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Infektabwehr schwächelt, Inflammation nimmt zu – Wenn das Immunsystem altert
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Die COVID-19-Pandemie führt es drastisch vor Augen: Ältere Menschen haben eine geringere Immunkompetenz als jüngere. Der Begriff Immunoseneszenz beschreibt die abnehmende funktionelle Kapazität des angeborenen und vor allem des erworbenen Immunsystems. Folgen der nachlassenden Abwehrkräfte sind vermehrte Infektanfälligkeit, reduzierte Impfantwort und erhöhtes Krebsrisiko.
Altersabhängig kommt es zu quantitativen Verschiebungen innerhalb der T-Zell-Subpopulationen sowie der B-Zellen und langlebigen Plasmazellen, erklären Professor Dr. Elisabeth Märker-Hermann und Dr. Christian von Kiel von den Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden. Zudem verändert sich die funktionelle Kapazität des erworbenen Immunsystems.
Begleiterkrankungen verstärken Infektneigung
Die Zahl naiver, d.h. bisher noch nicht aktivierter T-Lymphozyten nimmt mit zunehmendem Alter ab. Diese sind aber wichtig für spezifische Immunantworten auf Erreger, mit denen das Immunsystem zum ersten Mal in Kontakt kommt. Die Reaktionsfähigkeit von B-Lymphozyten ist bei Senioren ebenfalls reduziert. Daher lässt die Bildung von Immunglobulinen nach, und der Immunglobulin-Klassenwechsel der gebildeten Antikörper von IgM zu IgG ist gestört.
Als Folge dieser Veränderungen kommt es zu beeinträchtigten oder verzögerten spezifischen Immunreaktionen gegen bisher unbekannte Viren, Bakterien, Pilze oder Tumorantigene. Hinzu kommt, dass latente chronische Infektionen z.B. durch das Epstein-Barr- oder das Zytomegalievirus negative Auswirkungen auf das Immunsystem haben können. Die erhöhte Infektneigung im Alter wird durch Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus, COPD oder Niereninsuffizienz verstärkt.
Neben der Immunoseneszenz wird bei Senioren eine chronisch schwelende Entzündungsreaktion beobachtet, das sog. Inflammaging. Im Lauf des Alterungsprozesses kommt es zur vermehrten Freisetzung von Entzündungsmediatoren wie Interleukin(IL)-6, TNF-a, IL-1b und Prostaglandin E; viele ältere Menschen weisen im Serum anhaltend erhöhte CRP-Werte auf. Man vermutet, dass die proinflammatorischen Zytokine aus dem im Alter reichlicher vorhandenen oder veränderten Fettgewebe stammen oder auf eine durchlässigere Darmbarriere zurückzuführen sind.
Im Zusammenhang mit dem Inflammaging werden Krankheiten wie Alzheimer-Demenz, Arteriosklerose und Diabetes beobachtet, aber auch Autoimmunerkrankungen wie die Riesenzellarteriitis oder die ANCA*-assoziierten Vaskulitiden, die auch zu einem Nierenbefall führen können. Senioren, die an einer solchen Vaskulitis erkranken, sterben signifikant häufiger an Infektionen als jüngere Patienten.
Systemische Vaskulitiden erfordern i.d.R. eine Immunsuppression. Zum Einsatz kommen hochdosierte Kortikosteroide, Methotrexat, Azathioprin, Cyclophosphamid und Rituximab, bei Riesenzellarteriitis der IL-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab. Prognose und Letalität systemischer Vaskulitiden hängen u.a. von infektbedingten Komplikationen während der ersten sechs Monate der Immunsuppression ab.
Therapietipps aus Registerdaten und Fallsammlungen
Durch Studien belegte Empfehlungen zur individualisierten immunsuppressiven Therapie von Vaskulitiden und anderen rheumatischen Systemerkrankungen im Alter liegen aktuell nicht vor. Aus Registerdaten und Fallsammlungen lässt sich jedoch Folgendes ableiten:
- Durch Reduktion der Rituximab-Dosis kann die Inzidenz schwerer Infektionen halbiert werden.
- Cyclophosphamid sollte bei über 60-Jährigen um 25 %, bei über 70-Jährigen um 50 % reduziert werden.
- Eine konsequente Prophylaxe mit Cotrimoxazol unter Therapie mit Cyclophosphamid oder Rituximab, bei Lymphopenie oder bei einer täglichen Prednisolondosis > 30 mg über mehr als vier Wochen reduziert die Infektionsrate.
60 % der Nierentransplantierten sind mindestens 60 Jahre alt. Bei ihnen sollte die Immunsuppression vorsichtig erfolgen, um einerseits die Transplantatabstoßung zu vermeiden, andererseits die bei älteren Menschen oft ausgeprägteren Nebenwirkungen gering zu halten.
* Anti-Neutrophile Cytoplasmatische Antikörper
Quelle: Märker-Hermann E, von Kiel C. Hessisches Ärzteblatt 2020; 6: 347-354
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