Insuline in Insulinpumpen und AID-Systemen

diatec journal Dr. Andreas Thomas/Prof. Dr. Lutz Heinemann

Welche Besonderheiten bestehen bezüglich der Anwendung von Insulin in Pumpen im Vergleich zu Pens? Hier gibt es eine Übersicht. Welche Besonderheiten bestehen bezüglich der Anwendung von Insulin in Pumpen im Vergleich zu Pens? Hier gibt es eine Übersicht. © alexkich – stock.adobe.com

Systeme zur automatisierten Insulingabe (AID – Automated Insulin Delivery) sind auf dem Vormarsch. Es gibt immer mehr Produkte auf dem Markt und aufgrund ihrer Eigenschaften bezüglich der Therapie­ergebnisse sowie der gesteigerten Lebensqualität der Anwendenden ist die Nachfrage groß. Doch welche Insuline sind überhaupt geeignet, um in den Pumpen der AID-Systeme verwendet zu werden? Welche Eigenschaften in puncto Wirkweise, Sicherheit und Stabilität müssen die Präparate aufweisen? Dr. Andreas Thomas und Prof. Dr. Lutz Heinemann geben einen Überblick.

Aktuell wird häufig die Frage gestellt, welche Insuline für die AID-Systeme geeignet sind. Der Grund dafür ist, dass diese automatisierten Insulin­abgabesysteme ein großes Interesse bei den Patienten, aber auch den behandelnden Diabetesteams finden. Nach der Zulassung des ersten Hybrid-AID-Systems MiniMed 670G im Jahr 2019 sind mittlerweile deren Nachfolgeprodukte (MiniMed 770G und 780G), weiterhin die Tandem t:slim X2 mit dem Algorithmus CONTROL IQ, zwischenzeitlich (wenn auch nicht mehr verfügbar) die ­Roche Accu­-Chek Insight mit dem Algorithmus DBLG1 von Diabeloop, die mylife Ypsopump mit dem CAM APS FX-­Algorithmus und gleichfalls mit diesem Algorithmus die Dana RS (wenn auch noch nicht kostenerstattet) auf den Markt gekommen. Das AID-System OmniPod 5 wird im Herbst dieses Jahres erwartet. Folgerichtig sind Informationen gefragt, welche Insuline in den AID-Systemen sicher nutzbar sind.  

Bezüglich der Frage der Sicherheit der Insulinpräparate bzw. Formulierungen (zur Begrifflichkeit: als Insulinpräparat verstehen wir hier Insuline, welche sich in der chemischen Zusammensetzung unterschieden, z.B. Humalog® vs. Novo®Rapid; als Insulinformulierung bezeichnen wir ein gleiches Insulin mit unterschiedlichen Zusätzen, z.B. die Normalinsuline insuman®rapid vs. insuman®infusat), gibt es keinen Unterschied bei deren Anwendung in Insulinpumpen oder AID-Systemen. Eine Ausnahme besteht, wenn der in einem AID-System angewendete Algorithmus spezielle pharmakologische Eigenschaften des Insulins in seinem Rechenalgorithmus implementiert hat. Das betrifft derzeit nur die Berechnung des Insulinempfindlichkeitsfaktors bei den Systemen von Medtronic (dieser gibt an, um wie viel mg/dl der Glukosewert pro Einheit Insulin sinkt; er ist einprogrammiert auf kurzwirksame Insulinanaloga wie Humalog und Novo Rapid und beträgt 1.800). 

Insulin in Pumpen: Das sind die Besonderheiten

Welche Besonderheiten bestehen bezüglich der Anwendung des Insulins in Pumpen im Vergleich zu Pens? 
Wesentlich ist, dass

  • sich das Insulin mehrere Tage in der Pumpe am Körper des Anwenders befindet. Auf der Hautoberfläche, unter der Kleidung beträgt die Temperatur ca. 28 bis 30 °C.
  • das Insulin dort zusätzlich auch erheblichen mechanischen Belastungen unterliegt, bedingt durch die Körperbewegung des Pumpenträgers.
  • sich das Insulin in den Reservoiren und – mit Ausnahme von Patchpumpen – längere Zeit in den Schläuchen des Infusionssets befindet, bevor es in den Körper eintritt und dort mit den Oberflächen der Kunststoffmaterialien in Wechselwirkung treten kann.
  • weiterhin eine Veränderung des Insulins eintreten kann, wie eine Veränderung des pH-Wertes, ein Wirkungsverlust u.ä. Das kann besonders bei ausgesprochen niedrigem Tagesinsulinbedarf problematisch sein.

