Gefahr aus der Luft

Dr. Sonja Kempinski

Die Autoren identifizierten neben den bisher bekannten RA-assoziierten Schadstoffen wie Asbest und Kohlenmonoxid auch neue Kandidaten. Beispiele waren Reinigungsmittel und Abgase von Benzinmotoren. Die Autoren identifizierten neben den bisher bekannten RA-assoziierten Schadstoffen wie Asbest und Kohlenmonoxid auch neue Kandidaten. Beispiele waren Reinigungsmittel und Abgase von Benzinmotoren. © Valentina – stock.adobe.com

Nicht nur Rauchen begünstigt die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis. Wer im Arbeitsleben bestimmten inhalierbaren Schadstoffen ausgesetzt ist, hat ebenfalls ein erhöhtes Risiko. Treffen beide Faktoren zu, steigt die Gefahr sogar um ein Vielfaches.

In der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis (RA) scheint die Atemwegsschleimhaut eine bedeutende Rolle zu spielen. So gibt es Hinweise, dass neben dem Rauchen auch Luftverschmutzung, Atemwegserkrankungen und die berufsbedingte Exposition gegenüber inhalierbaren Schadstoffen wie Quarzstaub, Asbest oder Textilstaub das RA- Risiko erhöhen. Nur wie stark?

Dr. Bowen Tang vom Karolinska Institut Stockholm und seine Kollegen gingen dieser Frage nach. Einen besonderen Fokus legten sie dabei auf die Zusammenhänge mit Rauchen und dem Vorliegen von RA-Risikogenen. Berechnet wurden die Auswirkungen anhand der Daten von 4.033 Schweden mit neu diagnostizierter RA und 6.485 gematchten Kontrollen. Die berufliche Exposition ermittelte man mithilfe von Fragebogen. Anhand von Blutproben bestimmten die Forscher ACPA* und Genotyp.

ACPA*-RA-Treiber aus der Luft (Auswahl)

  • Insektizide (OR 2,38)
  • Fungizide (OR 2,38)
  • Toluol (OR 2,24)
  • Asbest (OR 2,22)
  • Quarzstaub (OR 2,18)
  • Abgase von Benzinmotoren (OR 2,13)
  • Schweißrauche (OR 2,13)
  • Mineralfasern (OR 2,12)
  • Stein- und Zementstaub (OR 1,71)
  • polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (OR 1,71)
  • Benzpyren (OR 1,75)
  • Abgase von Dieselmotoren (OR 1,69)
  • Kohlenmonoxid (OR 1,67)
  • Detergenzien (OR 1,27)

Insgesamt kamen 47 inhalierbare Arbeitsstoffe infrage. In die statistische Auswertung einzelner Substanzen gingen nur diejenigen ein, denen mindestens 50 Personen ausgesetzt waren. Von diesen 32 Stoffen waren mehr als die Hälfte mit einem signifikant erhöhten Risiko für die Entwicklung einer ACPA-positiven RA verbunden (siehe Kasten). Die stärkste Assoziation wiesen Insektizide und Fungizide auf (Odds Ratio, OR, 2,1 für RA allgemein und 2,38 für ACPA-positive RA). Sowohl die Anzahl der Substanzen als auch die Expositionsdauer zeigten einen Dosis-Wirkungs-Effekt, schreiben die Wissenschaftler.

Bei Betroffenen, die bereits genetisch bedingt ein höheres Risiko für eine RA aufwiesen, erhöhte die berufliche Exposition von inhalierbaren Schadstoffen die Gefahr zusätzlich. Der attributive Anteil bei ACPA-positiver RA betrug für Benzinmotorabgase 0,52, für Asbest 0,44 und für Kohlenmonoxid 0,23. Personen, die rauchten, eine genetische Veranlagung aufwiesen und beruflich einem schädlichen Inhalationsstoff ausgesetzt waren, hatten ein um das 18-Fache erhöhtes Risiko für eine ACPA-positive RA im Vergleich zu den Kontrollen, auf die alle drei Faktoren nicht zutrafen.

Risiko wird auf verschiedenen Wegen erhöht

Die Studie bringt eine Reihe wichtiger Erkenntnisse, schreiben Dr. Vanessa Kronzer von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, und Dr. Jeffrey Sparks vom Brigham and Women’s Hospital in Boston in einem begleitenden Kommentar. Zum einen wies jeder berufsbedingt inhalierte Stoff ein einzigartiges Profil auf, was die Wechselwirkung mit Rauchen und genetischer Veranlagung betrifft. Dies lässt darauf schließen, dass das Risiko für die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis auf verschiedenen pathogenetischen Wegen erhöht wird. Zum anderen förderten einzelne inhalierbare Wirkstoffe nur die Entwicklung der ACPA-positiven RA. Dies stützt den Wissenschaftlern zufolge die Hypothese, dass die ACPA-positive RA im Vergleich zur ACPA-negativen eine eigenständige Erkrankung ist.

Die Daten decken sich mit der Annahme, dass eine RA schon lange vor ihrem Ausbruch gebahnt wird. Denn die Assoziationen verlaufen nicht linear, sondern U-förmig, wobei die stärksten Assoziationen etwa acht bis zehn Jahre vor dem Auftreten der Beschwerden zu erkennen sind.

Last but not least identifizierten die Studienautoren neben den bisher bekannten RA-assoziierten Schadstoffen wie Asbest und Kohlenmonoxid auch neue Kandidaten. Beispiele waren Reinigungsmittel und Abgase von Benzinmotoren.

Für die Kommentatoren liegen damit verschiedene konkrete Möglichkeiten zur Krankheitsprävention auf der Hand. Dazu gehören Rauchverzicht und Verringerung RA-begünstigender inhalierbarer Schadstoffe durch Arbeitsschutzmaßnahmen, aber auch Umweltschutzmaßnahmen zur Reduktion von Kohlenmonoxid und Benzinmotorabgasen. Am stärksten würden davon wohl Menschen mit genetischer Prädisposition profitieren. Da solche Informationen jedoch in der Regel nicht vorliegen, sollten alle Maß­nahmen auf globaler Basis durchgeführt werden.

*    Antikörper gegen anticitrullinierte Proteine

Quellen:
1.    Tang B et al. Ann Rheum Dis 2022; DOI: 10.1136/ard-2022-223134
2.    Kronzer VL, Sparks JA. Ann Rheum Dis 2022; DOI: 10.1136/ard-2022-223286

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Die Autoren identifizierten neben den bisher bekannten RA-assoziierten Schadstoffen wie Asbest und Kohlenmonoxid auch neue Kandidaten. Beispiele waren Reinigungsmittel und Abgase von Benzinmotoren. Die Autoren identifizierten neben den bisher bekannten RA-assoziierten Schadstoffen wie Asbest und Kohlenmonoxid auch neue Kandidaten. Beispiele waren Reinigungsmittel und Abgase von Benzinmotoren. © Valentina – stock.adobe.com