Hypertonie bei Senioren – korrekt messen, individuelle Zielwerte anpeilen

Dr. Andrea Wülker

Bereits auf das richtige Messen kommt es an. Bereits auf das richtige Messen kommt es an. © fineart-collection – stock.adobe.com

Während der eine Senior mit 85 Jahren noch topfit ist, wirkt der andere mit 70 schon ziemlich gebrechlich. Derlei Unterschiede sollten beim Senken erhöhter Blutdruckwerte unbedingt berücksichtigt werden.

Das richtige Vorgehen bei Hypertonie fängt schon bei der Messung an. In den letzten Jahren sind die Methoden in den Fokus gerückt, schreibt Professor Dr. Ute Hoffmann­ vom Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg. Die Autoren der ESC/ESH-Leitlinie zum Management der arteriellen Hypertonie aus dem Jahr 2018 empfehlen, den Blutdruck der Patienten grundsätzlich im Sitzen zu messen – nachdem man ihnen etwa fünf Minuten in einer ruhigen Umgebung gegeben hat, um sich zu entspannen. Außerdem sollten Sie darauf bestehen, dass der Patient den Arm frei macht, auch wenn dies je nach Beweglichkeit etwas umständlich sein kann. Denn wird die Manschette über der Kleidung angelegt, fallen die Werte oft zu hoch aus und Sie riskieren eine Überbehandlung.

Insgesamt sollten Sie drei Mal im Abstand von ein bis zwei Minuten messen. Falls die ersten beiden Ergebnisse um mehr als 10 mmHg voneinander abweichen, wird nachgemessen, ansonsten werden die Werte der beiden letzten Messungen gemittelt. Wichtig ist, bei der ersten Untersuchung den Blutdruck an beiden Armen zu checken. Für folgende Messungen wird dann der Arm mit dem höheren Wert gewählt.

Übrigens: Die aktuelle Leitlinie empfiehlt bei älteren Menschen, den RR zusätzlich auch im Stehen zu prüfen, und zwar eine und drei Minuten, nachdem sich der Patient aus liegender Position erhoben hat. Auf diese Weise kann eine orthostatische Hypotonie ausgeschlossen werden.

Eine arterielle Hypertonie sollte ausschließlich auf der Basis von wiederholten Praxismessungen oder – außerhalb der Praxis – einer 24-h-Blutdruckmessung und/oder häuslichen Selbstmessungen diagnostiziert werden, heißt es in der Leitlinie. Da bei älteren Patienten der „Weißkittel-Effekt“ zunimmt, rät Prof. Hoffmann ausdrücklich dazu, neben den Praxismessungen, den Patienten selbst oder geschulte Angehörige regelmäßig zu Hause messen zu lassen (s. Kasten).

Welche Geräte den Senioren mit nach Hause geben?

Für ältere Menschen eignen sich am besten voll automatisierte, einfach zu bedienende Oberarmmessgeräte. Zusätzlich sollte auf ein gut ablesbares Display und eine altersgerechte Schriftgröße geachtet werden. Validierte Geräte sind unter anderem durch ein Prüfsiegel der Deutschen Hochdruckliga gekennzeichnet. Die ESC/ESH-Leitlinie empfiehlt nur eine Oberarmmessung, die Hochdruckliga listet in ihrer Übersicht auch validierte Handgelenkmessgeräte auf. Letztere führen allerdings häufiger zu Anwendungsfehlern und die Werte fallen im Vergleich zu Oberarmmanschetten oft niedriger aus.

Das Ziel für fitte Senioren lautet: 130–139/70–80 mmHg

Welche Blutdruckzielwerte sollten Sie bei älteren Patienten anstreben? Das hängt unter anderem von der Funktionalität, Selbstständigkeit, Begleitmedikation und Therapieverträglichkeit ab, schreibt Prof. Hoffmann. Fitte ältere Patienten haben unter einer strengeren Blutdruckeinstellung weniger kardiovaskuläre Ereignisse. Daher hat die europäische Leitlinie für fitte Senioren (> 65 Jahre) die Blutdruckobergrenzen und Therapiezielwerte nach unten korrigiert (siehe Kasten). Unabhängig von Begleiterkrankungen (KHK, Diabetes, Niereninsuffizienz) gelten für fitte ältere Patienten Zielwerte von 130–139 mmHg systolisch und 70–80 mmHg diastolisch. Tiefer sollten Sie allerdings nicht gehen, da in niedrigeren Bereichen das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse steigt. Bei gebrechlichen Senioren müssen die Zielwerte weiterhin individuell festgelegt und gegen die Risiken der Therapie abgewogen werden.

 Was die aktuelle europäische Hochdruck-Leitlinie rät

Fitte Ü-65-Jährige
  • mit RR syst. ≥ 160 mmHg und/oder RR diast. ≥ 90 mmHg:
    Antihypertensiva und Lebensstiländerung
  • mit RR syst. 140-159 mmHg und/oder RR diast. ≥ 90 mmHg:
    Antihypertensiva und Lebensstiländerung, sofern sie die Therapie gut vertragen.
Auch gebrechliche ältere Hypertone profitieren u.U. von einer RR-Senkung. Daher kann man, sollten die Komorbiditäten es zulassen, eine antihypertensive Therapie versuchen (mit der niedrigsten Dosis starten!) und sie weiterführen, wenn sie gut vertragen wird.

Für die meisten empfiehlt­ die Leitlinie eine Kombinationstherapie, d.h. ACE-Hemmer/Angiotensinrezeptor­blocker plus Kalziumantagonist/Thiaziddiuretikum bzw. Thiazid­analogon – regelmäßige Kontrollen mit einbegriffen. Bei sehr alten oder gebrechlichen Patienten können Sie auch eine Monotherapie in Betracht ziehen. Betablocker, Schleifendiuretika und Alphablocker sollten laut Leitlinie ohne spezifische Indikation nicht zum Einsatz kommen. Generell sind auch bei älteren Menschen nicht-medikamentöse Maßnahmen wie regelmäßige Bewegung, Salz- und Alkoholrestriktion und eine obst- und gemüsereiche Ernährung Erfolg versprechend. Argumente, die dafür sprechen, eine gut vertragene Therapie aus Altersgründen abzusetzen, gibt es für Prof. Hoffmann nicht.

Quelle: Hoffman U. internistische praxis 2020; 62: 373-379

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