Gefahr durch Schimmel in der Wohnung deutlich überschätzt

Dr. Anja Braunwarth

Renovieren hilft bei verschimmelten Wänden oft nicht aus. Renovieren hilft bei verschimmelten Wänden oft nicht aus. © fotolia/RioPatuca Images

Hilfe, Schimmel in der Wohnung! Bei kaum einer anderen Umweltbelastung kochen die Ängste um die eigene Gesundheit ähnlich hoch. Ob diese tatsächlich berechtigt oder eher einer Hysterie geschuldet sind, beleuchtet die AWMF-Schimmelpilz-Leitlinie.

Epidemiologische Studien zeigen übereinstimmend einen Zusammenhang zwischen Feuchteschäden in Innenräumen und bestimmten Symptomen, vor allem Atemwegsbeschwerden, Reizungen von Augen, Nase und Rachen, verstopfter Nase, Giemen, Pfeifen, trockenem Husten und Müdigkeit, schreiben die Leitlinienautoren. Zwar ist es bislang nicht gelungen, Kausalität zu beweisen, doch bei einigen Krankheitsbildern hat man ausreichende Evidenz für eine Assoziation mit Schimmelpilzexposition. Zu diesen gehören:

  • Allergische Rhinitis: Die Betroffenen sind zu 2,7–19 % gegen Pilzallergene in Außenluft und Innenräumen sensibilisiert.
  • Allergisches Asthma bronchiale: Schimmelpilze in Innenräumen induzieren ein perenniales Krankheitsbild, Schimmelpilze, die in der Außenluft saisonal in hohen Konzentrationen vorkommen, ein saisonales.
  • Exogen allergische Alveolitis: Hier dominieren Pilze aus Räumen, die über Stäube und Aerosole (aus Luftbefeuchtern, Klimaanlagen, Federn u.a.) die Entzündung fördern.

Außerdem geht man davon aus, dass Atemwegsinfekte bzw. eine Bronchitis durch Schimmel begünstigt werden können.

Rheuma durch Schimmel gibt es nicht

Beim atopischen Ekzem vermutet man nur eine Assoziation zur Schimmelpilzexposition aufgrund der eingeschränkten Evidenzlage. Keinen Anhalt gibt es dafür, dass zwischen der Exposition und der Entwicklung von COPD, Rheuma, Arthritis, Sarkoidose oder Krebserkrankungen ein Zusammenhang besteht. Wie sehr ein Mensch durch Schimmel gefährdet ist, hängt stark von seiner Prädisposition, der individuellen Empfindlichkeit und dem Ausmaß der Exposition ab. Als „Risikopatienten“ gelten solche mit Immunsuppression, Mukoviszidose und Asthma bronchiale.

Dem Schimmelpilz in der Wohnung Paroli bieten

Das A und und O bei einer Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzen ist die Allergenkarzenz. Dies erfordert u.U. eine fachgerechte Bausanierung. Es gibt aber auch Maßnahmen, die der Betroffene selbst durchführen kann.
  • Drei- bis viermal täglich für 5–15 Minuten Stoßlüften und Heizen, um den Wohnbereich trocken zu halten. Die relative Luftfeuchte sollte < 65 %, die optimale Raumtemperatur bei ca. 20 °C liegen.
  • Nach dem Duschen oder Baden das Bad lüften, Dusch- und Badewanne abziehen und trocknen, Duschvorhänge regelmäßig waschen und trocknen lassen, feuchte Handtücher aus dem Badezimmer entfernen. Keine Teppiche im Bad!
  • Für gute Luftzirkulation zwischen Möbeln und Boden, Decke bzw. Wand sorgen. Auf 10 cm Abstand von der Außenwand 
achten.
  • Raus mit Luftbefeuchter, Zimmerspringbrunnen, Aquarium, Topfpflanzen und Schnittblumen.
  • Klimaanlagen und raumlufttechnische Anlagen regelmäßig warten lassen.
  • Kein Feuerholz in der Wohnung aufbewahren.
  • Räume staubarm halten.
  • Schlafzimmer wie bei Milbenallergie 
sanieren.
  • Keine feuchten Schuhe, Kleider oder Ledersachen in Schränken aufbewahren.
  • Abfalleimer, vor allem Kompost, häufig leeren und reinigen
  • Kleintierfutter und Einstreu trocken lagern
  • Vorsicht bei felltragenden Tieren: Vor allem langhaarige Hunde können Sporen in den Innenraum bringen. Geht der Hund gerne ins Wasser, können Pilze im Fell gedeihen.
Wie genau die Schimmelpilze schaden, ist nicht bekannt, bisherige Erkenntnisse deuten sowohl auf allergologische als auch nicht IgE-vermittelte immunmodulierende und toxische Mechanismen hin. Allerdings sind Schimmelpilze im Vergleich zu Gräsern oder Hausstaubmilben eher schwache Allergene, die selten monovalente Allergien verursachen. Für die Sensibilisierung ist wahrscheinlich die genetische Veranlagung wichtiger als die Pilzexposition in feuchten Wohnungen. Hat man einen entsprechenden Verdacht, steht zunächst eine gründliche Anamnese an. Sie soll nicht nur Symptome und Prädisposition (Atopie, vorhandene Sensibilisierung, Typ-1-Allergien in der Familie), sondern auch auf die Lebensumstände des Patienten erfassen. Es gibt keine spezifischen Zeichen, die sichere Rückschlüsse auf den Schimmel als Auslöser von Beschwerden zulassen, heißt es in der Leitlinie. Deshalb muss man so gründlich wie möglich die potenzielle Exposition abklären und möglichst auch eine Ortsbesichtigung durchführen. Folgende Fragen sind zu stellen:
  • Riecht es in der Wohnung/im Zimmer modrig oder muffig?
  • Gibt es Feuchteschäden, Wärmebrücken, Kondensatbildung, bauliche Mängel?
  • Wie ist der Umgang mit dem Müll bzw. der Biotonne?
  • Hat der Patient Zimmerpflanzen oder Haustiere?
  • Gibt es Asseln, Silberfischchen oder Staubläuse in der Wohnung? Dies würde auf erhöhte Feuchtigkeit hindeuten

Nicht jedes Testsystem ist wirklich sinnvoll

Die weitere Diagnostik folgt dann dem üblichen Stufenschema mit Hauttestungen, Bestimmung des allergenspezifischen IgE und Provokationen. Allerdings steht zur Tes­tung nur eine beschränkte Anzahl von Schimmelpilzallergenen zur Verfügung. Außerdem sind erhöhte IgE-Werte – eigentlich der wichtigste Marker – nicht gleichbedeutend mit einer manifesten Erkrankung. Bei Verdacht auf exogen allergische Alveolitis oder allergische bronchopulmonale Aspergillose kann zusätzlich die Messung spezifischer IgG-Antikörper weiterhelfen, die bei diesen beiden Manifestationen ansteigen. Von zellulären Testsystemen oder unkonventionellen Diagnosemethoden wie z.B. Bioresonanzverfahren oder zytotoxischen Blutuntersuchungen rät die Leitlinie ab.

MdAWMF-Registernr. 161/001 Schimmelpilz-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Renovieren hilft bei verschimmelten Wänden oft nicht aus. Renovieren hilft bei verschimmelten Wänden oft nicht aus. © fotolia/RioPatuca Images