
Kein Cushing, aber gefährlich

Inzidentalome sind Raumforderungen in der Nebenniere, die im Rahmen einer abdominellen Bildgebung zufällig entdeckt werden. Ihre Inzidenz liegt bei 2-4 % und kann im Alter auf etwa 10 %, ansteigen, schreiben Dr. Anna Riester von der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV der LMU München und Prof. Dr. Felix Beuschlein vom Universitätsspital Zürich. Ab einer Größe von etwa 1 cm gilt die Raumforderung als klinisch relevant und sollte abgeklärt werden. Dahinter können folgende Entitäten stecken:
- hormoninaktive Adenome
- hormonaktive Adenome (Kortisol- oder Aldosteron-produzierend)
- Phäochromozytome
- Nebennierenkarzinome oder Nebennierenmetastasen.
Anamnese und klinische Untersuchung geben wertvolle Hinweise auf eine mögliche endokrine Aktivität. Besteht eine zusätzliche Hypertonie oder Hpokaliämie, muss ein primärer Hyperaldosteronismus ausgeschlossen werden. Um klinisch stumme Phäochromozytome nicht zu übersehen, bestimmt man die Metanephrine in Plasma oder 24-h-Sammelurin. Ein Cushing lässt sich aufgrund der typischen Anzeichen wie Pergamenthaut, Striae rubrae, stammbetonte Adipositas oder proximale Myopathie vermuten und wird u. a. mit einem Dexamethason-Hemmtest dingfest gemacht.
Doch auch ohne Cushing ist bei einem Inzidentalom ein Dexamethasontest angezeigt. Denn nur dadurch kann ein Inzidentalom mit autonomer Kortisolsekretion (ACS) aufgespürt werden.
Das Testergebnis ist pathologisch, die Klinik nicht
Das nicht-hormonaktive Adenom, früher auch als „subklinisches Cushing-Syndrom“ bezeichnet, wurde 2016 als eigenständiges Krankheitsbild in die europäische Leitlinie aufgenommen. Definiert ist die ACS beim Inzidentalom dadurch, dass der Dexamethasontest pathologisch ausfällt, der Patient aber keine klinischen Cushing-Zeichen aufweist.
Bei 5 % bis 48 % der Menschen mit Inzidentalom soll eine ACR vorliegen, meist sind Frauen mit metabolischem Syndrom davon betroffen. Im Vergleich zu Patienten mit anderen nicht-hormonproduzierenden Inzidentalomen haben die Patienten eine erhöhte Morbidität. Sie leiden häufiger an Hochdruck, Diabetes und Übergewicht und entwickeln häufiger kardiovaskuläre Ereignisse. Letztere sind vermutlich für die in einigen Studien nachgewiesene erhöhte Mortalität bei ACS verantwortlich.
Unwahrscheinlich ist jedoch, dass sich aus einer ACS ein florides Cushing-Syndrom entwickelt – die Häufigkeit dafür liegt unter 1 %. Auch eine Größenzunahme des Inzidentaloms bei ACR ist nur sehr selten beschrieben worden, weshalb eine bildgebende Verlaufskontrolle in der Regel nicht angezeigt ist. Ein relevantes Risiko für eine maligne Transformation besteht den Autoren zufolge ebenfalls nicht. Für das Managment eines ACR sollte der betroffene Patient bei einem multidisziplinären Board (Radiologe, Endokrinologe, Chirurg) vorgestellt werden. Therapeutisch sind die Möglichkeiten beschränkt. Zudem gibt es keine prospektiven Outcome-Studien zu den verschiedenen Vorgehensweisen.
Die ursächliche Therapie ist die unilaterale Adrenalektomie. Da die Datenlage schlecht ist, muss individuell entschieden werden. Entscheidend sind dabei
- Höhe der Kortisolwerte
- Anzahl und Ausmaß von Komorbiditäten
- Alter (jüngere Patienten haben eine längere Kortisolexposition vor sich)
- allgemeiner Gesundheitszustand
- Patientenwunsch
Ein weiterer Therapieansatz ist die medikamentöse Hemmung der Kortisolproduktion mit Metyrapon, Osilodrostat oder Ketoconazol bzw. die Gabe eines Glukokortikoidrezeptorblockers wie Mifepriston.
Nebenniere entfernen oder Komorbiditäten therapieren?
Je nach Medikament lassen sich damit Insulinresistenz und zirkadiane Kortisolrhythmik bessern. Aufgrund der hohen Nebenwirkungsrate und der erforderlichen intensiven Therapieüberwachung gibt es den Autoren zufolge für die medikamentöse Behandlung jedoch wenig Evidenz.
Übrig bleibt also die Wahl zwischen Adrenalektomie und/oder Optimierung der Komorbiditäten. Derzeit wird intensiv nach prädiktiven Biomarkern gesucht, um die Entscheidung zu erleichtern. Auf jeden Fall empfiehlt die Leitlinie, Patienten mit ACS jährlich klinisch zu reevaluieren. Verschlechtern sich die Komorbiditäten, ist eine erneute Untersuchung der hormonellen Situation inklusive erneuter Diskussion über ein konservatives vs. operatives Vorgehen angezeigt.
Quelle: Riester A, Beuschlein F, Internist 2022: 63, 18–24, DOI: 10.1007/s00108-021-01188-6
Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).