
Kleine Erfolge auf dem Weg zu einer besseren Prognose

Die Therapie von Kopf-Hals-Tumoren ist multimodal. In diesem Rahmen nimmt die Operation vor allem in der Primärtherapie eine wichtige Rolle ein – sei es vor oder nach einer Radiochemotherapie. Prof. Dr. Dr. Jörg Schipper, Universitätsklinikum Düsseldorf, berichtete, dass inzwischen alte Grenzen der Kopf-Hals-Chirurgie überwunden werden konnten.1 Durch die Zusammenarbeit mit der Neurochirurgie sind beispielsweise in einzelnen Fällen auch Kopf-Hals-Tumoren resektabel, die den Subduralraum infiltriert haben. Wichtig dabei: der Funktionserhalt und die neurochirurgische Rekonstruktion der Dura. Auch bei Orbitatumoren ist die Kooperation mit der Neurochirurgie wichtig, um zu entscheiden, ob sich der Tumor resezieren lässt, ob die OP onkologisch Sinn ergibt und ob das Auge erhalten werden kann. Eine interessante Möglichkeit im Falle von Schädel-Basis-Tumoren bietet die Laserchirurgie in Peace-Meal-Technik. Sie erlaubt häufig noch eine funktionserhaltende Resektion von Geschwulsten im Larynx und Pharynx, wenn das durch ein radikales Vorgehen nicht möglich wäre.
Dr. Michael Ehmann vom Universitätsklinikum Mannheim berichtete, dass die Bestrahlungsplanung mit PET-CT eine bessere Bestimmung des Zielvolumens ermöglicht.2 Für die Radiatio selbst stellt die intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) heute den Standard dar, wodurch Strahlenintensitäten in bestimmten Regionen unterschiedlich definiert werden können. In Mannheim wird die Strahlentherapie bildgebungsunterstützt durchgeführt (image guided radiotherapy, IGRT). IMRT und IGRT haben eine deutliche Senkung der Morbidität zur Folge, sagte der Radiologe. Die Radiatio wird in einer Dosis von mindestens 60 Gy und im Lymphabflussgebiet von mindestens 54 Gy durchgeführt.
Verbesserung des Gesamtüberlebens
Standard für die Behandlung fortgeschrittener Kopf-Hals-Tumoren ist die Radiochemotherapie, in der Regel mit einer platinbasierten Substanz (Standard Cisplatin). Eine dreiwöchentliche Adjuvanz mit Cisplatin (100 mg/m²) scheint einer wöchentlichen Gabe (40 mg/m²) nicht unterlegen zu sein, letztere erwies sich aber als besser verträglich. Infektionen ≥ Grad 3, Nierenfunktionsstörungen und Hörprobleme einschließlich Tinnitus treten bei wöchentlicher Gabe seltener auf. Wichtig sei, dass eine kumulative Cisplatin-Dosis von 200 mg/m² erreicht wird, betonte Dr. Ehmann. Die gleichzeitige Radiochemotherapie resultiert gegenüber der Induktionschemotherapie mit anschließender Bestrahlung nach fünf Jahren in einem um 6,5 % verbesserten Gesamtüberleben und einer um 13 % verbesserten lokoregionären Kontrolle.
Geringere Strahlendosis einsetzen
Die Bestrahlung lässt sich möglicherweise risikoadaptiert deeskalieren, berichtete Dr. Ehmann. In einer Phase-2-Studie, in die Patient:innen mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen eingeschlossen waren, wurde bei intermediärem Risiko eine deeskalierte Radiatio mit 50 Gy oder eine Standardtherapie mit 60 Gy durchgeführt. Die Raten des progressionsfreien und Gesamtüberlebens nach zwei Jahren unterschieden sich nicht (PFS: 95 % vs. 96 %, OS: 99 % vs. 98 %), Toxizitäten ≥ Grad 3 waren aber bei 50 Gy fast halbiert.4
Im Falle von Patient:innen, die nicht für Cisplatin infrage kommen, kann Docetaxel als Radiosensitizer eingesetzt werden. Gegenüber der Bestrahlung alleine ließen sich mit Docetaxel das OS und das krankheitsfreie Überleben signifikant verbessern und die Lebensqualität nach sechs Monaten war trotz höherer Toxizität in beiden Armen gleich, erläuterte Dr. Ehmann.
Die Systemtherapie hat als Induktion bei Kopf-Hals-Tumoren nur einen geringen Stellenwert und wird vor allem zur Behandlung von Larynxkarzinomen eingesetzt, um eine larynxerhaltende OP zu ermöglichen. Eine adjuvante Systemtherapie alleine ergebe keinen Sinn, betonte Prof. de Wit, die Radiochemotherapie ist Standard.3
Die Kombination mit einer Immuntherapie hat sich trotz theoretischer Vorteile bislang nicht etablieren können. Immuntherapeutika spielen vor allem im palliativen Setting eine Rolle. Es muss individuell entschieden werden, wer von einer Chemo-, einer Chemo-Immuntherapie oder von CPI alleine profitieren und sie auch vertragen kann.
Das EXTREME-Schema mit sechs Zyklen Cisplatin, 5-Fluorouracil und Cetuximab kann deeskaliert werden. TPEx, bestehend aus vier Zyklen Cisplatin, Docetaxel und Cetuximab, führte in einer randomisiert-kontrollierten Studie tendenziell zu einem verbesserten OS und einer geringeren Toxizität.
Für Patient:innen mit einem CPS ≥ 20 ist nach der Studie Keynote-048 auch eine Monotherapie mit Pembrolizumab dem EXTREME-Schema hinsichtlich des OS überlegen. Aufgrund des langsameren Wirkeintritts des CPI sei bei sehr aktivem Geschehen die Chemotherapie unverzichtbar, wenn sie vertragen wird, betonte Prof. de Wit. Das gilt auch für Tumoren mit einem CPS ≥ 1. Der CPS-Wert sei wichtig, betonte Prof. de Wit. Die PD-L1-Expression kann allerdings heterogen sein und sich im Verlauf verändern. Wächst der Tumor erneut, sollte daher möglichst erneut biopsiert und der CPS-Wert bestimmt werden.
Quellen:
1. Schipper J. 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2023; Vortrag „Operative Therapie“
2. Ehmann M. 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2023; Vortrag „Radiochemotherapie“
2. de Wit M. 129. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin 2023; Vortrag „Systemtherapie“
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