Heilung trotz Metastasen

Dr. Dorothea Ranft

Mit der neoadjuvante Behandlung können etwa 30 % der Patienten geheilt werden. Mit der neoadjuvante Behandlung können etwa 30 % der Patienten geheilt werden. © iStock/peterschreiber.media

Die Prognose des kolorektalen Karzinoms hat sich wesentlich verbessert. Selbst bei Patienten mit Metastasen besteht heute oft noch eine realistische Heilungschance – vorausgesetzt, sie erhalten die passende Therapie.

Frühe kolorektale Karzinome der Kategorie T1 können mittels Polypektomie oder Submukosaresektion behandelt werden, sofern kein erhöhtes onkologisches Risiko besteht. Wenn sich die Polypenbasis histologisch als tumorfrei erweist, darf bei gering gefährdeten Patienten auf eine Nachresektion verzichtet werden. Anders sieht es in der High-Risk-Situation aus: Dann wird diese Maßnahme auch nach vollständiger Entfernung des T1-Tumors empfohlen.

Beim lokal fortgeschrittenen Karzinom hängt die Langzeitprognose entscheidend von der Qualität der chirurgischen Behandlung ab. Dies gilt insbesondere für die kurativ intendierte Primärtherapie bei lokal begrenztem Malignom, betonen Prof. Dr. Thomas­ Kraus­ vom Darmzentrum am Krankenhaus Nordwest, Frankfurt, und Kollegen. Das Ziel ist eine vollständige Entfernung des Primärtumors und der regionalen Lymphknoten.

Verletzte Grenzschicht begünstigt Dissemination

Erreicht wird dieses durch eine Segmentresektion mit ausreichendem longitudinalem Sicherheitsabstand und in Kombination mit einer zentralen Lymphknotendissektion. Dieses Vorgehen ermöglicht eine Heilung auch bei lokal begrenzter nodulärer Metastasierung. Außerdem dient die genaue Erfassung des N-Status als Indikationsbasis für adjuvante Therapien.

Onkologisch-chirurgisch fordert man heute eine schichtgerechte Präparation entlang der embryonalen Grenzzonen. Unvollständige Resektionen der regionalen Mesenterien und Verletzungen der Grenzschichten begünstigen eine Dissemination der Tumorzellen. Die Bedeutung dieser Strategie wurde zunächst für die totale Mesorektum-Exzision (TME) gezeigt: Am Enddarm ermöglicht die Ausräumung des perirektalen Mesofettkörpers entlang der Hüllfaszie eine Senkung der Lokalrezidivrate auf unter 10 % bei verbessertem Langzeitüberleben. Beim Kolonkarzinom hat sich die komplette mesokolische Exzision (CME) etabliert. Sie beruht auf einer exakten Präparation zwischen mesokolischer und parietaler Faszie bei zentraler Durchtrennung der tumorversorgenden Arterien.

Auch onkologisch konsequente Resektionen lassen sich heute in vielen Fällen laparoskopisch durchführen. Die minimal-invasive Technik ist in erfahrenen Händen sicher und erzielt ebenso gute Resultate wie die offene Operation. Eine Verbesserung der Ergebnisse gegenüber dem konventionellen Eingriff konnte aber bisher nicht belegt werden.

Bei kurativer Zielsetzung ist die chirurgische Entfernung des Tumors nach wie vor unverzichtbar. Das Stadium spielt dabei keine Rolle. Kolonkarzinome werden i.d.R. primär reseziert, eine neoadjuvante Vorbehandlung ist unabhängig vom T- und N-Status nicht angezeigt. Diese Regel gilt auch für sämtliche Rektumkarzinome im oberen Drittel.

Patienten mit lokal fortgeschrittenem Malignom im unteren und mittleren Drittel des Enddarms sollten dagegen eine neoadjuvante Radiochemotherapie (RCT) erhalten – mit dem Ziel einer Tumorverkleinerung (Downsizing). Die Resektion entlang der mesorektalen Faszie kann die Sicherheit der Resektion erhöhen (Downgrading). Bei sehr distaler Lokalisation verbessert die Volumenreduktion die Chance für einen Sphinktererhalt (unabhängig vom Stadium).

Eine adjuvante Therapie kommt bei Kolonkarzinomen im UICC-Stadium II mit lokal fortgeschrittenem, aber nodal-negativem Tumor nur in Betracht, wenn besondere Risikofaktoren vorliegen. Dazu gehören ein großer Tumor (T4), eine geringe Zahl entfernter Lymphknoten (< 12) sowie Tumorperforation und Notfall-Operation.

