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Empfehlungen zu HIV-1-assoziierten neurologischen Erkrankungen aktualisiert

Eine neurologische Manifestation ist bei 10–20 % der HIV-Patienten das erste Symptom. Dabei gibt es Krankheitsbilder, die direkt auf einer viralen Infektion des Nervensystems beruhen, z.B. die HIV-Enzephalitis. Andere, wie die distale symmetrische Polyneuropathie, entstehen multifaktoriell aufgrund immunologischer und/oder metabolischer Fehlregulationen.
ZNS als Rückzugsort
Therapieindikation bei HAD unabhängig von CD4+-Zellzahl
Leichte Formen eines HIV-assoziierten neurokognitiven Defizits sind allerdings immer noch ein Problem. Als Risikofaktoren gelten ein niedriger CD4+-Zell-Nadir und eine hohe Viruslast. Ist eine HAD gesichert, sollte unabhängig von der CD4+-Zellzahl eine cART erfolgen. Kommt es unter einer cART trotz supprimierter HIV-RNA zur HIV-assoziierten Demenz, sollte man auf gut liquorgängige Substanzen wie Azidothymidin, Abacavir, Emtricitabin, Nevirapin oder Darunavir wechseln. Die HIV-1-assoziierte Myelopathie (HIVM) und -Myelitis gehören zu den seltenen Komplikationen einer späten HIV-Erkrankung. Bei der HIVM findet sich histomorphologisch häufig eine intramyelinäre Vakuolisierung vor allem im mittleren und unteren thorakalen sowie im zervikalen Rückenmark. Klinisch leiden die Patienten unter beinbetonter Tetraparese, Hyperreflexie, Sphinkterstörungen sowie handschuh- oder sockenförmigen sensiblen Störungen. Das Gangbild ist spastisch-ataktisch. Bei 60 % liegt zusätzlich eine HIV-assoziierte Demenz vor. Als häufigste periphere Manifestation einer HIV-Infektion tritt eine distal symmetrische sensible Polyneuropathie auf. Sie scheint auf einer Inflammation dorsaler Spinalganglienzellen zu beruhen mit sekundärer neuronaler Schädigung. Geht die Polyneuropathie mit relevanten Paresen einher und zeigt ein asymmetrisches Muster, muss differenzialdiagnostisch eine Vaskulitis durch eine Nerven-Muskel-Biopsie ausgeschlossen werden. In der antiretroviralen Kombinationstherapie sollte man auf Substanzen mit neurotoxischem Potenzial verzichten. Ansonsten steht die symptomatische Schmerztherapie im Fokus, z.B. mit Capsaicinpflaster oder Gabapentin. Unspezifische Myalgien werden häufig zum Zeitpunkt der Serokonversion beobachtet. Es genügt, sie symptomatisch mit NSAR zu behandeln. Bekannt ist, dass auch Zidovudin dosisabhängig Myopathien induzieren kann, die mit einer Schädigung der Mitochondrien zusammenhängen. In diesem Fall raten die Autoren dazu, die Therapie umzustellen. Selten kommt im Rahmen einer HIV-Infektion eine sporadische Einschlusskörpermyositis vor mit starkem Befall proximaler Muskeln der oberen Extremitäten. Sie beruht wahrscheinlich auf einer T-Zell-Dysregulation, die muskuläre Reparaturprozesse einschränkt. Die Patienten fallen durch erhöhte CK-Werte auf, zwei Drittel weisen Antikörper gegen NT5C1A auf. Therapeutisch werden i.v. Immunglobuline eingesetzt. Die Häufigkeit opportunistischer zerebraler Infektionen hat durch die cART deutlich abgenommen. Entwickelt ein Patient rasch progrediente zentrale neurologische Ausfälle, muss jedoch an sie gedacht werden, vor allem an:- die progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML) durch das JC-Virus,
- die Toxoplasmenenzephalitis und
- die Kryptokokkenmeningitis.
Bei sehr raschem Abfall der Viruslast droht IRIS
Therapie der ersten Wahl bei Toxoplasmeninfektion ist Pyrimethamin plus Sulfadiazin (bei Sulfonamid-Unverträglichkeit Clindamycin). Für die PML gibt es keine wirksame spezifische Therapie, die Rekonstitution des Immunsystems durch eine cART führt aber häufig zur Teilremission und Stabilisierung, die über Monate bis Jahre anhalten kann. Die Kryptokokkenmeningitis wird mit liposomalem Amphotericin B behandelt. Opportunistische Infektionen, die kurz nach Beginn einer erfolgreichen cART auftreten oder sich nach anfänglichem Ansprechen wieder verschlechtern, können auch auf einem Immunrekonstitutionssyndrom (IRIS) beruhen. So bezeichnet man eine überschießende Reaktion des wieder funktionierenden Immunsystems gegen vorher schon vorhandene Erreger. Sie betrifft besonders Patienten, deren Viruslast sehr rasch abfällt. Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Krampfanfälle oder Depressionen bedürfen unabhängig von ihrer Ursache einer symptomatischen Therapie. Dabei muss der Neurologe potenzielle Interaktionen mit antiretroviralen Medikamenten beachten, insbesondere bei Verordnung von Antiepileptika.Quelle: S1-Leitlinie „Diagnostik und Therapie HIV-1-assoziierter neurologischer Erkrankungen“, AWMF-Register-Nr. 030/044, www.awmf.org
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