Gefährliche Krampfadern – wie sich Ulzera bei Veneninsuffizienz verhindern lassen

Dr. Dorothea Ranft

Betroffene interpretieren varizenbedingte Ulzera häufig als schlecht heilende Wunden nach einer Verletzung. Betroffene interpretieren varizenbedingte Ulzera häufig als schlecht heilende Wunden nach einer Verletzung. © Science Photo Library

Schon seit der Schwangerschaft vor 25 Jahren hat eine 62-Jährige Varizen. In letzter Zeit quälen sie zunehmend Schmerzen und Schwellungen, zudem macht sich ein Ekzem breit – ein typischer Fall. Was ist zu tun?

Infolge der Venenklappeninsuffizienz kommt es bei Krampfadern zu einem bidirektionalen Blutfluss bzw. Reflux gegen die physiologische Stromrichtung. Während bei Gesunden mehr als 30 Sekunden vergehen, bis der Knöcheldruck im Stehen auf 90 mmHg ansteigt, kann dies bei einer chronisch-venösen Insuffizienz in weniger als drei Sekunden passieren. Der Knöcheldruck ist also viel länger erhöht, schreiben die Autoren um Eleanor R. Atkins, East Suffolk and North Essex NHS Foundation Trust in Colchester. Es besteht eine venöse Hypertonie. Ein besonders hohes Progressionsrisiko (Hautveränderungen, Ulzera) tragen Patienten über 55 Jahre, Übergewichtige, familiär Vorbelastete und Frauen.

Die vom Patienten geschilderten Symptome können oft unspezifisch klingen. Viele klagen über Schmerzen, Schwellungen, Juckreiz und schwere Beine. Kutane Veränderungen beschreiben die Betroffenen oft als Ausschlag bzw. dunkle oder helle Flecken. Manche sprechen von einer verdickten oder gespannten Haut, die sich holzartig anfühlt. Ulzera werden nicht selten als einfach schlecht heilende Wunden nach einer Stoß- oder Kratzverletzung verkannt und Thrombophlebitiden heißen im Patientenjargon „harte, bei Berührung schmerzhafte Knoten“.

Beide Beine von der Leiste bis zu den Zehen untersuchen

Zur besseren Abklärung empfehlen die britischen Kollegen vier Fragen:

  • Stören Ihre Venenbeschwerden bei täglichen Verrichtungen wie Arbeit, Einkaufen oder Hobbys?
  • Hatten Sie schon einmal ein schlecht heilendes Ulkus bzw. „Geschwür“ am Bein?
  • Haben Sie Symptome wie Gewichtsverlust oder rektale bzw. vaginale Blutungen bemerkt? (Red Flags – Das könnten Warnsignale für einen Tumor sein)
  • Wurden Sie schon einmal wegen Varizen oder Thromboembolien behandelt? (Einschränkung für künftige Therapien)

Präsentiert sich ein Patient mit Varizen, ist die Untersuchung beider Beine – von der Leiste bis zu den Zehen – obligatorisch. Einseitige Befunde können auf eine maligne Genese hinweisen. Entsprechend gehört abdominelle Palpation fest zum Programm. Krampfadern imponieren typischerweise als schmerzlose, weiche, komprimierbare Knoten unter einer unveränderten Haut. Sie entwickeln sich vorwiegend an der Innenseite von Ober- und Unterschenkeln in der Nähe der V. saphena magna.

Red Flags bei Varizen

  •  Gewichtsverlust
  • rektale oder vaginale ­Blutung
  • verändertes Stuhlverhalten
  • Harnwegssymptome
  • Schmerzen im Beckenbereich
  • Nachtschweiß

Zu den typischen Hautbefunden bei chronisch venöser Insuffizienz zählt das oft von starkem Juckreiz begleitete Stauungsekzem. Es kann sich großflächig oder in Form kleiner Plaques manifestieren. Auf heller Haut erscheint es eher rötlich, auf dunkler braun oder grau. Hämo­siderin-Ablagerungen imponieren als hyperpigmentierte Flecken, die Atrophie blanche als sternförmige depigmentierte Narbe. Im Falle einer Dermatoliposklerose verhärtet und verengt sich die Haut in der Knöchelregion, sodass der Unterschenkel manchmal wirkt wie eine umgedrehte Sektflasche. Venöse Ulzera bilden sich in der Regel im Gamaschenbereich oberhalb der Knöchel. Sie sind flach, schmerzlos und unregelmäßig begrenzt. Als chronisch gilt ein Geschwür, wenn es innerhalb von zwei Wochen nicht abheilt. Handelt es sich um eine asymptomatische Varikose, lässt sich die Entwicklung störender Hautveränderungen und Ulzera bereits mit einer konservativen Therapie verhindern: Beine hochlegen reduziert venösen Druck, Ödem und Schmerzen. Gehen aktiviert die Muskelpumpe und verbessert ebenso wie eine Gewichtsreduktion den venösen Abstrom. Kompressionsstrümpfe sorgen dafür, dass insuffiziente Venenklappen wieder schließen und aus den Kapillaren weniger Flüssigkeit ins Gewebe dringt. Wegen der besseren Verträglichkeit sollten möglichst Unterschenkelstrümpfe verordnet werden. Offene Strümpfe lassen sich leichter anziehen als geschlossene, können aber hochrutschen. Um die Adhärenz zu erhöhen, empfiehlt die deutsche Leitlinie*, die niedrigste wirksame Kompressionsklasse zu verordnen. Vor Beginn der „Drucktherapie“ ist eine relevante arterielle Komponente mittels Pulspalpation bzw. Knöchel-Arm-Index auszuschließen. Wichtige Hinweise liefert oft schon der Aspekt: Im Unterschied zu venösen Ulzera sind arterielle meist schmerzhaft, wirken wie ausgestanzt und haben oft einen nekrotischen Rand. Eine potenziell gefährliche Varizenkomplikation ist die akute Blutung. Sie lässt sich meist erfolgreich mit Druckverband und Hochlagern behandeln. Allerdings verlieren manche Patienten so viel Blut, dass sie eine Transfusion benötigen. Sicherheitshalber raten die Autoren, Betroffene nach Hämorrhagie zum Spezialisten zu überweisen – in schweren Fällen mit einer Dringlichkeit innerhalb von 14 Tagen.

Bei Hautveränderungen und Beschwerden zum Facharzt

Das britische National Institute for Health and Care Excellence (NICE) empfiehlt die fachärztliche Abklärung bereits, wenn eine Varikose Beschwerden verursacht (Schmerz, Schwellung, Juckreiz etc.). Indiziert ist diese auch bei Hautveränderungen, die auf eine chronisch venöse Insuffizienz hinweisen, sowie bei Ulzera (aktiv oder verheilt) und superfizieller Thrombose. Aufgabe des Spezialisten ist es dann, den Schweregrad der chronisch venösen Insuffizienz abzuschätzen und zu bewerten, ob der Patient für eine operative bzw. interventionelle Therapie infrage kommt.

* S2k-Leitlinie „Medizinische Kompressionstherapie der Extremitäten mit Medizinischem Kompressionsstrumpf (MKS), Phlebologischem Kompressionsverband (PKV) und Medizinischen adaptiven Kompressionssystemen (MAK)“; AWMF-Register-Nr. 037-005, www.awmf.org

Quelle: Atkins ER et al. BMJ 2020; 370: m2509; DOI: 10.1136/bmj.m2509

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