Im Stadium III (regionale Lymphknotenmetastasen) wird die adjuvante Chemotherapie dagegen klar empfohlen. Als Standard gilt die Kombination von Oxaliplatin und 5-Fluoruracil, die allerdings mit einer gewissen Neurotoxizität belastet ist (15 % nach vier Jahren). Bei Patienten über 70 Jahre wird von Oxaliplatin eher abgeraten.

Abwarten beim tiefen Rektumkarzinom?

Etwa 10–20 % der Patienten mit lokal fortgeschrittenem Rektumkarzinom (Stadium T3/4/R-/+) erreichen mit einer neoadjuvanten Standard-Radiochemotherapie (RCT) eine pathohistologische Komplettremission. In ausgewählten Fällen kann man also möglicherweise auf die kontinenzgefährdende radikale Rektumresektion bzw. Exstirpation zunächst verzichten. Die Watch-and-Wait-Strategie setzt allerdings eine engmaschige Nachbeobachtung und die Möglichkeit einer raschen Salvage-Rektum-Resektion voraus. Die Datenlage scheint günstig zu sein: Nach Standard-RCT entwickelt sich bei 20–30 % der Patienten innerhalb von zwei Jahren ein Lokalrezidiv. In 90 % dieser Fälle zeigen die bei den Kontrollen detektierten Tumoren nur ein intraluminales Wachstum. Die meisten dieser Patienten können mit kurativer Zielsetzung operiert werden.

FOLFOX oder FOLFIRI als Grundlage der Behandlung

Im Stadium IV (Fernmetastasen) ist meist nur noch eine palliative Behandlung möglich. Im Vordergrund steht die Verlängerung der Lebenszeit bei erhaltener Lebensqualität. Die molekularbiologische Charakterisierung des Tumors ermöglicht immer häufiger eine zielgerichtete Behandlung. Als Basis der Erst­linientherapie wird eine Kombination von 5-FU und Folinsäure mit Oxaliplatin oder Irinotecan (­FOLFOX bzw. FOLFIRI­) empfohlen. Allerdings sollte bei der Wahl der Behandlung auch der RAS-, BRAF- und MSI-Status des Patienten berücksichtigt werden. Etwa die Hälfte aller kolorektalen Karzinome weist eine Mutation in einem der RAS-Gene (KRAS, NRAS) auf. Antikörper gegen den EGF-Rezeptor sind in diesen Fällen nicht wirksam. Stattdessen sollten die Patienten den VEGF-Antikörper Bevacizumab erhalten. Patienten mit Mikrosatelliteninstabilität (MSI) können von dem Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab profitieren. Eine Mutation im BRAF-Gen ist mit einer schlechten Prognose verbunden, das mediane Überleben liegt bei unter einem Jahr. Bei Patienten mit RAS-Wildtyp und Primärtumor im linken Hemikolon verlängert die Behandlung mit einem EGFR-Antikörper die Lebenszeit deutlich. Wenn sich der Tumor im rechtsseitigen Kolon befindet, ist kein diesbezüglicher Effekt zu erwarten. Die Betroffenen können aber von Bevacizumab profitieren. Bei Patienten mit reduziertem Allgemeinzustand oder relevanten Komorbiditäten ist eventuell eine 5-Fluoruracil-Monotherapie möglich, gegebenenfalls in Kombination mit einem Antikörper. Selbst bei Oligometastasierung ist heute eine Heilung möglich. Definiert wird dieses Stadium durch das Vorliegen von maximal fünf Filiae und einen Befall von nicht mehr als drei Organen. Im primären Fokus stehen dabei Absiedelungen in der Leber, die sich operativ oder radiologisch interventionell entfernen lassen. Zusätzlich zu lokalen Verfahren kann eine Chemo- bzw. Immuntherapie eingesetzt werden. Die neoadjuvante Behandlung soll Mikrometastasen abtöten und nicht primär resezierbare Läsionen verkleinern. Mit diesem interdisziplinären Vorgehen können etwa 30 % der Patienten geheilt werden. Allerdings werden derzeit noch viele von ihnen aus Unkenntnis rein palliativ behandelt. Damit sich dies ändert, empfehlen die Autoren, Patienten mit Oligometastasierung in einem Spezialzentrum vorzustellen.

Quelle: Kraus TW et al. ­Hessisches Ärzteblatt 2021; 82: 606-615 © Deutscher Ärzteverlag, Köln

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Mit der neoadjuvante Behandlung können etwa 30 % der Patienten geheilt werden. Mit der neoadjuvante Behandlung können etwa 30 % der Patienten geheilt werden. © iStock/peterschreiber.media