Frauen mit Dysmenorrhö ernst nehmen und an eine Endometriose denken

Schmerzkongress 2024 Birgit Maronde

In diesem Fall hat ein Endometrioseherd das Peritoneum befallen. U. a. können auch Darm, Haut oder Gehirn betroffen sein. In diesem Fall hat ein Endometrioseherd das Peritoneum befallen. U. a. können auch Darm, Haut oder Gehirn betroffen sein. © Science Photo Library/ Abeille, Dr. J.P.

„Stell dich nicht so an, Regelschmerzen haben doch alle.“ Allzu oft bekommen junge Frauen mit starker Dysmenorrhö diesen Spruch zu hören. Nicht selten steckt aber eine Endometriose hinter den Beschwerden. Sie kommt differenzialdiagnostisch u. a. in Betracht, wenn sich Analgetika in üblicher Dosierung als unwirksam erweisen.

Die Endometriose ist eine gutartige chronische Erkrankung, bei der sich Endometriumherde an den unterschiedlichsten Orten absetzen. Diese Lokalisationen reichen von Uterusmuskulatur, Tuben, Darm, Blase und Peritoneum bis zu Zwerchfell, Plexus phrenicus, Haut und sogar Gehirn. „Es gibt nichts, was es nicht gibt“, erklärte Dr. Ilca Wilhelm von der Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerzmedizin am Inselspital in Bern. 

Etwa jede zehnte Frau im Alter von 15–49 Jahren ist betroffen

Initial kommt es zyklisch zu Schmerzen, die häufig als normale Dysmenorrhö fehlgedeutet werden. Mit der Zeit entwickeln sich auch azyklische Beschwerden. Es gilt: je mehr Zyklen, desto mehr Probleme. Doch korreliert das Ausmaß der Endometriose nicht mit den Symptomen, betonte die Kollegin. Etwa jede zehnte Frau zwischen 15 und 49 Jahren leidet unter der Erkrankung – und es werden mehr. Dies liegt zum einen daran, dass verstärkt auf das Krankheitsbild geachtet wird. Zum anderen erleben Frauen bedingt durch eine früher einsetzende Menarche sowie wenige oder keine Schwangerschaften immer mehr Zyklen.

Derzeit braucht es im Schnitt sechs Jahre und fünf Therapierende, um eine Endometriose zu erkennen, berichtete Dr. Wilhelm. Dabei lässt sich eine normale von einer pathologischen Dysmenorrhö bereits anhand weniger klinischer Kriterien unterscheiden: 

  • Auf der Visuellen Analogskala (VAS) werden die Schmerzen bei normaler Dysmenorrhö mit < 5, die der pathologischen mit > 6 angegeben.
  • Benötigt eine Frau mit normalen Schmerzen Analgetika, reichen z. B. 2 x 400 mg Ibuprofen und/oder Butylscopolamin aus, um die VAS-Punktzahl auf 0–2 zu reduzieren. Bei pathologischer Dysmenorrhö braucht man immer Analgetika, die zudem hoch dosiert werden müssen (z. B. 2 x 800 mg Ibuprofen).
  • Vegetative Reaktionen wie Übelkeit, Erbrechen, Kollapsneigung und zyklische Diarrhö sprechen für pathologische Regelbeschwerden.
  • Schmerzhafte Abbruchblutungen bei Anwendung eines kombinierten oralen Kontrazeptivums deuten ebenfalls auf ein krankhaftes Geschehen hin.
  • Und schließlich: Viele Frauen mit nicht-normalen Regelschmerzen leiden schon im Vorfeld der Menstruation bis zu sieben Tage lang unter Unterbauchschmerzen.

