Urogenitale Infektionen: Auch mit Tuberkulose und Parasiten rechnen

Dr. Alexandra Bischoff

Die Eier der Pärchenegel dringen in die Blasenwand ein, die sich daraufhin entzündet und kalzifiziert. Die Eier der Pärchenegel dringen in die Blasenwand ein, die sich daraufhin entzündet und kalzifiziert. © iStock/defun

Nur ein harmloser Harnwegsinfekt? Viele Ärzte haben bei urogenitalen Infektionen Tuberkulose und Parasiten als Differenzial­diagnosen nicht auf dem Schirm. Sollten sie im Zuge der Migra­tion aber.

Die Migration der letzten Jahre führte dazu, dass die Zahl an seltenen Infektions­krankheiten in Europa wieder angestiegen ist. Grund dafür sind die schlechten hygienischen Bedingungen im Herkunftsland, auf der Flucht oder in den Auffanglagern. Da die Symptomatik häufig unspezifisch ist, kann es leicht zu Verwechslungen und falscher Behandlung kommen, schreiben Dr. Kathrin Bausch vom Department Urologie des Universitätsspitals Basel und ihre Kollegen. Insbesondere die Tuberkulose und die Schistosomiasis sollte man deshalb differenzialdiagnostisch immer im Hinterkopf haben.

Tuberkulose

Die außerhalb Europas erworbene Tuberkulose äußert sich klinisch häufig extrapulmonal, weshalb eine urogentiale Tuberkulose beim Screening per Röntgenthorax leicht übersehen wird. In Entwicklungsländern ist die urogentiale Tuberkulose nach dem Befall der Lymphknoten die zweithäufigste extrapulmonale Manifestation. Sie gilt als Meister der Mimikry, die unterschiedliche Erkrankungen der Niere, der Harnwege und des Genitals imitieren kann (z.B. Tumoren, fistulierende Nebenhodenentzündungen). Die Übertragung erfolgt in der Regel hämatogen.

Die Erkrankung betrifft überwiegend Männer, v.a. Nebenhoden und Prostata. Aufgrund der unspezifischen Symptome wie subfebrile Temperaturen, intermittierende, dysurische Beschwerden und Makrohämaturien wird die Erkrankung oft für einen therapieresistenten Harnwegsinfekt oder eine chronische Epididymitis gehalten. Die Diagnostik kann folgende Untersuchungen beinhalten:

  • mindestens drei Kulturen von Urin, Ejakulat oder Prostatasekret
  • Direktnachweis mittels Polymerase-Kettenreaktion
  • Gamma-Interferon-Test zum Nachweis einer abgelaufenen Infektion
  • histologische Untersuchung
  • HIV-Diagnostik
  • bildgebende Verfahren

Die Therapie erfolgt mit vier Tuberkulostatika für 6–9 Monate bzw. mit 4–5 Tuberkulostatika für 12–24 Monate bei Rezidiv, Immunsuppression oder Resistenzen.

Schistosomiasis

Die Schistosomiasis (Bilharziose) ist eine parasitäre Infektionskrankheit, die durch verunreinig­tes Wasser übertragen wird. Die über den menschlichen Stuhl oder Urin ausgeschiedenen Eier reifen in Schnecken der Bulinus-Spezies zu infektiösen Larven. Diese gelangen über die Haut und die Blutbahn in die Leber, wo sie auf ihre Geschlechtspartner treffen. In den Harnwegen abgelegte Wurmeier führen nach zwei bis drei Monaten zu eosinophilen Entzündungs­reaktionen.

Anfänglich leiden die Betroffenen unter unspezifischen Beschwerden wie Urtikaria, Fieber, Myalgie, pulmonalen Symptomen und unklarer Eosinophilie. Oft wird die Bilharziose als Harnwegsinfekt oder Blasenkarzinom fehlgedeutet. Ab dem dritten Monat kann es zu Hämaturien, Pollakisurie, terminaler Algurie, Dysurie sowie imperativem Harndrang und Drang­inkontinenz kommen. Als potenzielle Spätfolgen gelten neben Steinbildung, Schrumpfblase, Blasenhalssklerose oder Harnstauungsnieren auch Karzinome des oberen und unteren Harntrakts. Die Diagnosestellung gelingt mittels:

  • Serologie von Antikörpern
  • Zytologie (Einachweis im Urin, Dys-/Metaplasie, Tumorzellen)
  • Point-of-Care-Test auf zirkulierende Antigene im Urin
  • Urethrozystoskopie
  • Histologie

Die Behandlung erfolgt mit Praziquantel als Einmalgabe (40 mg/kgKG oral) oder in zwei Dosen (jeweils 30 mg/kgKG), die im Abstand von 4–6 h gegeben werden. Eine Therapiekontrolle mittels Urin­zytologie und ein Screening von beschwerdefreien Migranten werden empfohlen.

Antimikrobielle Resistenzen

Resistenzraten von dreifach multiresistenten gramnegativen Erregern (MRGN) sind unter Migranten deutlich erhöht. Außerdem sind die AMR*-Raten in den Herkunftsländern vermutlich im Vergleich zu Deutschland erhöht und Menschen mit einem ähnlichen Fluchtweg weisen ähnliche AMR-Muster auf. Bei schweren Infektionen ist eine Therapie mit Carbapenemen häufig wirksam. Ein routinemäßiges MRGN-Screening vor Krankenhauseintritt empfiehlt das Robert Koch-Institut nicht.

Skabies

Typisch für die Skabies sind stecknadelkopfgroße Vesikel sowie erythematöse Papeln und Pusteln in den Interdigitalräumen, am Penis und am Skrotum. Besonders nachts und nach dem Baden besteht ein starker Juckreiz. Teilweise sieht man auch die gräulichen Brutgänge der Krätzemilben. Die Diagnose gelingt per:
  • Mikroskop,
  • Dermatoskop oder
  • Klebebandtest.
Behandelt wird die gesamte Haut topisch mit Permethrin 5 % einmalig für acht bis zwölf Stunden. Alternativ können auch Benzylbenzoat 10 %/20 %, Crotamiton 5 %/10 % oder Ivermectin 200 µg/kgKG oral eingesetzt werden. Enge Kontaktpersonen sollte man aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr am besten gleich mit behandeln. Zusätzlich gilt es, die Symptome zu lindern. Die Kleidung sollte bei mindestens 50 °C gewaschen oder auf -25 °C tiefgekühlt werden. Ein Screening auf Krätzemilben wird im Rahmen der Erstuntersuchung von Migranten empfohlen. Und nicht vergessen: Die Skabies ist meldepflichtig.

* Antimikrobielle Resistenzen

Quelle: Bausch K et al. Der Urologe 2019; 58: 1219-1227; DOI: doi.org/10.1007/s00120-019-01040-8

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Die Eier der Pärchenegel dringen in die Blasenwand ein, die sich daraufhin entzündet und kalzifiziert. Die Eier der Pärchenegel dringen in die Blasenwand ein, die sich daraufhin entzündet und kalzifiziert. © iStock/defun