Ein Händchen fürs Zittern: Sind Sie fit beim essenziellen Tremor?

Dr. Elke Ruchalla

Wenn die Hände zittern, gilt es den essenziellen Tremor von Parkinson zu unterscheiden. Wenn die Hände zittern, gilt es den essenziellen Tremor von Parkinson zu unterscheiden. © Alessandro Grandini – stock.adobe.com

Ihr Patient klagt, dass ihm seit Neuestem die Hand zittert, sobald er ein Glas hebt, um daraus zu trinken. Er fürchtet nun, an Parkinson zu leiden – erst vor Kurzem hat er einen TV-Bericht darüber gesehen. Nach einigen einfachen Untersuchungen haben Sie einen anderen Verdacht.

Auch wenn Ihre Diagnose am Ende essenzieller Tremor statt Parkinson lautet: Ihr Patient wird damit ebenfalls nicht glücklich werden. Denn das Zittern – meist bilateral und bewegungsabhängig an den Armen – kann ihn bei vielen Alltagsaktivitäten, etwa bei der Körperpflege oder beim Essen, erheblich stören. Die Betroffenen haben Probleme sich zu kämmen oder eine Tasse ohne Malheur zum Mund zu führen. Da die Bewegungsstörung an den oberen Extremitäten oft phasenverschoben auftritt, sollten zur teilweisen Kompensation beide Hände gleichzeitig genutzt werden, schreibt Dr. Vicki­ Shanker­ von der Abteilung für Neurologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York.

Per Bildgebung sekundäre Ursachen ausschließen

Meist ist auch die Handschrift beeinträchtigt. Im Gegensatz zum Parkinson (Mikrographie) zeichnet sich ein essenzieller Tremor durch ein normales bis leicht vergrößertes Schriftbild aus. Vor allem bei vertikalen Buchstaben wie h, l oder p sieht man die Unsicherheit.

All diese Symptome können für die Diagnostik genutzt werden. Die Autorin rät dazu, mehrere der folgenden Aufgaben zu kombinieren, da das klinische Bild individuell teilweise deutlich schwankt:

  • Lassen Sie den Patienten die Arme ausstrecken. Typischerweise kommt es dabei zum Handgelenkstremor ohne Fingerbeteiligung. Charakteristisch für den Parkinson sind Ruhetremor und Bewegungstremor in den Fingern.

  • Beim Finger-Nase-Versuch sieht man oft einen Intentionstremor.

  • Patienten mit essenziellem Tremor können mit der Zeit die Archimedes-Spirale nicht mehr sauber nachzeichnen. Die einzelnen Spiralen bekommen eine Schräg­achse, die beim Rechtshänder auf der Linie 8–2 Uhr und beim Linkshänder bei 10–4 Uhr liegt.

  • Häufig dehnt sich der Tremor auf die Kopf-Hals-Muskulatur aus (selten auf Kinn oder Kiefer). Auch Kehlkopf und Stimmapparat können mitzittern, weshalb Betroffene über eine schwächliche oder heisere Stimme klagen.

Zwar handelt es sich beim essenziellen Tremor um eine klinische Dia­gnose. Mittels Bildgebung – allem voran einer MRT des Gehirns – lassen sich aber sekundäre Ursachen des Tremors ausschließen. Dies ist besonders wichtig, wenn zusätzliche neurologische Beschwerden wie Dystonie oder Myoklonien vorliegen, schreibt die Kollegin.

Propranolol und Primidon sind erste Wahl

Um die den Patienten störenden bzw. beeinträchtigenden Symptome zu lindern, haben sich in der First-Line-Therapie Propranolol, aber auch Primidon bewährt. Entscheidet man sich für Propranolol, startet man mit dreimal täglich 10 mg, die Maximaldosis liegt bei 360 mg, die über den Tag verteilt wird. Die Retardformulierung erhält der Patient nur einmal täglich.

Alkohol macht‘s auch nicht besser

Beim essenziellen Tremor kann Alkohol das Zittern abschwächen, allerdings ist das Phänomen nicht spezifisch für diese Störung. Etwa die Hälfte der Patienten mit essenziellem Tremor sowie rund 30 % mit isolierter Dystonie beschreiben die Beobachtung, dass ihre Symptome ca. 90 min nach Alkoholkonsum besser werden. Der regelmäßige Schluck aus der Pulle ist aber keine Dauerlösung: Nach etwa drei Stunden setzt ein Rebound-Effekt ein, durch den der Tremor umso stärker wird.

Kontraindiziert ist der Betablocker, wenn ein Asthma bronchiale und/oder eine allergische Rhinitis vorliegt. In diesen Fällen kann man auf den selektiven Betablocker Atenolol (100 mg/d) ausweichen. Mit Propranolol vorsichtig sein sollte man zudem bei Diabetikern, da die Substanz die Symptome einer Hypoglykämie maskieren kann. Die Startdosis für Primidon beträgt 25 mg oral zur Nacht. Die maximale Dosis liegt bei 750 mg, die über den Tag verteilt wird.
Alternativen, wenn die Patienten nicht auf Betablocker ansprechen oder diese nicht erhalten dürfen und auch Primidon keine wirksame Option ist
Antikonvulsiva
Topiramat
Start mit zweimal täglich 25 mg; max. 150–400 mg/d
Gabapentin
Start mit 100–300 mg dreimal täglich; Dosissteigerung bis 3600 mg/d möglich
Alprazolam
Start mit 0,25 mg/d bzw. 0,125 mg/d bei älteren Patienten; durchschnittliche Tagesdosis 0,125–3 mg
Clonazepam
Start mit 0,5 mg/d; durchschnittliche Tagesdosis 1,5–2,0 mg
Zonisamid
Start mit 100 mg/d; durchschnittliche Tagesdosis 225 mg über den Tag verteilt
Antipsychotika
Clozapin
Start mit 25 mg/d bzw. 12,5 mg bei älteren Patienten; die durchschnittliche Tagesdosis liegt bei 25–75 mg
Olanzapin
Start mit 5 mg/d; durchschnittliche Tagesdosis 10–20 mg
Schlagen auch diese Medikamente nicht an, kann evtl. ein invasiver Therapieansatz nutzen. Dr. Shanker nennt Injektionen von Botulinumtoxin in stark vom Tremor betroffene Muskeln („Chemodenervation“) und die tiefe Hirnstimulation, wie sie beim Morbus Parkinson erfolgreich eingesetzt wird. Weniger invasiv, aber einen Versuch wert: die MRT-gesteuerte fokussierte Ultraschalltherapie. In der Entwicklung befinden sich noch die periphere Stimulation von N. radialis oder N. ulnaris und die transkranielle Magnetstimulation.

Quelle: Shanker V. BMJ 2019; 366: I4485; DOI: 10.1136/bmj.l4485

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