Gutartig oder nicht? Nebennierentumoren richtig einordnen

Dr. Andrea Wülker

Benigne, aber problematisch: Diese Adenome bildeten Kortisol im Übermaß. Der Patient litt unter einem Cushing-Syndrom. Benigne, aber problematisch: Diese Adenome bildeten Kortisol im Übermaß. Der Patient litt unter einem Cushing-Syndrom. © Science Photo Library/CNRI

Raumforderungen in den Nebennieren entdeckt man meist als Zufallsbefund. Ob der Tumor heraus operiert werden muss, sollte interdisziplinär diskutiert und entschieden werden.

Nebennierentumoren können entweder direkt von der Nebenniere ausgehen oder Metastasen eines anderen Primärtumors sein. Haben sie eine gewisse Größe erreicht, machen sie sich mitunter durch Flankenschmerzen oder abdominelle Symptome bemerkbar. Manche Nebennierentumoren fallen auf, weil sie übermäßig Hormone produzieren und Bluthochdruck oder andere Folgen nach sich ziehen. Doch die allermeisten werden zufällig bei einer aus anderem Grund veranlassten abdominellen Bildgebung gefunden („Inzidentalome“), schreiben Professor Dr. Robert­ Rosenberg­ vom Kantonsspital Baselland, Liestal, und Kollegen.

Die meisten adrenalen Inzidentalome sind benigne und nicht hormonaktiv. Sie beeinträchtigen die Gesundheit nicht und erfordern keine chirurgische Therapie. In 2–5 % der Fälle liegen jedoch Karzinome vor, in etwa 0,7–2,5 % adrenale Metastasen anderer Primärtumoren (z.B. Bronchial-, Mamma- oder Nierenzellkarzinom). Etwa 10–15 % der adrenalen Inzidentalome sind hormonaktiv. Es handelt sich um Phäochromozytome, cortisol- oder aldosteronausschüttende Adenome, ausgesprochen selten produzieren Adenome auch Androgene oder Östrogene. Etwa die Hälfte der Nebennierenkarzinome verursachen einen Hormonexzess.

Als Erstes gilt es, die Dignität des Tumors zu bestimmen

Wird ein Nebennierentumor entdeckt, gilt es, zwei Fragen zu klären, um das weitere Vorgehen planen zu können:

  • Ist der Tumor bösartig?
  • Handelt es sich um eine hormonaktive Raumforderung?

Als bildgebendes Verfahren erster Wahl gilt die Computertomographie. Um jüngeren Patienten eine Strahlenbelastung zu ersparen, kann man auch eine MRT veranlassen. Einen ersten Hinweis auf die Dignität gibt die Tumorgröße: In Fallserien von Patienten mit Nebennieren-Inzidentalomen zeigten 93 % bzw. 100 % der diagnostizierten Nebennierenkarzinome einen Durchmesser > 4 cm. Jedoch sind auch viele Inzidentalome mit einem Durchmesser > 4 cm gutartig, sodass bestimmte Kriterien aus der Bildgebung herangezogen werden, um die Dignität der adrenalen Raumforderung besser abschätzen zu können.

Merkmale in der Bildgebung, die für einen benignen Tumor sprechen

  •  runder, homogener, scharf begrenzter Herd
  • Durchmesser < 4 cm
  • hoher intrazellulärer Fettgehalt (darstellbar mittels CT und MRT)
  • Dichte < 10 Hounsfield-Einheiten im Nativ-CT
  • Kontrastmittel-Washout von > 50 % nach 10 Minuten in der CT