Symptome der Endometriose

  • Dysmenorrhö: 95 %
  • chronisches Beckenschmerzsyndrom: 85 %
  • Dyspareunie: 64 %
  • chronische lumbale Rückenschmerzen: 60 %
  • Dysurie, Dyschezie: 44 %
  • Sterilität, Infertilität: 30–50 %

Bei Frauen mit pathologischer Dysmenorrhö besteht Endometrioseverdacht. Um ihn zu erhärten, folgen eine gezielte Anamnese, evtl. auch mittels Fragebogen, eine sorgfältige gynäkologische Untersuchung, Ultraschall und MRT. Allerdings schließt eine negative Bildgebung die Endometriose nicht aus. „Stellen Sie die Diagnose klinisch“, riet die Kollegin, und ergänzte: „Wir brauchen keine Laparoskopie.“ Sie warnte, dass es durch den Eingriff zu Adhäsionen kommen könne.

Basis der Endometriosetherapie ist die hormonelle Behandlung, da sie auch der weiteren Ausbreitung von Herden entgegenwirkt. Sie erfolgt zumeist mit oralen Gestagenen im Dauerzyklus, Drei-Monats-Spritze oder Hormonspirale, seltener mit einem kombinierten oralen Kontrazeptivum oder einem GnRH-Analogon. Multiple Operationen sind zu vermeiden. Eine Indikation zur Herdresektion kann bei Infertilität und Kinderwunsch bestehen. Dann sollte der Eingriff vor dem Absetzen der Hormontherapie erfolgen und ggf. eine Kinderwunschbehandlung eingeleitet werden. 

Emotionale und soziale Entwicklung in Gefahr

Die Endometriose manifestiert sich zumeist in der Adoleszenz, einer äußerst vulnerablen Phase, in der junge Frauen ihre Persönlichkeit ausbilden und ein Körpergefühl entwickeln. Sorgt dieser Körper aber jeden Monat für Schmerzen, können die Betroffenen nicht stolz darauf sein, eine Frau zu sein, sagte Dr. Wilhelm. Die monatlichen Beschwerden führen zu Ausfällen in Schule, Ausbildung und Beruf, erschweren das Abnabeln von den Eltern, die Akzeptanz in der Peergroup und das Erforschen von romantischen Beziehungen und Sexualität.

Die Schmerztherapie wird möglichst multimodal durchgeführt. Von den herkömmlichen Analgetika hat Paracetamol kaum einen Effekt, wirksamer sind NSAR (ggf. plus Magenschutz verordnen) und Metamizol. Butylscopolamin hat ebenfalls eine analgetische Wirkung. Opioide gelten als Reserve für den Notfall, z. B. wenn die Patientin „funktionieren“ muss. Der Verbrauch sollte natürlich gut kontrolliert werden. Bei neuropathischen Schmerzen durch Nerveninfiltration können Antidepressiva oder Antikonvulsiva weiterhelfen. Lokalanästhetika und Muskelrelaxanzien sind weitere Co-Analgetika.

Multimodale Therapie vom Beckenboden bis zum Essen

Zum Einsatz können auch Phytotherapeutika kommen, etwa Präparate gegen Blähungen, Mönchspfeffer bei jungen Mädchen zur Stabilisierung des Zyklus oder Capsaicinpflaster. Weitere Ansätze im multimodalen Konzept umfassen u. a. Beckenbodenphysiotherapie (dafür gibt es Expertinnen und Experten, die auch von vaginal aus arbeiten), Osteopathie, transkutane elektrische Nervenstimulation (mit vaginaler Sonde), Thermotherapie, Yoga, Akupressur, Ernährungsberatung, Psycho-, Sexual- und Sozialtherapie. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist essenziell, betonte Dr. Wilhelm abschließend. 

Quelle: Deutscher Schmerzkongress 2024

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


In diesem Fall hat ein Endometrioseherd das Peritoneum befallen. U. a. können auch Darm, Haut oder Gehirn betroffen sein. In diesem Fall hat ein Endometrioseherd das Peritoneum befallen. U. a. können auch Darm, Haut oder Gehirn betroffen sein. © Science Photo Library/ Abeille, Dr. J.P.