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Gabapentinoide: Nicht nur off label, sondern auch sinnlos
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Die Gabapentinoide Pregabalin und Gabapentin sind eigentlich Antikonvulsiva, haben sich aber darüber hinaus in der Behandlung des neuropathischen Schmerzes bewährt. In England und den USA hat die Zahl der Verordnungen stark zugenommen, möglicherweise weil die Substanzen als Alternative zu Opioiden eingesetzt werden, beispielsweise bei Rückenschmerz, Ischialgie oder Migräne. Das fällt nicht nur unter den Off-Label-Use, es macht auch keinen Sinn, wie Stephanie Mathieson vom Institut für muskuloskelettale Gesundheit in Sydney und Kollegen in ihrer Übersichtsarbeit zeigen.
Moderate Evidenz bei diabetischer Neuropathie
Den Einsatz von Gabapentinoiden bei Postzoster-Neuralgie oder der diabetischen peripheren Neuropathie rechtfertigt eine moderate Evidenz. Pregabalin in einer Dosis von 600 mg pro Tag hilft etwa vier von zehn behandelten Patienten, Gabapentin in einer Dosis von ≥ 1200 mg etwa drei von zehn. Allerdings muss die Therapie über mindestens sechs bis acht Wochen laufen, dann kann man bei Patienten, die ansprechen, eine mindestens 50%ige Schmerzreduktion erwarten. Andere Erstlinienpräparate bei neuropathischem Schmerz – trizyklische Antidepressiva und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI) wirken aber mit noch größerer Wahrscheinlichkeit, betonen die Autoren. Erzielen die Gabapentinoide keinen Erfolg, sollten sie nicht abrupt abgesetzt, sondern langsam ausgeschlichen werden.
Einer von zehn Patienten mit Fibromyalgie profitiert
Für Pregabalin gibt es auch Evidenz für einen schmerzlindernden Effekt bei Fibromyalgie. Studien zufolge erfährt einer von zehn Patienten mit moderater bis schwerer Fibromyalgie bei einer Therapie mit 300–600 mg Pregabalin über 12 bis 26 Wochen eine 30- bis 50-prozentige Schmerzreduktion. Die Datenlage für eine Wirksamkeit von Gabapentin in dieser Indikation ist unzureichend.
Benommenheit und Schwindel als Nebenwirkungen
Belege für eine Wirksamkeit der Gabapentinoide gegen Rückenschmerz, Ischialgie, Spinalstenose oder episodische Migräne gibt es nicht. Ebenso liegt für den Einsatz von Pregabalin bei akutem Schmerz, Neuropathie im Rahmen einer Infektion mit HIV, neuropathischem Krebsschmerz oder anderen Formen neuropathischer Schmerzen kaum Evidenz vor.
Wichtig vor der Behandlung mit Gabapentinoiden: die Patienten über die möglichen Nebenwirkungen aufklären. Schwindel und Benommenheit zählen zu den häufigsten Begleiterscheinungen, unter Gabapentin tritt auch häufiger eine Gangunsicherheit auf. Durch einen Über- und Fehlgebrauch der Substanzen kann es zudem zu einer Intoxikation mit Todesfolge kommen, wie Beispiele aus Australien zeigen. Eine Verschreibung gemeinsam mit Opioiden gilt es wegen des erhöhten Risikos einer Opioid-Überdosis zu vermeiden. Und es gibt ein indirektes Missbrauchspotenzial: Opioid-Nutzer wenden zusätzlich Gabapentinoide an, um euphorische Empfindungen zu stärken und Entzugssymptome zu mindern.
Quelle: Mathieson S et al. BMJ 2020; 369: m1315; DOI: 10.1136/bmj.m1315
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