Die Feinnadelpunktion spielt in der Beurteilung von Nebennierentumoren keine wichtige Rolle, da mithilfe der Zytologie nicht zwischen einer gutartigen Raumforderung (z.B. Adenom) und einem Karzinom unterschieden werden kann. Es lässt sich allerdings klären, ob es sich um einen primären Nebennierentumor oder um eine Metastase handelt. Vor einer Punktion muss ein Phäochromozytom ausgeschlossen sein, denn bei einem solchen Tumor könnte durch die Intervention eine hypertensive Krise ausgelöst werden. In jedem Fall sollte anamnes­tisch und klinisch nach einem Hormonexzess gesucht werden. Die Bildgebung erlaubt keine Aussage darüber, ob ein Nebennierentumor hormonaktiv ist oder nicht. Daher sind je nach Beschwerdebild zusätzlich entsprechende Screening-Tests erforderlich. Für alle Patienten mit Nebennierentumor empfiehlt sich ein 1-mg-Dexamethason- und ein Phäochromozytom-Screening-Test. Bei auffälligen Ergebnissen oder außergewöhnlichen Befunden (z.B. adrenale Raumforderung beidseits) sollte der Patient einem Endokrinologen vorgestellt werden.

Hormonaktive Nebennierentumoren unterscheiden

Beschwerden wie Hypertonie, Palpitationen, Schwitzen, Blässe und Kopfschmerzen sollten an ein Phäochromozytom denken lassen. Im Plasma finden sich fraktionierte, freie Metanephrine, im 24-h-Urin fraktionierte Katecholamine/ Metanephrine. Bei V.a. primären Hyperaldosteronismus sollte man sich die Aldosteron-Renin-Ratio ansehen. Häufige Beschwerden sind Hypertonie und ggf. Hypokaliämie. Klagen Patienten über Flankenschmerzen, abdominelle Beschwerden und Hirsutismus und/oder liegt ein Cushing- Syndrom vor, kann das auf ein Karzinom hinweisen. Dann sollte man Testosteron undDHEAS bestimmen und einen 1-mg-Dexamethason- Hemmtest durchführen. Ein Cushing-Syndrom ist wahrscheinlich bei Symptomen wie proximaler Muskelschwäche, Hautatrophie, Striae rubrae, Osteoporose und Diabetes. Für die Diagnostik kommt der 1-mg-Dexamethason-Hemmtest zum Einsatz.

Nicht jeder Nebennierentumor muss behandelt werden. Hormon­inaktive, homogene und scharf begrenzte Raumforderungen mit einem Durchmesser < 4 cm, die im CT eine Dichte von ≤ 10 Hounsfield-Einheiten aufweisen oder im MRT eindeutig fetthaltig sind, können als gutartig beurteilt werden – vorausgesetzt, der Patient hat keine extraadrenale bösartige Grund­erkrankung. Sie bedürfen keiner chirurgischen Behandlung und auch keiner weiteren Bildgebung zur Kontrolle. Bei hormonaktiven Tumoren besteht eine OP-Indikation Bei Malignitätszeichen sollte eine weitere diagnostische Abklärung bzw. eine Adrenalektomie erfolgen. Auch bei hormonaktiven Tumoren besteht grundsätzlich eine Operationsindikation – wobei diese im Einzelfall diskutiert werden kann, wenn z.B. nur ein leichtes Cushing-Syndrom vorliegt. Die Autoren plädieren dafür, OP-Indikationen interdisziplinär in endokrinen Boards zu stellen.

Quelle: Rosenberg R et al. Ther Umsch 2020; 77: 441-448; DOI: 10.1024/0040-5930/a001216

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Benigne, aber problematisch: Diese Adenome bildeten Kortisol im Übermaß. Der Patient litt unter einem Cushing-Syndrom. Benigne, aber problematisch: Diese Adenome bildeten Kortisol im Übermaß. Der Patient litt unter einem Cushing-Syndrom. © Science Photo Library/CNRI
Die allermeisten Karzinome sind bei der Diagnose > 4 cm. Jedoch sind auch viele Inzidentalome mit > 4 cm gutartig. Dieser hier erwies sich als maligne. Die allermeisten Karzinome sind bei der Diagnose > 4 cm. Jedoch sind auch viele Inzidentalome mit > 4 cm gutartig. Dieser hier erwies sich als maligne. © Science Photo Library/Cavallini, James