Muskelschmerzen unter Biologika: Nebenniere checken!

Manuela Arand

Eine Insuffizienz der Nebenniere droht auch nach längerfristiger ICS-Therapie in hoher Dosis Eine Insuffizienz der Nebenniere droht auch nach längerfristiger ICS-Therapie in hoher Dosis © SciePro- stock.adobe.com

Systemische Steroide absetzen: So lautet das Ziel bei Patienten mit schwerem Asthma, die auf Biologika umgestellt werden. Auf dem Weg dorthin muss man sich jedoch viel Zeit lassen, vor allem auf den letzten Metern. Ansonsten droht die klinisch manifeste Nebennierenrindeninsuffizienz. 

In der Therapie des schweren Asthmas sollten Biologika gegenüber oralen systemischen Kortikosteroiden (OCS) eindeutig bevorzugt werden. So sehen es seit einigen Jahren nationale wie internationale Leitlinien vor. Doch gar nicht so wenige Patienten tragen die Steroide als Erblast aus der Zeit mit sich, als es für sie schlichtweg keine Behandlungsalternativen gab. 
Diese Vermutung konnte Prof. Dr. ­MAREK ­LOMMATZSCH, Universität Rostock, im Rahmen einer Erhebung in rund 1.000 deutschen Hausarztpraxen bestätigen: Danach erhalten bis zu 15 % der über 65-Jährigen unabhängig vom Schweregrad ihres Asthmas ein orales Steroid in Dauertherapie – definiert als Einnahme an mehr als 30 Tagen pro Jahr. Dies sind mehr als doppelt so viele, wie es Patienten mit schwerem Asthma gibt, gab der Kollege zu bedenken. 

Viele Patienten bekommen ICS in Höchstdosis

„Wir haben aber auch viele Patienten mit einer Höchstdosis an inhalativen Steroiden (ICS), und die systemischen Nebenwirkungen dieser Therapie sind nicht zu vernachlässigen“, betonte Prof. Lommatzsch. Ein ICS in Höchstdosis könne bis zu 5 mg Prednisolon pro Tag entsprechen. Er stellte klar, dass es zwischen den verschiedenen Wirkstoffen Unterschiede gibt. Fluticasonpropionat z.B. muss wegen seiner geringeren Rezeptoraffinität höher dosiert werden als an Furoat gekoppeltes Fluticason und ist deshalb stärker systemisch wirksam. Aber auch die anderen ICS haben systemische Nebenwirkungen, so der Pneumologe. Dies könne man u.a. daran ablesen, dass eine Verdopplung der ICS-Dosis von mittel auf hoch unter Umständen die Eosinophilenzahl im Serum halbiert.

Nach Überzeugung des Kollegen müssen sich deshalb auch Pneumologen mit Endokrinologie beschäftigen, genauer gesagt mit der Hypothalamus-Hypophyse-Neben­nieren-Achse, die die endogene Kortisolfreisetzung steuert. Nach langjähriger OCS- und/oder hoch dosierter ICS-Therapie kann sich eine tertiäre Insuffizienz der Nebennierenrinde (NNR) mit Atrophie der kortikotropen Zellen von Hypophyse und NNR entwickeln. Die Symptome sind recht unspezifisch und reichen von Muskel- und Leis­tungsschwäche über Antriebslosigkeit, Depression/Dysphorie bis hin zu gastrointestinalen Beschwerden, Gewichtsverlust und Frieren. 

„Es gibt ein Symptom, das praktisch nur bei tertiärer NNR-Insuffizienz auftritt, nämlich Muskel- und Gliederschmerzen“, erklärte Prof. Lommatzsch. Berichtet ein Patient unter Biologikatherapie von derartigen Beschwerden, denkt man oft reflexartig an Nebenwirkungen dieser Substanzen. In den meisten Fällen ist jedoch nicht das Biologikum der Auslöser, sondern die tertiäre Insuffizienz. Diese kommt bei OCS-Entzug unter Biologika offenbar häufiger vor als bislang vermutet. 