All diese Faktoren können eine Denaturierung des Insulins bewirken, wobei sich die verschiedenen Insulinpräparate bzw. -formulierungen in der Anfälligkeit dafür deutlich unterscheiden.

In den Anfangszeiten der Insulinpumpentherapie (CSII) in den 1980iger- bis Anfang der 1990iger-Jahre führten diese Faktoren häufig zu Verschlüssen der Infusionssets. Die Ursache war, dass das Insulin denaturierte, sich dadurch Flocken bildeten, welche die Austrittsöffnung der Infusionskanüle oder das Lumen der Infusionssets verstopften. Die Folge war ein Insulinmangel mit der Gefahr des Auftretens einer diabetischen Ketoazidose. Es gab zwei Möglichkeiten, dieses Problem zu beseitigen. Zum einen waren die Schläuche der Infusionssets damals aus PVC. Das begünstigte die Denaturierung des Insulins an der Innenfläche des Schlauches (Ursache ist die hohe Wechselwirkung der Insulinmoleküle mit dem PVC). Es musste ein anderes Material verwendet werden.

Zum anderen konnte man das Insulin stabilisieren, und zwar so, dass sich die Wechselwirkung mit dem Schlauchmaterial verringerte. Erfahrungen dazu gab es bei der Insulininfusion in Kliniken. Dort wurde der Insulinlösung Humanalbumin beigegeben, was dessen Wechselwirkung mit dem Schlauchmaterial verringerte und eine Denaturierung verhinderte. Als zweiter Ansatz ergab sich die Änderung der Materialien für die Infusionsschläuche. Ab ca. 1992 bestanden diese aus Polyethylen. Bei diesem Material ist die Wechselwirkung mit dem Insulin geringer, was ebenfalls die Denaturierungsneigung vermindert. 

Verfahren zur Verhinderung der Insulindenaturierung 

Auf ähnliche Weise wurde nun das Insulin für den Einsatz in Insulinpumpen behandelt. Man gab diesem Genapol bei. Dies ist ein Polyalkylenglycolether (wird auch als Fettalkoholethoxylate bezeichnet). Er verhindert die Denaturierung von Proteinen und verbessert damit auch die Stabilität des Insulins. Ein mit Genapol stabilisiertes Normalinsulin war z.B. das H-Tronin® der Firma Hoechst, der heutigen Firma Sanofi (der Namensgeber für dieses Produkt war die Insulinpumpe H-TRON der damaligen Firma Disetronic, heute zu Roche gehörend). Dieses Insulin ist auch heute noch als Insuman® Infusat der Firma Sanofi auf dem Markt, welches allerdings aktuell schwer verfügbar ist. 

Im Nachgang zu diesen Änderungen wurde bis 1997 als Insulin überwiegend H-Tronin® verwendet, nun in Infusionssets aus Polyethylen. Prinzipiell bedeutete dies eine doppelte Sicherheit gegenüber Verschlüssen des Infusionssets oder der Wirkungsabschwächung des Insulins. Die Frage stellte sich neu, als mit dem Humalog® der Firma Lilly das erste kurzwirksame Analoginsulin verfügbar wurde. Dem folgten NovoRapid® von der Firma Novo Nordisk und Apidra® von der Firma Sanofi. Zur Bestimmung der Sicherheit in der Anwendung der Infusionssets wurden in klinischen Studien die Häufigkeit der Infusionssetwechsel und die Rate an Infusions­setverschlüssen bestimmt [1]. Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen Analoginsulinen, auch nicht im Vergleich zu Daten mit Genapol-stabilisiertem Insulin. Die Ursache dafür ist auch, dass aufgrund der Infusionsschläuche aus Polyethylen eine deutlich reduzierte Denaturierung des Insulins auftrat. 

Insuline für Pumpen: Stresstests in Studien 

In einzelnen Studien wurden definierte Stresstests mit den verschiedenen Insulinen durchgeführt. So wurde Humalog® in Insulinpumpen 7 Tage lang erhöhten Temperaturen (37 °C) und mechanischem Rühren (Schütteln mit 7 Hüben/min) ausgesetzt [2]. Das aus der Pumpe abgegebene Insulin wurde jeweils über den konstanten Zeitraum von einem Tag gesammelt und dessen Reinheit mit Hochleistungsflüssigkeits­chromatografie untersucht. 

