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Herzrythmusstörung laut Smartwatch: Wann ist eine Behandlung nötig?

Die Abklärung des Zufallsbefunds Arrhythmie beruht primär auf der klinischen Untersuchung und EKG-Dokumentation, schreiben Dr. Nicolas Schaerli und Professor Dr. Michael Kühne von der Klinik für Kardiologie am Universitätsspital Basel. Der Puls wird am besten an der Arteria radialis getastet – bei Unregelmäßigkeiten mindestens 30 Sekunden lang. Ein Blick auf die Thoraxbewegungen verrät deren Einfluss auf die Atmung. Als Nächstes gilt es, zwischen einem komplett arrhythmischen Puls wie beim Vorhofflimmern und einer gewissen Regelmäßigkeit (z.B. beim AV-Block 2. Grades Typ Wenckebach) zu differenzieren. Die getastete Störung sollte man mit einem 12-Kanal-EKG dokumentieren. Falls dies damit nicht gelingt, kann ein Langzeit-EKG weiterhelfen.
Jeder Dritte merkt nichts von seinem Vorhofflimmern
Patienten mit bradykarden Veränderungen lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen: Junge Sportler mit einer physiologischen, vagal bedingten respiratorischen Arrhythmie (Frequenzzunahme bei Inspiration) und ältere Menschen mit gestörter Reizleitung bzw. Erregungsbildung.
Bei einem AV-Block 2. Grades Typ Wenckebach verlängert sich die PQ-Zeit von Schlag zu Schlag, bis das Herz die Vorhoferregung nicht mehr auf die Kammern überleitet. Der resultierende unregelmäßige Puls kann intermittierend (wenige Zyklen) oder dauerhaft bestehen. Beschwerdefreie Patienten brauchen meist keine Therapie. Im Fall von unklarem Schwindel oder (Prä-)Synkopen empfiehlt es sich, eine Korrelation mit der Arrhythmie im Langzeit-EKG auszuschließen. Menschen mit verbreitertem QRS-Komplex sollte ein Schrittmacher angeboten werden, weil eine Progression zum kompletten AV-Block droht. Liegt ein AV-Block II Typ Mobitz oder ein AV-Block III vor, rät die europäische Leitlinie ebenfalls zur Implantation.
Die wichtigste Tachyarrhythmie ist das Vorhofflimmern, von dem Schätzungen zufolge jeder Dritte nichts merkt. Wegen des im Alter erhöhten Schlaganfallrisikos plädieren die Autoren dafür, über 65-Jährigen bei jeder Konsultation den Puls zu palpieren. Das EKG bestätigt die Diagnose (absolute Arrhythmie, keine klaren P-Wellen). Ein CHA2DS2-VASc-Score* über 1 (ohne den Punkt für das weibliche Geschlecht) stellt die Indikation für eine orale Antikoagulation dar; im höheren Alter kommt diese schon mit einem Punkt in Betracht.
Findet sich ein asymptomatisches, aber in Ruhe tachykardes Vorhofflimmern, sollte man die Frequenzkontrolle im Langzeit-EKG prüfen. Die Echokardiographie ermöglicht Aussagen über Pumpfunktion, Klappenvitien und Vorhofgröße. Patienten mit fraglichen Symptomen (z.B. Leistungsabfall) nützt eventuell die elektrische Kardioversion. Wenn sich die Beschwerden daraufhin bessern, kommt eine Rhythmuskontrolle (medikamentös oder interventionell) in Betracht. Bei Senioren mit asymptomatischem Flimmern ist eine Therapie zur Aufrechterhaltung des Sinusrhythmus der Frequenzkontrolle meist nicht überlegen – es sei denn, die Arrhythmie hat eine Herzinsuffizienz ausgelöst.
Extrasystolen erhöhen das Risiko für einen Schlaganfall
Auch eine weitere Tachyarrhythmie, das Vorhofflattern, tritt mitunter als Zufallsbefund auf. Es lässt sich palpatorisch eventuell nur schwer vom Sinusrhythmus unterscheiden. Das EKG zeigt eine schnelle Vorhofaktivität (250–300/min), aber nur jede zweite bis vierte Erregung wird auf die Kammer übergeleitet. Ein fixes Verhältnis zwischen Vorhof- und Ventrikelaktivität führt zu einem regelmäßigen Rhythmus, ein variables zum unregelmäßigen. Die Therapie entspricht der des Vorhofflimmerns.
Ein häufiger Grund für einen arrhythmischen Puls sind Extrasystolen. Das EKG zeigt zu früh auftretende Herzschläge, supraventrikuläre mit schmalem Kammerkomplex, ventrikuläre mit breitem. Häufige supraventrikuläre Extraschläge gehen mit einem erhöhten Risiko für Vorhofflimmern und Schlaganfall einher.
In mitgebrachten Kurven die krankheitsrelevanten suchen
Dennoch empfehlen Experten die weitere Abklärung und Therapie zufällig entdeckter supraventrikulärer Extrasystolen nicht. Falls sich diese nach einem zerebralen Insult häufen, sollte man mittels Langzeitmonitoring nach einem bisher nicht bekannten Vorhofflimmern fahnden.
Häufige ventrikuläre Extrasystolen machen die Suche nach einem kardialen Grundleiden, z.B. einer KHK, erforderlich. Zur Quantifizierung eignet sich ein Langzeit-EKG. Wenn der Anteil der Extrasystolen 20–25 % überschreitet, kommt bei gleichzeitig reduzierter linksventrikulärer Funktion eine elektrophysiologische Untersuchung mit Ablation in Betracht. Amiodaron kann die Extrasystolie zumindest teilweise supprimieren, wird aber wegen seiner Nebenwirkungen nicht mehr als Dauertherapie empfohlen. Betablocker und Kalziumantagonisten lindern meist nur die Symptome und sind deshalb für beschwerdefreie Patienten nutzlos.
Was die Selbstbefunde aus den Wearables, also Smartwatches etc., angeht, halten die Autoren es für besonders wichtig, gerade jungen gesunden Menschen zu vermitteln, dass die meisten asymptomatischen Arrhythmien für sie keine Bedrohung darstellen. Andererseits gilt es für Ärzte, aus dem Wust der mitgebrachten Kurven die krankheitsrelevanten zu ermitteln, um ggfs. weitere Schritte einleiten zu können. Eventuell braucht man in absehbarer Zukunft ausgewiesene „Wearables-Kliniken“, die Infos über Online-Portale erhalten und sie vielleicht über Algorithmen mit künstlicher Intelligenz direkt auswerten.
* berücksichtigt Herzinsuffizienz, Alter, Diabetes, Gefäßerkrankungen (z.B. PAVK), Hypertonie, Schlaganfälle/TIA und das Geschlecht
Quelle: Schaerli N, Kühne M. Ther Umsch 2020; 77: 385-389; DOI: 10.1024/0040-5930/a001208
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