GLP1-Rezeptoragonisten oder SGLT2-Hemmer?

Dr. Judith Lorenz

Auswahl des Antidiabetikums bei Herz-Kreislauf-Komplikationen: genauere Abgrenzung – leichtere Entscheidung. Auswahl des Antidiabetikums bei Herz-Kreislauf-Komplikationen: genauere Abgrenzung – leichtere Entscheidung. © picture cells – stock.adobe.com

Sowohl GLP1-Rezeptoragonisten als auch SGLT2-Hemmer schützen Menschen mit Typ-2-Diabetes wirksam vor Herz-Kreislauf-Komplikationen. Bei Hochrisikokonstellation sind SGLT2-Hemmer vermutlich den GLP1-Rezeptoragonisten überlegen, fand ein australisches Forscherteam heraus.

GLP1-Rezeptoragonisten und SGLT2-Hemmer haben die Therapie des Typ-2-Diabetes revolutioniert, berichtet Dr. Julian Sacre vom Baker Heart and Diabetes Institute in Melbourne: Gegenwärtig empfehlen die Leitlinien beide Antidiabetika-Wirkstoffklassen für Personen mit manifesten atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen oder Herzinsuffizienz bzw. hohem Risiko hierfür. Die SGLT2-Hemmer gelten laut Leitlinien dabei besonders im Hinblick auf die Hospitalisation aufgrund einer Herzinsuffizienz (HH) sowie im Hinblick auf das Voranschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz als protektiv. Menschen mit Typ-2-Diabetes weisen allerdings in der Regel eine komplexe Risikokonstellation auf, so der Forscher weiter.

Insbesondere ist es bei den Betroffenen oft schwierig, angesichts überlappender Risikofaktoren das Risiko für kardiovaskuläre Major-Ereignisse (MACE), also die Kombination aus Myokardinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärem Tod, vom Risiko für Herzinsuffizienz- und Niereninsuffizienz abzugrenzen. Beispielsweise können laut Leitlinien bei einem vorangegangenen Herzinfarkt sowohl GLP1-Rezeptoragonisten als auch SGLT2-Hemmer eingesetzt werden. Nimmt man bei dieser Vorbelastung ein höheres HH-Risiko an, spräche dies für eine Bevorzugung der SGLT2-Hemmer. Die starke Evidenz aus verschiedenen kardiovaskulären Outcome-Studien spricht dagegen für eine Bevorzugung der GLP1-Rezeptoragonisten.

MACE- und Herzinsuffizienz-Risiko abgrenzen

Nach Ansicht der Autor*innen sei es daher wünschenswert, das MACE- und das HH-Risiko genauer voneinander abgrenzen zu können. Wie gut dies mithilfe zweier spezifischer Risikoscores gelingt, prüften sie anhand einer Metaanalyse von Daten dreier placebokontrollierter kardiovaskulärer Outcome-Studien – SAVOR, DECLARE und EMPAREG. In allen Untersuchungen waren zwei verschiedene kardiovaskuläre Risikoscores erhoben worden: Der „TIMI(Thrombolysis in Myocardial Infarction)-Score for Secondary Prevention (TRS-2°P)“ sagt spezifisch das MACE-Risiko voraus, der „TIMI Risk Score for Heart Failure in Diabetes (TRS-HFDM)“ dagegen das HH-Risiko. 

In einem ersten Analyseschritt gingen die Forschenden der Frage nach, wie gut die beiden Scores Patientensubgruppen mit höherer relativer MACE- bzw. HH-Frequenz unterscheiden können. Anschließend berechneten sie anhand der gepoolten Inzidenzraten der Placeboarme sowie der bekannten Effektgrößen der beiden Wirkstoffklassen die Behandlungseffekte. Hierbei gingen sie davon aus, dass GLP1-Rezeptoragonisten das MACE- und das HH-Risiko um 14 bzw. 11 % und dass SGLT2-Hemmer das MACE- und das HH-Risiko um 10 bzw. 32 % senken. Die Auswertung des MACE-spezifischen TRS-2°P-Risikoscores ergab: Die HH-Inzidenzrate war in allen Risikokategorien niedriger als die MACE-Rate, nahm aber von 19 % in der Niedrig- auf 51 % in der Hochrisikokategorie zu. Ähnliches beobachteten die Forschenden bezüglich des HH-spezifischen TRS-HFDM: Die HH-Rate betrug bei den Personen mit niedrigem oder intermediärem HH-Risiko 18 % der MACE-Rate, bei den Personen mit dem höchstem HH-Risiko dagegen 61 %.

Bei hohem Herz-Kreislauf-Risiko haben SGLT2-Hemmer Vorteile

Die Simulation der Therapieeffekte zeigte: Bei Personen mit niedrigem oder mäßigem MACE- oder HH-Risiko schützten beide Wirkstoffklassen gleichermaßen vor kardiovaskulären Ereignissen. Mit zunehmend höherem Risiko waren dagegen die SGLT2-Hemmer den GLP1-Rezeptoragonisten überlegen.

Das Fazit der Forschenden: Mit steigendem kardiovaskulärem Risiko nimmt das HH-Risiko im Vergleich zum MACE-Risiko überproportional zu. Sie gehen daher davon aus, dass sowohl Patient*innen mit Diabetes und mit hohem MACE-Risiko als auch (aber nicht ausschließlich) mit hohem HH-Risiko von SGLT2-Hemmern profitieren, und fordern deshalb eine entsprechende Überprüfung der Leitlinienempfehlungen.    

Quelle: Sacre JW et al. Diabetes Care 2022 ; 45(8): 1900–1906. doi: 10.2337/dc21-1929 

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