Einfach mal eskalieren: Ein Plädoyer für die Treat-to-Target-Strategie bei Rheuma
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Aufgrund der konsequenten Behandlung sieht man ausgeprägte Gelenkdeformitäten und andere schwerwiegende Manifestationen der rheumatoiden Arthritis (RA) heutzutage nur noch selten. Die meisten RA-Patienten können weiterhin ihrem Beruf nachgehen und sind sozial voll integriert, während sie früher meist schon innerhalb der ersten zwei Jahre nach Diagnose dauerhaft arbeitsunfähig wurden.
Damit es gar nicht erst zu strukturellen Gelenkschäden kommt, sollte die Therapie möglichst bereits bei Mon- oder Oligoarthritis einsetzen. Ein unrealistisches Ziel? „Nein!“, betonte Professor Dr. Gerd-Rüdiger Burmester, Direktor der Medizinischen Klinik m.S. Rheumatologie u. Klinische Immunologie der Charité Berlin. Der Referent führte als Beispiel die deutsche HIT-HARD-Studie an: Zwischen Symptombeginn und Therapiestart vergingen im Schnitt gerade einmal 1,8 Monate.
Patienten sehen den Facharzt viel zu spät
Als weiteren wichtigen Fortschritt nannte der Experte die in anderen Bereichen der Medizin (z.B. Diabetes, Hochdruck) längst gebräuchliche Treat-to-Target-Strategie. Bei der rheumatoiden Arthritis heißt das Therapieziel Remission, möglichst klinisch und radiologisch. Davon profitieren die Betroffenen nachhaltig: Sie entwickeln langfristig weniger strukturelle Schäden und bleiben körperlich so fit wie Altersgenossen ohne Rheuma.
Allerdings dauert es in der Praxis viel zu lang, bis Patienten mit RA-Verdacht einen Termin beim Rheumatologen erhalten – vom Symptombeginn bis zum Erstkontakt vergehen rund 40 Wochen. Dazu passen die Ergebnisse der Kerndokumentation deutscher Rheumazentren, wonach sich 2014 nur ein Drittel der Patienten in Remission befand. Knapp die Hälfte hatte eine moderate bis hohe Krankheitsaktivität. Gerade bei der frühen RA (≤ 2 Jahre) kam es zu keiner Verbesserung: 2007 erhielten 5 % im ersten Krankheitsjahr ein Biologikum, 2014 waren es 3 %. Von einer Übertherapie kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, bis zum erstmaligen Einsatz eines Biologikums vergehen immer noch etwa neun Jahre, bedauerte der Berliner Kollege.
Defizite förderte auch die CAPEA-Studie zutage, an der sich 1301 Früh-RA-Patienten aus 89 deutschen Rheumapraxen beteiligten. Die nach einem halben Jahr erzielte Remissionsrate von 40 % kann sich durchaus sehen lassen. Enttäuschend war jedoch, dass auch zwei Jahre später noch knapp 40 % eine mittlere bis hohe Krankheitsaktivität aufwiesen.
Bei rund der Hälfte von ihnen war kein Therapiewechsel erfolgt. Außerdem nahmen 48 % entgegen den Empfehlungen nach zwei Jahren immer noch Steroide, nur 12 % erhielten ein Biologikum und 10 % eine Kombination von DMARD (disease-modifying antirheumatic drug). Der Grund? Prof. Burmester vermutet, dass viele Ärzte mit dem Erreichten so zufrieden waren, dass sie die Therapie nicht eskalieren wollten. Auf Patientenseite könnte auch die Angst vor einem Wechsel oder Nebenwirkungen z.B. der Biologika eine Rolle gespielt haben.
Mit Methotrexat und Steroid beginnen
Zur Remissionsinduktion empfiehlt die europäische Fachgesellschaft EULAR* ein stufenweises Vorgehen: Sobald die Diagnose steht, startet die Therapie mit einem konventionellen synthetischen (cs)DMARD – vorzugsweise mit Methotrexat, bei Kontraindikationen hierfür mit Leflunomid bzw. Sulfasalazin. Ergänzend raten die Experten zu einer kurzfristigen Steroidtherapie, wobei auch höhere Dosen als 7,5 mg erlaubt sind. Dies soll nach drei Monaten eine klinische Verbesserung und nach sechs Monaten eine Remission erreichen. Geblieben ist die Forderung, das Steroid möglichst bald auszuschleichen.
Im Gegensatz zu früheren Versionen sieht die EULAR DMARD-Kombinationen in der Primärtherapie nicht mehr als Option an. Auch eine initiale Biologika-Therapie wird nicht mehr empfohlen, allerdings können diese Wirkstoffe im Bedarfsfall schon nach drei Monaten zum Zuge kommen. Biosimilars, die von der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen sind, werden behandelt wie Originalpräparate.
Wird das Ziel verfehlt oder die Therapie nicht vertragen, richtet sich das weitere Vorgehen nach der Prognose des Patienten. Als ungünstig gelten z.B. hohe Krankheitsaktivität, frühe Erosionen und Autoantikörper (Rheumafaktoren; Anti-CCP-AK). Betroffene sollen nach gängiger Praxis bereits in diesem frühen Stadium zusätzlich zum csDMARD ein Biologikum (bDMARD) erhalten, zum Beispiel ein TNF-Blocker. Alternativ darf auch ein Januskinase(JAK)-Inhibitor zum Einsatz kommen.
Bei guter Prognose begnügt sich die EULAR auf Therapiestufe 2 mit einem Wechsel bzw. einer Kombination mehrerer csDMARD. Aber auch hier gilt Treat-to-Target: Wenn Methotrexat und Co. nicht innerhalb von sechs Monaten eine Remission erzielen, sollten auch die weniger gefährdeten Patienten zusätzlich ein Biologikum bzw. einen JAK-Inhibitor erhalten. Falls das nicht zum Erfolg führt, kann man auf Stufe 3 einen Wechsel von Biologika und JAK-Inhibitoren in Betracht ziehen.
* European League Against Rheumatism
Quelle: 45. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 2017
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