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Endometriose, die Anarchie der Schleimhaut

Schätzungen zufolge ist etwa jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter von Endometriose betroffen. Die Dunkelziffer ist hoch. Denn die damit assoziierten Beschwerden sind oft unspezifisch und können weit über das kleine Becken hinausgehen: Symptome wie bei einem Reizdarm oder einer Colitis ulcerosa, Migräne oder andere Arten von (chronischen) Schmerzen sind nur einige Beispiele. Und je länger die Erkrankung unerkannt bleibt, desto geringer werden die Chancen für eine langfristig erfolgreiche Therapie, warnt das Team um Professor Dr. Krina Zondervan vom Endometriosis Care and Research Centre am Nuffield Department of Women’s and Reproductive Health der University of Oxford.
Mittlerweile kennt man einige Faktoren, die das Risiko für eine Endometriose erhöhen, schreiben die Wissenschaftler. So seien etwa
- ein geringes Gewicht und eine geringe Körpergröße bei Geburt,
- eine frühe Menarche und ein geringer BMI im Jugendalter und
- kurze Menstruationszyklen, verstärkte Blutungen, Nulliparität und ein geringer BMI im Erwachsenenalter
mit der Erkrankung assoziiert. Auch genetische Aspekte spielen wohl eine Rolle: So konnten Forscher mehrere Mutationen entschlüsseln, die das Endometrioserisiko erhöhen.
Eindeutige Biomarker, mit denen man im Labor die Diagnose sichern könnte, existieren bisher nicht. Im Gegensatz zu anderen schweren Krankheitsbildern gibt es bisher auch keine Skalen, die verschiedene Faktoren miteinander kombinieren und sie gewichten. Ein solcher Score ließe möglicherweise früher als heute an die Diagnose denken.
Momentan wird diese in der Regel mittels Laparoskopie gestellt, vor allem dann, wenn oberflächliche Läsionen über das Peritoneum verstreut vorliegen – die häufigste Form der Endometriose. Die selteneren Endometriome, die sich als Ovarialzysten präsentieren, können erfahrene Untersucher schon in der transvaginalen Sonographie oder der MRT entdecken. Im Schnitt stellen sich Betroffene bei sieben Ärzten vor, bis die Diagnose steht.
Überproduktion von Östrogen(-Rezeptoren)
Wenn es dann an die Therapie gehen kann, muss man sie individuell an die jeweilige Patientin anpassen: Welche Symptome herrschen vor? Wie ausgedehnt ist die Erkrankung? Wie alt ist die Betroffene? Oft empfiehlt sich die Zusammenarbeit mehrerer Fachdisziplinen wie Allgemeinmedizin, Gynäkologie und Schmerzmedizin. Auch Physiotherapeuten und Psychologen können helfen – etwa mit Entspannungsübungen für den Beckenbereich oder mit Interventionen aus der Verhaltenstherapie.
Meist wird man die Behandlung mit hormonell wirksamen Medikamenten beginnen (siehe Tabelle), denn in den Endometrioseherden lässt sich meist eine Überproduktion von Östrogenen bzw. deren Rezeptoren und eine Hemmung von Progesteron nachweisen. Dazu kommen Analgetika (Paracetamol und nicht-steroidale Antiphlogistika), eventuell auch Anxiolytika und Antidepressiva. Wenn sich die Beschwerden darunter nicht ausreichend bessern und/oder die Nebenwirkungen den positiven Effekt überwiegen, sollte man an einen operativen Eingriff denken.
Medikamentöse Therapieoptionen bei Endometriose | |||
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Substanzklasse | Wirkung | Nebenwirkungen | Anmerkungen |
Antikonzeptiva (Mono- oder Kombipräparate) | Unterdrückung der Östrogenwirkung | typisches Nebenwirkungsspektrum oraler Antikonzeptiva („Pille“) |
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Gonadotropin-releasing-Hormon-(GnRH-)Agonisten (Goserelin) | ähnlich wie Wechseljahresbeschwerden, z.B. Osteoporose | ggf. begleitende, niedrig dosierte Hormonersatztherapie erwägen | |
Gonadotropin-releasing- Hormon-(GnRH-) Antagonisten (Elagolix) |
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Aromatase-Hemmer (off label) | hemmen Aromatase-Produktion in Endometrioseherden | vasomotorische Symptome, Osteoporose, Eierstockzysten, Mehrlingsschwangerschaft |
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Mehrere verschiedene Krankheiten statt nur eine?
Letztlich existiert bis jetzt kein Verfahren, das für alle Patientinnen passt, schreiben die Autoren. Bei einem erheblichen Teil der Betroffenen führen die zur Verfügung stehenden Therapieoptionen nicht zum gewünschten Erfolg. Vermutlich gibt es nicht die eine Erkrankung Endometriose, sondern mehrere Subtypen, spekulieren die Kollegen. Eine detailliertere Einteilung, auch auf molekularer Ebene, sei überfällig. Damit würde eine individuelle Therapie möglich – nicht nur der Endometriose selbst, sondern auch der Langzeitfolgen. Immerhin kehren nach heutigem Stand bei ungefähr jeder zweiten Behandelten innerhalb von fünf Jahren die Symptome wieder.Quelle: Zondervan KT et al. N Engl J Med 2020; 382: 1244-1256; DOI: 10.1056/NEJMra1810764
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