Durch gute Schulung auf der sicheren Seite

Maria Weiß

Patienten mit NNRI müssen gut darin geschult sein, die Dosis ihrer Glukokortikoidsubstitution unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen Patienten mit NNRI müssen gut darin geschult sein, die Dosis ihrer Glukokortikoidsubstitution unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen © iStock/Tharakorn

Liefert die Nebennierenrinde nicht ausreichend Glukokortikoide, müssen Patienten die Hormone lebenslang substituieren. Problematisch dabei ist die akute Dosisanpassung bei Belastungen und – damit verbunden – die Gefahr einer lebensbedrohlichen adrenalen Krise.

Die häufigste Ursache der Nebenniereninsuffizienz (NNRI) ist iatrogen: Schon die kurzfristige (wenige Tage) Behandlung mit 20–30 mg Prednisolonäquivalent kann die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse nach- haltig supprimieren. Seltenere Formen sind die primäre NNRI mit einer irreversiblen Schädigung der Nebennierenrinde oder sekundäre Formen, bei denen die Hypophyse zu wenig ACTH liefert und der Cortex glandulae suprarenalis dadurch verkümmert.

Grundlage der Therapie einer NNRI ist die Substitution von Glukokortikoiden, schreiben Dr. Tina Kienitz, niedergelassene Endokrinologin aus Berlin und PD Dr. Gesine Meyer, Fachärztin für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Universitätsklinikum Frankfurt. Die Herausforderung besteht darin, die physiologischen Tagesschwankungen der Kortisolausschüttung so gut wie möglich nachzuahmen. Das bedeutet: ein Rückgang in der Nacht, den höchsten Spiegel in den frühen Morgenstunden und ein kleiner Nachmittags-Peak gegen 14:00 Uhr.

In Deutschland wird meist Hydrokortison (HC) in Tagesdosierungen von 10–30 mg eingesetzt. Um möglichst physiologische Verhältnisse zu schaffen, sollte die Einnahme in 2–3 Einzeldosen erfolgen, z.B. mit Gabe von zwei Dritteln der Tagesdosis am frühen Morgen nach dem Aufwachen und einer zweiten Einnahme 6-8 h später mittags. Patienten mit einer sekundären NNRI reicht in der Regel eine geringere Dosis. Grundsätzlich ist die Substitution auch mit Prednisolon (3–5 mg am Morgen) möglich. Nachteile sind negative Auswirkungen auf LDL und Knochendichte. Als weitere (teurere) Alternative steht für Erwachsene das HC-Präparat eines japanischen Herstellers mit zweistufiger Wirkstofffreisetzung zur Verfügung. Für dieses wurde in Studien eine Verbesserung von Lebensqualität, Blutdruck und Glukosetoleranz gezeigt. Das HC-Präparat mit verzögerter Wirkstofffreisetzung eines englischen Unternehmens ist seit Sommer 2021 für Patienten ab zwölf Jahren mit adrenogenitalem Syndrom zugelassen. Die Einnahme erfolgt abends mit der Hauptwirkung in den frühen Morgenstunden, wodurch die Androgenbildung besser gestoppt wird.

Unter- und Überdosierung unbedingt vermeiden

Die individuell richtige Dosis kann nur anhand der klinischen Einschätzung gefunden werden. Dabei muss sowohl auf Symptome einer Übersubstitution (Gewichtszunahme, Cushing-Zeichen, Glukoseintoleranz/Diabetes, Osteopenie/Osteoporose, Hypertonie) als auch Untersubstitution (Gewichtsabnahme, Hypotonie/Schwindel, Müdigkeit/Erschöpfung, Übelkeit/Erbrechen, Hyponatriämie, Hypoglykämie, Hyperpigmentierung) geachtet werden.

Leiden Patienten an einer primären NNRI, brauchen sie zusätzlich eine Mineralokortikoid-Substitution (0,05–0,15 Fludrokortison 1x/d). Hier kann man die Dosierung nach klinischen und Laborparametern (Blutdruck, Serumnatrium bzw. -kalium und Renin) ausrichten.

So kann sich der Patient in besonderen Situationen helfen
SituationEmpfehlung
leichte Verletzungen oder anstrengende Aktivitäten (mehr als gewohnt)ggf. zusätzliche Einnahme von 5–10 mg Hydrokortison (HC)
fieberloser Infekt (leichtes bis mittleres Krankheitsgefühl) oder deutliche Belastungssituationen (z.B. starke körperliche Anstrengung, starke Schmerzen, dentale oder kleinere ambulante Eingriffe, erhebliche psychische Belastungen)Tagesdosis verdoppeln, ggf. zusätzlich 5–10 mg HC abends
akute Erkrankungen und/oder Fieber (deutliches Krankheitsgefühl)Tagesdosis verdreifachen oder 30–20–10 mg HC (bei Tagesdosen ≤ 20 mg), dringend ärztliche Hilfe holen!
anhaltendes Erbrechen und/oder Diarrhö oder Fieber (> 39 °C) mit schwerem Krankheitsgefühl100 mg HC (oder alternatives Glukokortikoid) parenteral, sofort ärztliche Hilfe holen!
Operationen (stationär, Vollnarkose)am OP-Tag 100 mg HC i.v. als Bolus vor der Narkoseeinleitung, gefolgt von 100–200 mg/24 h i.v.; postoperativ (bis der Patient essen und trinken darf) 100 mg/24 h i.v., dann Umstellung auf zwei- bis dreifache Tagesdosis für 24–48 h; anschließend Reduktion nach individuellem Verlauf
nach Kienitz T, Meyer G

Eine akute Unterversorgung mit Kortisol (Nebennierenkrise) muss aufgrund der potenziellen Lebensgefahr unbedingt vermieden werden, erinnern die beiden Expertinnen. Es drohen Hypotonie (bis hin zum Schock), Elektrolytentgleisungen (Hyponatriämie und -kaliämie), Hypo­glykämien, Nierenfunktionseinschränkungen (Nierenversagen) und Bewusstseinsstörungen. Häufige Auslöser sind gastrointes­tinale Infekte, fieberhafte Erkrankungen, unzureichende Dosisanpassung bei operativen Eingriffen, intensive körperliche oder schwere psychische Belastungen. Patienten mit NNRI müssen daher gut darin geschult sein, die Dosis ihrer Glukokortikoidsubstitution unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen (siehe Kasten). Hierfür steht seit 2014 ein einheitliches und strukturiertes Schulungskolloquium für Patienten und Angehörige zur Verfügung. Außerdem sollten alle Patienten mit einem Notfallpass ausgestattet sein und alle empfohlenen Impfungen einschließlich der gegen COVID-19 erhalten. Eine drohende oder manifeste Krise ist immer ein Notfall, der schnelles Handeln und eine sofortige Klinikeinweisung erfordert. Dort kann den Patienten über eine intravenöse Glukokortikoid- und Flüssigkeitszufuhr unter engmaschigem Monitoring geholfen werden.

Quelle: Kienitz T, Meyer G. Internist 2022; 63: 12-17; DOI: 10.1007/s00108-021-01209-4

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Patienten mit NNRI müssen gut darin geschult sein, die Dosis ihrer Glukokortikoidsubstitution unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen Patienten mit NNRI müssen gut darin geschult sein, die Dosis ihrer Glukokortikoidsubstitution unterschiedlichen Gegebenheiten anzupassen © iStock/Tharakorn