Hyperaktivität beim Basedow ausbremsen

Dr. Andrea Wülker

Endokrine Orbitopathie mit Lidretraktion und Exophthalmus. Endokrine Orbitopathie mit Lidretraktion und Exophthalmus. © wikipedia.org/Jonathan Trobe, M.D. - University of Michigan Kellogg Eye Center, CC BY 3.0

Vergrößerte, überaktive Schilddrüse, beschleunigter Puls und Augen-Anomalien – diese Basedow-typischen Veränderungen wurden bereits im 19. Jahrhundert beschrieben. Was weiß man heute über die Autoimmunkrankheit?

Mit einer jährlichen Inzidenz von 20 bis 50 Fällen pro 100 000 Einwohner ist der M. Basedow die häufigste Ursache der Hyperthyreose, schreiben Dr. Terry J. Smith von der University of Michigan Medical School, Ann Arbor, und Mitarbeiter. Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, besonders häufig manifestiert sie sich aber bei 30- bis 50-Jährigen, wobei es Frauen sechsmal häufiger trifft als Männer. In bis zu 50 % der Fälle liegt eine klinisch bedeutsame Ophthalmopathie vor, die bei einem kleinen Teil der Patienten sogar den Visus bedrohen kann.

Die Pathogenese des M. Basedow ließ sich noch nicht vollständig klären. Es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung, bei der komplexe Interaktionen zwischen genetischen und Umweltfaktoren eine Rolle spielen. Dabei kommt es zur Bildung von TSH-Rezeptor-Autoantikörpern, die zu einer unkontrollierten Synthese von Schilddrüsenhormonen führen.

Tastbare Struma vor allem bei unter 60-Jährigen

Die klinische Präsentation des M. Basedow hängt einerseits mit der Überfunktion und andererseits mit der zugrundeliegenden Autoimmunität zusammen (s. Kasten). Eine tastbare Struma findet sich vor allem bei hyperthyreoten Patienten unter 60 Jahren. Gewichtsabnahme, Fatigue, Wärmeintoleranz, Tremor und Palpitationen zählen zu den häufigsten Symptomen, die bei über der Hälfte der Patienten auftreten. Mehr als 10 % der über 60-jährigen Patienten entwickeln aufgrund der Hyperthyreose ein Vorhofflimmern.

Die endokrine Ophthalmopathie bzw. Orbitopathie (EO) stellt eine extrathyreoidale Manifestation der Autoimmunvorgänge in der Schilddrüse dar. Sie macht sich u.a. durch Lidschwellung, Exophthalmus oder Doppelbilder bemerkbar, kann entstellend sein und das Sehvermögen bedrohen. Als weitere extrathyreoidale Charakteristika nennen die Autoren Hautveränderungen, meist an den Streckseiten der Unterschenkel, sowie die Akropachie, eine keulenförmige Auftreibung der Fingerendglieder.

Die Diagnostik basiert auf den typischen klinischen Symptomen sowie auf Laboruntersuchungen (TSH erniedrigt, FT3 und FT4 meist erhöht). Wenn pathognomonische Merkmale wie eine Ophthalmopathie oder Dermatopathie fehlen und keine diffuse Struma vorliegt, kann eine Szintigrafie die Diagnose bestätigen. Mit ihr und dem Muster der Radionuklidanreicherung lässt sich der M. Basedow von anderen Ursachen der Thyreotoxikose abgrenzen.

Routinemäßige Bestimmung der Antikörper nicht nötig

Eine routinemäßige Bestimmung der TSH-Rezeptor-Antikörper braucht man nicht, doch wenn entsprechende Assays durchgeführt werden, haben sie eine 99-prozentige Sensitivität und Spezifität für M. Basedow. Außerdem helfen diese Tests für den Nachweis eines M. Basedow bei Patienten mit begleitender Knotenstruma. Die EO macht eine ophthalmologische Diagnostik erforderlich. Ein CT oder MRT der Orbita empfiehlt sich bei unklarer Ursache der okulären Veränderung oder wenn z.B. ein asymmetrischer Exophthalmus vorliegt.

