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Evidenz reicht (noch) nicht aus

Dr. Michiel Van der Heijden, Netherlands Cancer Institute, Amsterdam, machte zu Beginn seines Vortrags auf ein Problem aufmerksam: In vielen Studien zum muskelinvasiven Urothelkarzinom (MIBC) würde das krankheitsfreie Überleben (DFS) und nicht das Gesamtüberleben als primärer Endpunkt dienen – daher fehlen auch bisher OS-Daten zur adjuvanten Immuntherapie in dieser Indikation. In diesem Zusammenhang präsentierte der Referent die Ergebnisse der CheckMate-274-Studie. Darin führte die adjuvante Behandlung mit Nivolumab nach Resektion eines Hochrisiko-MIBC gegenüber
Placebo zu einem verlängerten DFS sowohl bei Erkrankten mit PD-L1-Expression ≥ 1 % als auch in der Intention-to-Treat(ITT)-Population.
Der Referent differenzierte: „Für die PD-L1-positiven Patient:innen zeigte die Studie eine überzeugende Hazard Ratio von 0,55 und damit einen ESMO Evidence Score Grad A.“ Nach einem Jahr lebten mit adjuvantem Nivolumab rund 22 % mehr Personen krankheitsfrei als in der Placebo-Gruppe. Ein deutlicher Vorteil für den Checkpoint-Inhibitor ergab sich auch nach neoadjuvanter Cisplatin-Therapie. Für diese Betroffenen stünden außerdem keine anderen Optionen mehr zur Verfügung, um ihre Prognose zu verbessern, gab Prof. Van der Heijden zu bedenken.
Bezüglich der ITT-Population stelle sich die Frage, ob die beobachtete HR von 0,70 nur durch die PD- L1-positive Subgruppe getrieben sei. Bei PD-L1-negativen und noch nicht mit einer neoadjuvanten Chemotherapie behandelten Patient:innen sei die Wahrscheinlichkeit gering, dass sie von der Immuntherapie profitierten. Hier müsse man die Ergebnisse zum OS abwarten. Außerdem könnten diese Erkrankten eine adjuvante Chemotherapie mit Cisplatin erhalten.
Bisher sind keine Überlebensdaten verfügbar
Prof. Dr. Thomas Powles, Barts Cancer Center, London, vertrat die Auffassung, dass die vorliegenden Studiendaten zur adjuvanten Immuntherapie beim Urothelkarzinom nicht aussagekräftig genug seien. „Wir haben keine Überlebensdaten zur adjuvanten Behandlung mit Nivolumab. Die DFS-Kurven in CheckMate 274 sehen gut aus, aber die Nachbeobachtung beträgt nur drei Jahre und damit sind die Daten noch unreif.“ Außerdem wisse man, dass Checkpoint-Inhibitoren Schaden anrichten können: 10 %
der Behandelten erleiden lebensverändernde Toxizitäten, so der Referent.
Er wies außerdem darauf hin, dass die Therapie mit dem PD-L1-Inhibitor Atezolizumab in der IMvigor010-Studie beim Hochrisiko-MIBC keine Verbesserung des DFS gegenüber Beobachtung erzielten konnte. Es bestünden damit noch viele Unsicherheiten, auch was die Rolle von PD-L1 als Biomarker betrifft. Während die PD-L1-Expression auf Tumorzellen in CheckMate-274 ein Biomarker für das Ansprechen auf Nivolumab war, konnte dies in IMvigor010 nicht gezeigt werden.
Die laufende IMvigor011-Studie, in der eine adjuvantes Atezolizumab bei Patient:innen mit Hochrisiko- MIBC untersucht wird, nutzt zirkulierende Tumor-DNA als Biomarker. Diesem gehöre beim Urothelkarzinom eher die Zukunft als PD-L1, meinte Prof. Powles.
Quellen:
1. 37. Annual EAU Congress; Plenary Session 04 - Perioperative treatment of urothelial cancer in 2022
2. Bajorin DF et al. N Engl J Med 2021; 384:2102-2114; DOI: 10.1056/NEJMoa2034442
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