Gabapentinoide sind keine sanften Schmerzmittel

Dr. Susanne Meinrenken

Gabapentinoide sollten nur mit großer Vorsicht und vollumfänglicher Patientenaufklärung verschrieben werden. Gabapentinoide sollten nur mit großer Vorsicht und vollumfänglicher Patientenaufklärung verschrieben werden. © Dzmitry – stock.adobe.com

Wegen des vergleichsweise geringen Nebenwirkungsprofils werden Gabapentin und Pregabalin mitunter als „sanfte“ Analgetika verordnet. Doch die Substanzen haben es hinsichtlich ihres Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzials in sich.

Gabapentin und Pregabalin, die in Deutschland zugelassenen Gabapentinoide, werden zunehmend häufiger verordnet. Etwa in der Hälfte der Fälle geschieht dies off label. Die Präparate gelten für viele Ärzten als eher gut verträglich, vermeintlich sanft, und werden anderen Analgetika oft vorgezogen. Die in Studien zunehmend aufgezeigten Risiken der Gabapentinoide sollten den behandelnden Ärzten aber bekannt sein, warnen Dr. Roxane-Isabelle Kestner und Kollegen aus Frankfurt. 

Ursprünglich als Mimetika des Neurotransmitters GABA, der Gammaaminobuttersäure, entwickelt, binden die Gabapentinoide gar nicht an die GABA-Rezeptoren, sondern an bestimmte Untereinheiten präsynaptischer spannungsabhängiger Kalziumkanäle. Bei Aktivierung lösen diese Kanäle im zentralen und peripheren Nervensystem die Freisetzung verschiedener Neurotransmitter aus, die bei Schmerzen und Stressreaktionen von Bedeutung sind. Pregabalin oder Gabapentin wirken in diesem Zusammenhang hemmend, was wahrscheinlich der Grund für ihre anxiolytische, antikonvulsive und schmerzlindernden Effekte ist. Als anfallsverhindernde Medikamente spielen Gabapentinoide heute keine große Rolle mehr. 

Für generalisierte Angststörungen wird Pregabalin als zweite Wahl nach SSRI und SSNRI empfohlen. Die Hauptindikation beider Gabapentoide sind inzwischen neuropathische Schmerzen. Bei anderen Schmerzsyndromen werden sie häufig off label verordnet, trotz sehr geringer wissenschaftlicher Evidenz. Patienten mit chronischer Lumbago, Radikulopathien, HIV-Neuropathien und Zoster-Schmerzen sollten sie nicht verordnet werden, betonen die Autoren. Sinnvoll ist der Off-Label-Einsatz etwa beim Restless-Legs-Syndrom. Gabapentin kann zudem eine Spastik oder einen Nystagmus bei Multipler Sklerose lindern.

Vor und während der Therapie ist die Nierenfunktion zu prüfen, da beide Präparate renal ausgeschieden werden. Bezüglich der Resorption ist zu beachten, dass unterschiedliche Transportersysteme im Darm eine Rolle spielen. So kommt es, dass die Serumkonzentration von Pregabalin proportional zur Dosis steigt, die Bioverfügbarkeit des Gabapentins mit zunehmender Dosis aber sinkt.

Wird Gabapentin gleichzeitig mit Opioiden genutzt, steigt die Verfügbarkeit, da Opioide­ die Darmmotilität hemmen. Bei Komedikation sind daher schwere Nebenwirkungen möglich, etwa ein kardiogener Schock, das Mortalitätsrisiko steigt deutlich. Widerlegt ist die These vom opioidsparenden Effekt der Gabapentinoide.

Zu bedenken ist zudem das Missbrauchspotenzial. Vor allem Pregabalin zeigt einen ausgeprägten euphorisierenden Effekt und wirkt in sehr hohen Dosen angenehm entspannend. Dies spielt eine wichtige Rolle bei der Nutzung von Gabapentinoiden bei Konsumenten anderer Suchtmittel, z.B. Alkohol, Benzodiazepine oder Opioide. Risikofaktoren für einen Gabapentinoidmissbrauch sind zudem junges Alter, psychiatrische Komorbiditäten, eine Off-Label-Verordnung sowie eine schnelle Dosissteigerung. 

Bei Substanzabhängigkeit Gabapentinoide meiden

Das Verordnen von Gabapentinoiden bedarf größter Vorsicht, bei Substanzabhängigkeit sind die Substanzen komplett zu vermeiden, warnen die Experten. Auch ohne das Vorliegen von Risikofaktoren sollte man sehr aufmerksam sein. Bei begründetem Einsatz ist die umfassende Aufklärung der Patienten über die teilweise nicht erwiesene Wirksamkeit sowie eine zeitlich begrenzte Therapie bei langsamer Aufdosierung angeraten.

Quelle: Kestner RI et al. Hessisches Ärzteblatt 2024; 85: 16-20 

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Gabapentinoide sollten nur mit großer Vorsicht und vollumfänglicher Patientenaufklärung verschrieben werden. Gabapentinoide sollten nur mit großer Vorsicht und vollumfänglicher Patientenaufklärung verschrieben werden. © Dzmitry – stock.adobe.com