die Hämodynamik trägt aber kaum zum Erkenntnisgewinn bei. Um die Prognose zu stellen, reichen drei sehr einfache Parameter:
  1. 6-Minuten-Gehstrecke
  2. funktionelle WHO-Klasse und
  3. NT-pro-BNP
Nach vielen Jahren frustraner Bemühungen stehen heute gleich mehrere Klassen von Pharmaka für die PAH zur Verfügung, spezifische Therapien für die anderen Formen lassen noch auf sich warten. Eine Ausnahme bildet die CTEPH, bei der durch pulmonale Endarteriektomie ja sogar Heilung möglich ist. Patienten mit PAH werden – Vaso­reaktivität vorausgesetzt – in der Firstline mit einem Kalziumantagonisten behandelt. Bei den übrigen sollte gemäß Leitlinie anhand des individuellen Risikos entschieden werden, ob sie initial eine Mono- oder Kombinationstherapie angeboten bekommen. Da mittlerweile ein halbes Dutzend Arzneimittelklassen zur Wahl stehen und die Patienten im klinischen Alltag meist viel komplexere Krankheitsbilder und Begleit­erkrankungen aufweisen als in klinischen Studien, empfiehlt es sich, die Therapieplanung gemeinsam mit einem erfahrenen Zentrum zu gestalten.

Schwangerschaftsverbot neu überdenken?

Patientinnen mit PAH wird geraten, auf eine wirksame Kontrazeption zu achten und, falls das schiefgeht, die Schwangerschaft abzubrechen. Aber diese strikte Empfehlung gerät gerade ins Wanken. „Man ist davon ausgegangen, dass die Letalität für Mutter und Kind bei über 50 % liegt“, erklärte Dr. Dumitrescu.
Aktuell liegen Registerdaten von 26 Frauen aus ganz Europa vor, die unter den neuen Therapiemöglichkeiten ihre Schwangerschaft nicht abgebrochen haben.
Die Ergebnisse sind beeindruckend: 62 % der Frauen und ihrer Kinder haben komplikationslos überlebt, 15 % der Patientinnen sind mit ihrem Kind gestorben, in 23 % der Fälle war ein Schwangerschaftsabbruch dann doch unumgänglich geworden.
Als prognostisch günstig erwiesen sich ein niedriger pulmonalvaskulärer Widerstand und die Behandlung mit Kalziumkanalblockern. „Das soll natürlich nicht dazu verleiten, unkritisch zu sagen, das kriegen wir schon hin“, betonte der Referent.
„Aber es sollte uns dazu bringen, die Empfehlungen neu zu bewerten und Schwangerschaften im Einzelfall zu evaluieren.“

Impfen, Sauerstoff, Training und psychologische Betreuung

Schließlich brach Dr. Dumitrescu noch eine Lanze für allgemeine und supportive Therapiemaßnahmen, von denen Patienten mit pulmonaler Hypertonie enorm profitieren können. Dazu zählen Impfungen, Sauerstoffgabe bei Flügen und Höhenaufenthalten, psychologische Betreuung und körperliches Training unter Überwachung. Supportiv kommen Diuretika und Antikoagulanzien zum Einsatz (bei CTEPH zum Schutz vor erneuten Lungenembolien, bei anderen Formen eher nicht), Eisensubstitution bei nachgewiesenem Mangel und die Behandlung von Arrhythmien. „Der Sinusrhythmus ist für diese Patienten prognostisch von entscheidender Bedeutung“, betonte Dr. Dumitrescu­.

* pulmonalarterielle Hypertonie

Quelle: Kongress der Westdeutschen Gesellschaft für Pneumologie und der Nordrhein-Westfälischen Gesellschaft für Schlafmedizin

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Der 6-Minuten-Gehtest trägt dazu bei, die Prognose bei pulmonaler Hypertonie abzuschätzen. Der 6-Minuten-Gehtest trägt dazu bei, die Prognose bei pulmonaler Hypertonie abzuschätzen. © iStock/curtoicuto und iStock/acilo; MT