Es ergab sich eine hohe physikalisch-chemische Stabilität als Zeichen dafür, dass dieses Analoginsulin auch ohne zusätzliche Stabilisierung in Insulinpumpen eingesetzt werden kann, wenn das Infusionsset aus Polyethylen besteht. Ähnliche Ergebnisse zeigten auch andere Studien [3]. Ein systematischer Review über 13 In-vitro-Studien und  sieben klinische Studien, gleichfalls durchgeführt mit Analog­insulinen, welche hohen Temperaturen und mechanischem Stress ausgesetzt waren, zeigte ebenfalls vergleichbare Stabilitätsdaten für Humalog® und NovoRapid® [4]. Apidra® zeigte allerdings eine höhere Anfälligkeit für Insulinpräzipitation und Infusionssetverschlüsse. Klinisch wurden aber keine Unterschiede zwischen den drei Analoginsulinen beobachtet. Auch für das Biosimilar Insulin aspart von Sanofi® wurden keine Okklusionsereignisse beim Einsatz in Insulinpumpen beobachtet [5]. Dieses kurzwirksame Analoginsulin weist die gleiche physikalisch-chemische Stabilität auf wie das NovoRapid®. 

Bezüglich der beiden neuen ultra-kurzwirksamen Insuline am Markt (Fiasp® und Lyumjev®) sind bisher keine detaillierten Untersuchungen zur physikalisch-chemischen Stabilität bei erhöhten Temperaturen und mechanischer Belastung bekannt. Gezeigt wurden aber Daten vom erfolgreichen Einsatz der beiden Insulin­formulierungen in Insulinpumpen, ohne eine höhere Rate an Problemen mit Infusionssets [6, 7].

Fazit 

Es lässt sich schlussfolgern, dass 

  • durch die Verwendung von Materialien wie Polyethylen bei den Schläuchen der Infusionssets kaum noch eine Denaturierung von Insulin in diesen auftritt und damit Okklusionen weniger häufig auftreten, 
  • dies im Prinzip für alle kurzwirksamen Analoginsuline zutrifft,
  • dies für die ultra-kurzwirksamen Analoginsuline ebenfalls zu erwarten ist, auch wenn Stressdaten dafür bisher nicht bekannt sind und
  • es bezüglich der physikalisch-chemischen Stabilität von Insulin­präparaten bzw. -formulierungen keine Unterscheidung gibt zwischen der Verwendung bei Insulinpumpen in Rahmen einer CSII oder deren Anwendung in AID-Systemen. 


Referenzen:

1.    Hanaire-Broutin H, Schumicki O, Hoogma RPLM, et al. Safety of insulin glulisine compared with insulin aspart administered by Continuous Insulin Infusion (CSII); Diabetes 53; Suppl.2 (2004); A4.
2.    DeFelippis MR, Bell MA, Heyob JA, Storms SM. In-vitro-Stabilität von Insulin lispro bei kontinuierlicher subkutaner Insulininfusion; Diabetes Technol Ther 2006 Jun; 8 ( 3): 358-68; doi: 10.1089/dia.2006.8.358
3.    Sharrow SD, Glas LC, Dobbins MA. 14-tägige chemische In-vitro-Stabilität von Insulin lispro in der MiniMed Paradigm Pumpe; Diabetes Technol Ther 2012 März; 14 (3): 264-270; doi: 10.1089/dia.2011.0125
4.    Kerr D, Wizemann E, Senstius J et.al.. Stability and performance of rapid-acting insulin analogs used for continuous subcutaneous insulin infusion: a systematic review; J Diabetes Sci Technol 2013 Nov 1; 7 (6): 1595-1606; doi: 10.1177/193229681300700620
5.    Mohnicke M, Blecher A, Beichert K et al. In-vitro-Stabilität des Biosimilars Insulin Aspart SAR341402 in den MiniMed Insulinpumpen von Medtronic; J Pharm Sci 2023 Apr; 112 (4): 963-973; doi: 10.1016/j.xphs.2022.12.006
6.    Amuedo S, Gros Herguido N, Bellido V et al. Fast-acting Insulin Aspart compared with rapid-acting Insulin analogs in the Advanced Hybrid Closed-Loop System in adults with Type 1 Diabetes; Diabetes Technology & Therapeutics 2023; 25 (Suppl. 2): A-104.
7.    Ware J, Allen J, Boughton C et al. Hybrid Closed-Loop with faster insulin Aspart compared with standard insulin Aspart in very young children with Type 1 Diabetes: A double-blind, multicentre, randomised, crossover study; Diabetes Technology & Therapeutics 2023; 25 (Suppl. 2): A-56.

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