In der Studie PONENTE, die sich des Themas angenommen hat, zeigte fast jeder vierte Patient eine komplette NNR-Insuffizienz, nachdem das OCS unter Therapie mit Benralizumab abgesetzt werden konnte. Bei manchen Patienten blieben die Beschwerden bestehen, sodass sie dauerhaft nicht ohne niedrig dosierte OCS auskamen. „Dasselbe kann bei jedem anderen Biologikum genauso passieren“, betonte Prof. Lommatzsch. „Damit müssen wir als Pneumologen umgehen können.“
Ein Teil der NNR-Insuffizienzen lässt sich durch vorsichtiges Tapern des Steroids verhindern. Als Faustregel gilt: Bis 15 mg/d kann die Dosis pro Woche um 5 mg reduziert werden, danach alle zwei Wochen um 2,5 mg, bis eine Tagesdosis von 5 mg erreicht ist. Von da an geht es in 1-mg-Schritten weiter.

Nebennierenrindeninsuffizienz im Labor sichern

„Ich denke, wir sollten bei bestimmten Patienten, die schon lange OCS genommen haben, einmal das Morgenkortisol messen“, sagte Prof. Lommatzsch. „Das ist nicht teuer und einfach zu machen – man braucht dafür noch nicht einmal eine Kühlkette.“ Um den Marker bestimmen zu können, braucht das OCS nur einen Tag pausiert zu werden. Die Blutabnahme erfolgt mit einem einfachen Serumröhrchen. Leider gibt es einen gewissen Dissens, ab wann eine NNR-Insuffizienz beginnt – konservative Endokrinologen ziehen die Grenze bei 3 µg/dl, andere bei 3,6 µg/dl oder 5 µg/dl.

Als Faustregel für den klinischen Alltag lässt sich sagen: Liegt das morgendliche Serumkortisol unter 5 µg/dl, ist eine NNR-Insuffizienz wahrscheinlich, bei über 15 µg/dl unwahrscheinlich. Im Graubereich dazwischen empfiehlt es sich, den Patienten zum Endokrinologen zu schicken, damit er die Messung nach ACTH-Stimulation wiederholt. Bleibt das Kortisol unter 9 µg/dl, ist die Diagnose gesichert.

Kortisol ist zu ca. 90 % an Corticosteroid-binding Globulin (CBG) gebunden. Im Einzelfall kann es wichtig sein, den Spiegel dieses Transportproteins zu kennen – z.B. wenn Symptome und Kortisolspiegel nicht zusammenpassen wollen. Denn die Menge des Globulins entscheidet darüber, wie viel freies Kortisol dem Patienten zur Verfügung steht. „Je höher der Wert, desto ungünstiger für den Patienten“, so Prof. Lommatzsch. Rückschlüsse auf den CBG-Spiegel lässt die Konzentration des Sexualhormon-gebundenen Globulins, SHBG, zu, das auf gleiche Weise reguliert wird, aber einfacher zu messen ist und daher bevorzugt bestimmt wird.
 

Bei Insuffizienzzeichen ganz langsame Steroidreduktion

Zeigt sich beim Kortisonentzug eine tertiäre Insuffizienz der Nebennierenrinde, setzen die Rostocker Kollegen die Patienten z.B. auf 5 mg/d Prednisolon und lassen sich für jeden Reduktionsschritt à 1 mg  einen Monat Zeit. „Wenn die Patienten 5 mg Prednisolon nehmen, sind die Muskelschmerzen ihren Berichten zufolge zwei Tage später komplett weg“, erzählte Prof. Lommatzsch. Diese Beobachtung bestätigt die Diagnose. Wichtig ist, den Patienten gut aufzuklären und ihm klarzumachen, dass er in Stress­situationen oder bei einem akuten Infekt mehr Kortison braucht und die Tagesdosis zeitweise verdreifachen sollte. Steht eine Operation an, sollte er kurz zuvor 100 mg Hydrokortison i.v. erhalten. 

Kongressbericht: 62. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und  Beatmungsmedizin

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