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Blinder Passagier im Muskel

Die weltweit verbreiteten Protozoen der Gattung Sarcocystis brauchen für ihre Entwicklung zwei Wirte, wobei der Mensch typischerweise als Endwirt fungiert. Zur Infektion kommt es durch Verzehr von rohem oder unzureichend gegartem Fleisch von Zwischenwirten (z.B. Rind oder Schwein) mit Bradyzoiten der Parasiten. Diese befinden sich innerhalb der Muskulatur der Tiere in intrazellulären Gewebszysten, den sogenannten Sarkozysten. Etwa 3–36 Stunden später tritt eine intestinale Sarkozystose auf, die sich in Form einer akuten Gastroenteritis manifestiert, aber auch asymptomatisch verlaufen kann, erläutern Dr. Henning Trawinski und Prof. Dr. Christoph Lübbert von der Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin am Universitätsklinikum Leipzig. Der Patient scheidet in der Folge infektiöse Oozysten und Sporozysten mit dem Stuhl aus.
Ein Mensch kann allerdings auch akzidentell zum Zwischenwirt der Parasiten werden, wenn er mit Oo- und Sporozysten kontaminierte Lebensmittel bzw. Wasser zu sich nimmt. In diesem Fall durchwandert der Erreger die Darmwand, durchläuft in den Endothelzellen der Blutgefäße mehrere asexuelle Vermehrungszyklen und bildet schließlich Sarkozysten in der Muskulatur.
Die beiden Experten berichten den Fall eines 34-jährigen Mannes, der sechs Wochen nach einer Thailandreise über progrediente Myalgien und Arthralgien sowie Kreislaufbeschwerden, Übelkeit, Fieber, Nachtschweiß und Fatigue klagte. Während der Reise waren bereits ähnliche Symptome, gefolgt von einem etwa zweiwöchigen beschwerdefreien Intervall aufgetreten. Die 40-jährige Reisepartnerin des Mannes war deutlich leichter betroffen. Sie klagte über Abgeschlagenheit und später über ziehende Schmerzen erst in den Waden, dann in allen Extremitäten. Beide Reisenden hatten etwa ein bis zwei Wochen vor Symptombeginn ungefiltertes, nicht abgekochtes Flusswasser getrunken, der Mann hatte zusätzlich vermutlich unzureichend gegartes Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte gegessen. Das zusammen mit dem klinischen Bild der Myositis und dem typischen biphasischen Verlauf, die Erhöhung von Muskelenzymen, CRP und Eosinophilen lenkte den Verdacht auf eine akute muskuläre Sarkozystose, berichten die Mediziner. Alternativdiagnosen wie Toxocariasis, Schistosomiasis, Strongyloidiasis, die Trichinellose sowie die Zystizerkose schlossen sie serologisch aus. Der PCR-Nachweis von Sarcocyistis-DNA aus Stuhlproben und EDTA-Blut blieb negativ.
Einen allgemeinen Standard für serologische Tests zur Diagnose der akuten muskulären Sarkozystose gibt es bislang nicht, so die Experten. In der Frühphase kann der PCR-Nachweis aus dem Blut gelingen, meist dienen die Tests zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen. Angesichts des eindeutigen klinischen Bildes verzichteten sie bei den beiden Reisenden auf eine Muskelbiopsie bzw. eine MRT.
In frühen Stadien spricht die Erkrankung erfahrungsgemäß auch gut auf Cotrimoxazol an, berichten die Mediziner. Aufgrund des bereits langen Krankheitsverlaufs erhielt der Mann Albendazol (2 x 400 mg p.o.) und Prednisolon (initial: 1 mg/kgKG p. o.), ggf. plus Ibuprofen zur Nacht. Seine Partnerin erhielt nur Prednisolon. Unter der mehrwöchigen Therapie bildeten sich sowohl die Beschwerden als auch die Laborveränderungen dauerhaft zurück.
Quelle: Trawinski H, Lübbert C. Flug u Reisemed 2023; 30: 7-10; DOI: 10.1055/a-1993-2559
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