Bei unkomplizierten Fällen werden in Europa zur Erstlinientherapie Thyreostatika eingesetzt. Thiamazol, Carbimazol und Propylthiouracil hemmen die Thyreoperoxidase und blockieren so die Synthese von Schilddrüsenhormonen. Thiamazol hat aufgrund seines günstigen Nebenwirkungsprofils bei der Initialtherapie in Europa und Nordamerika den Vorzug. Bei ca. 40 bis 50 % der Patienten lässt sich mit Thyreostatika eine dauerhafte Remission erreichen, bei den übrigen Patienten kommt es nach dem Absetzen zu einem Rezidiv. Die Rezidivrate sinkt nicht, wenn man die Therapie über mehr als 18 Monate fortsetzt oder Thyreostatika mit Levothyroxin kombiniert. Bei aktiven oder ehemaligen Rauchern schlagen Thyreostatika nicht so gut an. Daher ist dringend ein Rauchstopp zu empfehlen.

Wie sich der M. Basedow zeigen kann:

  • Augensymptome (Schwellung, Schmerz, Rötung, Doppelbilder)
  • Oft Gewichtsverlust
  • Palpitationen n Dyspnoe
  • Wärmeintoleranz, vermehrtes Schwitzen
  • Erhöhte Stuhlfrequenz
  • Tremor, Nervosität, Überaktivität
  • Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit, veränderte Stimmungslage
  • Müdigkeit, Fatigue, Muskelschwäche
  • Zyklusstörungen, Libidoverlust
  • Pruritus, Durst, Polyurie
  • Tachykardie, Vorhofflimmern
  • Systolische Hypertonie, erhöhter Pulsdruck
  • Warme, feuchte Haut
  • Hyperreflexie
  • Haarausfall
  • Diffuse, palpable Struma, auskultatorisches Schwirren über der Schilddrüse
  • Affektive Veränderungen (Manie oder Depression)
Die Radiojodtherapie steht seit 70 Jahren zur Behandlung des M. Basedow zur Verfügung. Sie führt innerhalb von Wochen zu einer Linderung der Hyperthyreose und geht nicht mit einem erhöhten Krebsrisiko einher. Doch sie kann eine Ophthalmopathie provozieren oder verschlimmern. Nach der Ablation muss die Schilddrüsenfunktion lebenslang überwacht werden; die Entwicklung einer Hypothyreose macht die unverzügliche Substitution nötig.

Vor der Op. immer eine Euthyreose anstreben

Bevor sich Patienten einer operativen Schilddrüsenresektion unterziehen, sollte durch eine thyreostatische Vorbehandlung eine Euthyreose erreicht worden sein, um Komplikationen oder ein schlechtes Outcome möglichst zu verhindern. Die Op. kann bei großer Struma, Frauen mit baldigem Kinderwunsch oder Menschen, die Thyreostatika bzw. eine Radiojodbehandlung ablehnen, eine Option darstellen. Eine Thyreoidektomie scheint allerdings den Verlauf der Ophthalmopathie nicht zu beeinflussen.

Smith TJ et al. N Engl J Med 2016; 375: 1552-1565

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Das Kolloid in den Schilddrüsenfollikeln ist beim M. Basedow meist schwach gefärbt mit 
Resorptionsvakuolen. Das Kolloid in den Schilddrüsenfollikeln ist beim M. Basedow meist schwach gefärbt mit 
Resorptionsvakuolen. © wikipedia.org/Librepath, CC BY-SA 3.0
Endokrine Orbitopathie mit Lidretraktion und Exophthalmus. Endokrine Orbitopathie mit Lidretraktion und Exophthalmus. © wikipedia.org/Jonathan Trobe, M.D. - University of Michigan Kellogg Eye Center, CC BY 3.0