Gestationsdiabetes erfordert langfristige Nachsorge

Dr. Angelika Bischoff

Das postpartale Screening stellt wichtige Weichen für die langfristige individuelle Nachsorge der betroffenen Frauen. Das postpartale Screening stellt wichtige Weichen für die langfristige individuelle Nachsorge der betroffenen Frauen. © iStock/Jovanmandic

Ein Schwangerschaftsdiabetes vervielfacht die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutter eine Typ-2-Erkrankung entwickelt. Dem Kind drohen bereits in utero Komplikationen, später besteht ein erhöhtes Risiko für Stoffwechselstörungen. Das Interesse betroffener Frauen am postpartalen Screening hält sich jedoch in Grenzen.

Der Gestationsdiabetes (GDM) stand viele Jahre allein mit dem Risiko der werdenden Mutter in Verbindung. Erst die 2008 publizierte HAPO-Studie1 (Hyperglycemia and Adverse Pregnancy Outcome) lieferte die Basis für die aktuellen IADPSG-Kriterien (International Association of the Diabetes and Pregnancy Study Groups), die sich am Risiko des Fötus orientieren.

Nach diesen Kriterien liegt ein GDM vor, wenn die Glukosewerte im venösen Blutplasma nüchtern 92 mg/dl, im oralen Glukosetoleranztest (oGTT) nach einer Stunde 180 mg/dl und nach zwei Stunden 153 mg/dl überschreiten, erklärte Dr. Norbert Demandt, Diabetologische Schwerpunktpraxis in Kiel. Gemessen wird zwischen der 24. und der 28. Schwangerschaftswoche.

Wie verschiedene Metaanalysen zeigen, weisen Frauen mit einem GDM ein um das 7- bis 10-Fache erhöhtes Risiko auf, später einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Gerade in den ersten drei bis sechs Jahren steigt die Inzidenz am stärks­ten. Verbunden damit ist auch ein erhöhtes Schlaganfall- und Herz­infarktrisiko.

Koronarien verkalken auch ohne manifesten Diabetes

Nun hat die CARDIA-Studie gezeigt, dass sich das Risiko für die Entwicklung von Koronarkalk in den 25 Jahren nach einem GDM fast verdoppelt – auch wenn sich in dieser Zeit kein Dia­betes manifes­tiert2. Der Nachweis von Koronarkalk gilt als Surrogatparameter für die Entwicklung einer KHK, so Dr. Heinke­ Adamczewski­, Diabetes­praxis Köln-Ost. Auch eine Metaanalyse kam zu dem Ergebnis, dass das KHK-Risiko nach einem GDM etwa verdoppelt ist – auch ohne manifesten Typ-2-Diabetes. Anhand der Ergebnisse wird klar, wie wichtig eine Diabetesprävention­ vor allem in den ersten Jahren nach einem GDM ist. In den DDG-Leitlinien wird empfohlen, etwa sechs bis zwölf Wochen nach der Geburt einen 75-g-oGTT durchzuführen.

Daten des GestDiab-Registers aus den Jahren 2013–2017 zeigen, dass etwa 60 % der Frauen nach einem GDM die Chance des postpartalen Diabetes-Screenings nicht wahrgenommen haben. Von den 35 %, die zum Screening gekommen sind, wiesen nur 58 % einen Normalbefund auf, 32 % eine gestörte Nüchternglukose, je 4 % eine gestörte Glukosetoleranz bzw. eine Kombination aus beidem und 2 % einen Diabetes.

Langes Stillen senkt das Erkrankungsrisiko deutlich

Zum postpartalen Screening gehören neben dem oGTT auch die Erfassung von HbA1c-Wert, Gewicht und Blutdruck sowie eine Anamnese vor allem hinsichtlich Stillen und Depressionen. Insgesamt stellt das Screening wichtige Weichen für die langfristige individuelle Nachsorge der betroffenen Frauen. Um ein effektiveres Versorgungsmodell zu entwickeln, läuft derzeit das GestDiNa-Basic-Projekt, das vom Innovationsfonds des G-BA gefördert wird.

Der manifeste Diabetes nach der Schwangerschaftsvariante ist für die Frau kein unausweichliches Schicksal. Stillen über mehr als drei Monate kann das Risiko in den folgenden 15 Jahren relativ um etwa 40 % und absolut um 30 % senken, erklärte Dr. Demanth. Dazu tragen Kurzzeiteffekte der Laktation wie Abnahme von Plasmaglukose und -insulin und eine verstärkte zelluläre Glukoseaufnahme bei. Zudem werden über Prolaktin auch Langzeiteffekte vermittelt wie eine Zunahme der pankreatischen Betazellmasse und der Erhalt der Betazellfunktion.

Durch Gabe von Metformin (off label) lässt sich das Diabetessrisiko nach einem GDM deutlich senken – besser als durch eine Lebensstilmodifikation. Beides sollte kombiniert werden, so der Expertenrat. Erfolg versprechend sind nach ersten Daten auch Liraglutid und Dapagliflozin.

Für den Fötus erhöht der GDM der Mutter nicht nur das Risiko für Komplikationen in utero. Das Kind entwickelt unter dem Einfluss vermehrter mütterlicher Glukose, Lipide und Entzündungsfaktoren ggf. auch eine fetale Hyperinsulinämie und Makrosomie. Außerdem kommt es zu epigenetischen Modifikationen des Energiemetabolismus, welche das Risiko für Diabetes und kardiovaskuläre Erkrankungen und Adipositas in seinem späteren Leben steigern – Letzteres scheint etwa um 50 % erhöht zu sein.

Aus Follow-up-Daten der HAPO-Studie geht hervor, dass die Ergebnisse des oralen Glukosetoleranztests der Kinder von GDM-Müttern im Alter von 10 bis 14 Jahren assoziiert sind mit denen der Mütter in der 28. Schwangerschaftswoche, unabhängig vom jeweiligen Body-Mass-Index und der familiären Diabetesbelastung. Auch bei den Kindern wird ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko beobachtet.

1. Ecker JL et al. N Eng J Med 2008; 358: 2061-2063; DOI: 10.1056/NEJMe0802623
2. Gunderson E et al. Circulation 2021; 143: 974-987; DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.120.047320

Quelle: Diabetes Kongress 2021 (Online-Veranstaltung)

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Das postpartale Screening stellt wichtige Weichen für die langfristige individuelle Nachsorge der betroffenen Frauen. Das postpartale Screening stellt wichtige Weichen für die langfristige individuelle Nachsorge der betroffenen Frauen. © iStock/Jovanmandic