Hauterkrankung durch Medikamente oder Malignome

Dr. Elke Ruchalla

Das Sweet-Syndrom ist kein Zuckerschlecken. (Agenturfoto) Das Sweet-Syndrom ist kein Zuckerschlecken. (Agenturfoto) © Monstar Studio – stock.adobe.com

Bei Patienten in sonst gutem Allgemeinzustand mit Fieber und allgemeiner Abgeschlagenheit liegt die Verdachtsdiagnose „grippaler Infekt“ nahe. Zusätzliche Miktionsbeschwerden könnten für einen Harnwegsinfekt sprechen. Mitunter verbirgt sich dahinter aber auch etwas ganz anderes.

Eine 76-Jährige kommt mit dem Verdacht „Pyelonephritis“ in die Notfallambulanz. Die Symptome passen eigentlich: Fieber bis 38 °C am Abend, deutliche Müdigkeit seit drei Tagen, häufiges und schmerzhaftes Wasserlassen. Die Diensthabenden schließen daraus zunächst mal „nur“ auf einen Harnwegsinfekt und behandeln empirisch mit Ceftriaxon. Am nächsten Tag soll die Patientin wiederkommen.

Nur geht es ihr am nächsten Morgen nicht wesentlich besser. Das Fieber klettert zwischenzeitlich sogar auf 39 °C und sie muss immer noch häufig Wasser lassen, schreiben Dr. Nadia Schneider und Dr. Basil­ Caduff vom Stadtspital Waid in Zürich. Allerdings klagt sie nun auch über ein Exanthem auf den Handflächen, das seit einigen Tagen besteht, zwar nicht juckt, aber doch etwas schmerzt und immer größer wird.

Bei der Anamnese gibt sie eine Hypertonie und ein paroxysmales Vorhofflimmern an. Dazu kommt eine Polymyalgia rheumatica, die sich mit Steroiden eigentlich ganz gut kontrollieren lässt. Jedoch hat die Dame aus Angst vor Langzeitfolgen, das Prednison auf 5 mg/d reduziert – ohne Info an ihren Hausarzt. Die Beschwerden der Polymyalgia – symmetrische Schmerzen im Nacken und Schultergürtel – haben unter diesem Vorgehen wieder zugenommen, sodass sich die Kollegen entschließen, die Patientin stationär aufzunehmen.

Eigentlich befindet sich die Frau in einem guten Allgemeinzustand. Die Haut zeigt sich allerdings gründlich verändert: multiple, makulopapulöse, rötlich-violette und asymmetrisch verteilte Läsionen an den Handflächen, die auf Druck schmerzhaft sind. Hinzu kommen ähnliche, leicht schuppende Veränderungen an den Streckseiten der Oberarme, den Ellenbogen und den Außenseiten der Oberschenkel.

In den nächsten Tagen bessert sich der Zustand trotz Antibiose kaum. Das Labor kann nur allgemeine Entzündungszeichen nachweisen. Neutrophile, C-reaktives Protein und Blutsenkungsgeschwindigkeit sind alle erhöht, sodass sich die Ärzte für eine Biopsie entscheiden. Den Histopathologen zeigt sich folgendes Bild: perivaskuläre, teils neutrophile Entzündungszellinfiltrate in der oberflächlichen Dermis, passend zu einem Sweet-Syndrom.

Drei so gar nicht süße Varianten

Bei der Erkrankung, benannt nach ihrem Erstbeschreiber Robert Sweet, unterscheidet man drei Formen:

  • klassisch, oft ein bis drei Wochen nach einem viralen Infekt der Atemwege oder des Gastrointes­tinaltrakts oder in der Schwangerschaft
  • medikamentös bedingt
  • malignombedingt

„Sweet COVID“

Im März 2022 erschien eine erste Kasuistik, bei der das Sweet-Syndrom höchstwahrscheinlich im Zusammenhang mit COVID-19 aufgetreten war. Die 61-jährige Patientin zeigte Erytheme, Ulzera in der Mundhöhle und Knoten an der Wange. Dazu kamen systemische Symptome wie Fieber, Müdigkeit und Myalgien. Die Biopsie ergab die typischen Zeichen des Sweet-Syndroms. Zwar war ein erster Schnelltest auf das Virus negativ gewesen, die PCR wies den Erreger aber sicher nach. Die da­raufhin durchgeführte PET-CT zeigte diffuse bilaterale Infiltrate in beiden Lungen.

Im Fall der 76-Jährigen tippen die Ärzte auf ein klassisches, mit der Polymyalgie assoziiertes Sweet-Syndrom, das seinen Ausbruch wohl der Steroidreduktion in den letzten Wochen verdankt. Hinweise auf ein Malignom oder ursächliche Infekte gibt es nicht.

Die Prednisontherapie wird wieder hochgefahren (1 mg/kgKG): Darunter gehen sowohl Fieber, Schulter- und Nackenschmerzen als auch die Hautläsionen zurück. Die Patientin kann mit einem Prednison-Reduktionsschema im Gepäck das Spital verlassen. Die Zieldosis wurde so angesetzt, dass die Polymyalgie unter Kontrolle ist, ohne dass erneute Sweet-Beschwerden auftreten.

Grundsätzlich gelten Kortikosteroide als Mittel der Wahl, ähnlich wie Colchicin oder Kaliumjodid. Dapson, Indometacin und Ciclosporin A sind erst in zweiter Linie gefragt. Wenn alles nicht hilft, kann man einen TNF-α-Blocker versuchen.

Um ein Sweet-Syndrom zu diagnostizieren, müssen akut schmerzhafte erythematöse Plaques oder Knoten auftreten, bei denen histologisch vor allem neutrophile Infiltrate ohne leukozytoklastische Vaskulitiden vorliegen. Zudem sollten mindestens zwei der vier Nebenkriterien erfüllt sein: (1) Fieber über 38 °C, (2) Malignom (v.a. hämatologisch oder viszeral), entzündliche Erkrankung, Schwangerschaft, Infekt der oberen Atemwege oder des Magen-Darm-Trakts (selten HIV oder Tuberkulose); (3) das Labor kann erhöhte Entzündungsparameter (Leukozytose, hohe BSG) zeigen und (4) die Erkrankung spricht gut auf Steroide, nicht aber auf Antibiotika an.

Differenzialdiagnostisch kommen verschiedene Dermatosen mit ähnlichem Hautbefund infrage, wie Erythema nodosum als Hypersensitivitätsreaktion vom Typ III, kutane Sarkoidose, Lupus oder auch Lymphome. Allerdings verlaufen diese meist afebril. Ein familiäres Mittelmeerfieber lässt sich meist durch die typische Anamnese und die Poly­serositis ausschließen.

Quelle: Schneider N, Caduff B. Swiss Med Forum 2022; DOI: 10.4414/SMF.2021.10051

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Das Sweet-Syndrom ist kein Zuckerschlecken. (Agenturfoto) Das Sweet-Syndrom ist kein Zuckerschlecken. (Agenturfoto) © Monstar Studio – stock.adobe.com