Im Auf und Ab der Hormone

DGIM 2024 Friederike Klein

Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft müssen sorgfältig behandelt werden. Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft müssen sorgfältig behandelt werden. © artem_goncharov – stock.adobe.com

Wenn Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen schwanger werden, gibt es bei der Medikation einiges zu beachten. Bei Hypothyreose heißt es frühzeitig hoch mit der LT4-Dosis, bei Hyperthyreose muss meist das Thyreostatikum gewechselt werden. Schlussendlich besteht die Frage, ob werdende Mütter mit euthyreoter Autoimmunthyreoiditis vorsorglich Levothyroxin einnehmen sollten. 

Bei Hypothyreose steigt der Bedarf an Levothyroxin (LT4) bis zur Schwangerschaftswoche 16 an und bleibt dann bis zur Entbindung erhöht, erläuterte Prof. Dr. Dr. Dagmar Führer-Sakel, Direktorin der Klinik für Endokrinologie am Universitätsklinikum Essen. Dabei ist ein Mehrbedarf schon nach fünf bis sechs Wochen vorhanden, also bei Bekanntwerden der Schwangerschaft.1 Bei einer Frau mit Thyreoditis liegt dieser Mehrbedarf etwa bei 25 %, bei einer Frau nach Thyreoidektomie oder Radioablation etwa bei 50 % der vorher bestehenden Schilddrüsenhormondosis, erklärte Prof. Führer-Sakel. Sie empfiehlt allen Frauen im gebärfähigen Alter, die eine LT4-Substitution erhalten, bei Eintreten einer Schwangerschaft selbsttätig zwei Tabletten LT4 mehr zu nehmen, da der Bedarf dann schon erhöht ist. Der TSH-Spiegel sollte alle vier Wochen bis zur 20. Schwangerschaftswoche kontrolliert werden.

Bei Frauen mit einer Autoimmunthyreoditis besteht auch bei euthyreoter Situation vor der Schwangerschaft das Risiko für eine zumindest latente Hypothyreose in der Gravidität.1 Das löste eine Diskussion um ein Screening oder eine Prädiktion der Hypothyreose auf Grundlage der TPO-Antikörper-Titer aus. Für die Praxis ist das aber nicht relevant, erklärte Prof. Führer-Sakel. Wenn eine Frau ohne vorbekannte Schilddrüsenerkrankung schwanger wird, kann man, wenn man einen Verdacht hat, den TSH-Spiegel kontrollieren. Nur wenn der TSH-Wert über dem liegt, was man erwarten würde (> 2,5–10 mU/l), sollte man TPO-Antikörper bestimmen.2 Oberhalb von 2,5 mU/l TSH über der oberen Referenzgrenze und TPO-Antikörpern kann man, über 10 mU/l TSH über der oberen Referenzgrenze sollte man mit LT4 behandeln und alle vier Wochen kontrollieren.

TSH-Optimierung bei Gesunden? Nicht tun!

Prof. Führer-Sakel empfahl, keine präkonzeptionelle TSH-Optimierung bei Schilddrüsengesunden vorzunehmen. Dafür gebe es keinerlei Evidenz. Die TSH-Bestimmung solle risikobasiert erfolgen, also beispielsweise bei Schilddrüsendysfunktion in der Vorgeschichte oder Symptomen einer Schilddrüsendysfunktion, Kropf, bekannter Positivität für Schilddrüsenantikörper, positiver Familienanamnese für Schilddrüsenerkrankungen oder morbider Adipositas (Body-Mass-Index > 30). Die präkonzeptionelle LT4-Gabe bei Schilddrüsenautoimmunität und Euthyreose verbesserte in Studien nicht die Konzeptionsrate bei unerfülltem Kinderwunsch, das Ergebnis einer In-vitro-Fertilisation/eines Embryonentransfers oder die Abortrate bei Frauen mit vorangegangenen Aborten. „Es ist auch nicht entscheidend dafür, ob das Kind später das Gymnasium besucht“, betonte sie. Wenn die Gynäkologin/der Gynäkologe schon Schilddrüsenhormone verschrieben hat, könne man sie wieder absetzen, riet Prof. Führer-Sakel und forderte: „Wir müssen uns mehr auf echte Schilddrüsenerkrankungen fokussieren, nicht gesunde Frauen behandeln.“ 

Verunsichert wurden Frauen auch durch eine Diskussion um die Notwendigkeit der Jodsupplementation. „Alle gesunden Frauen und auch die mit Autoimmunthyreoditis brauchen zusätzlich Jod in der Schwangerschaft und auch in der Stillzeit. Das ist die einzige Quelle, wie die kindliche Schilddrüse zu Jod kommen kann, um genug Schilddrüsenhormon zu bilden“, erklärte Prof. Führer-Sakel.

Bei Hyperthyreose ist nur die manifeste Erkrankung behandlungsbedürftig. Die Schwangerschafts-ausgelöste TSH-Absenkung durch die Beta-HCG-Stimulation hat keinen Krankheitswert, betonte Prof. Führer-Sakel: „Das geht vorüber.“ Wenn es sein muss, können Betablocker eingesetzt werden. Das ist anders bei den von einem Morbus Basedow Betroffenen mit echoarmen, hyperperfundierten Schilddrüsen im Ultraschall und TSH-Rezeptor-Antikörpern (TRAK). Da Thyreostatika plazentagängig sind, sollten diese Medikamente nur wenn nötig – bei einer manifesten Hyperthyreose – und so niedrig wie möglich dosiert eingesetzt werden. In der Schwangerschaft ist Propylthiouracil (PTU) Mittel der Wahl, nicht wie sonst Thiamazol, betonte Prof. Führer-Sakel. Muss umgestellt werden, nannte sie als Faustregel, 5 mg Thiamazol entspreche etwa 100 mg PTU zweimal täglich

Empfohlen wird der Einsatz von PTU mindestens im ersten Trimenon, am besten bis zur 16. Schwangerschaftswoche, bis die kritische Phase der Organogenese abgeschlossen ist. Das Monitoring sollte vom erfahrenen Internisten oder Endokrinologen durchgeführt werden, empfahl sie. Normalerweise wird der Morbus Basedow in der Schwangerschaft besser, sodass bei vorher niedrigem Thyreostatikabedarf (< 5–10 mg Thiamazol/Tag) das Thyreostatikum auch unter Kontrolle pausiert werden kann. 

Nach der Entbindung kommt es meist zu einem ausgeprägten Rezidiv. Da auch die TRAK plazentagängig sind, sollten bei allen Schwangeren mit aktivem oder ablativ behandeltem Morbus Basedow in der Frühschwangerschaft die TRAK im zweiten Trimenon bestimmt werden. Liegen die TRAK über dem 3-Fachen des Schwellenwerts, sollte ein Monitoring durch die Gynäkologie und Neonatalogie sichergestellt werden. „Das betrifft aber nur eine kleine Anzahl von Frauen“, sagte Prof. Führer-Sakel.

Quelle: Kongressbericht

1. Korevaat TIM et al. J Clin Endocrinol Metab 2018; 103: 778-789; DOI: 10.1210/jc.2017-01560
2. Alexander EK et al. Thyroid 2017; 27: 315-389; DOI: 10.1089/thy.2016.0457

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Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft müssen sorgfältig behandelt werden. Schilddrüsenerkrankungen in der Schwangerschaft müssen sorgfältig behandelt werden. © artem_goncharov – stock.adobe.com