Bestrahlung und Chemotherapie bei Kopf-Hals-Tumoren: So stark wird der Hörverlust

Josef Gulden

Hörschwellen über 35 dB werden zuverlässig vorhergesagt. Hörschwellen über 35 dB werden zuverlässig vorhergesagt. © iStock/iLexx

Kopf-Hals-Tumoren werden meistens bestrahlt, häufig wird auch eine Chemotherapie mit Cisplatin eingesetzt. Ototoxisch kann beides wirken. Ein prädiktives Modell soll das Risiko für Hörverlust bestimmen.

Alle bisherigen Modelle für die Vorhersage eines Hörverlusts nach Radio- oder Cisplatintherapie stützen sich auf Daten, die erst nach der Behandlung verfügbar sind. Dazu zählen v.a. die kumulative Cisplatin- und Strahlendosis an der Cochlea. Sie lassen sich deshalb nicht verwenden, um Patienten eine Entscheidungshilfe für oder gegen eine Modalität zu geben.

An der Washington University School of Medicine in St. Louis wurde aus diesem Grund 2014 ein multidisziplinäres Programm ins Leben gerufen, in das seither mehr als 600 Betroffene eingeschlossen wurden, die dort wegen eines Kopf-Hals-Tumors behandelt wurden. Für 242 dieser Patienten* waren Daten verfügbar, die vor der Therapie erhoben wurden und mit denen ein Vorhersagemodell für einen Hörverlust errechnet werden konnte.

Mittlere Hörschwelle steigt von 25 auf 30 dB

Primärer Endpunkt waren die Hörschwellen bei denselben Frequenzen zwei Monate nach Therapieende. Diese Frist wurde gewählt, um Effekte zu minimieren, die durch das häufige Auftreten von Mittelohr-Ergüssen direkt nach der Behandlung entstehen, schreiben die Autoren. Um eine zu große Abhängigkeit von den Ausgangswerten der Reinton-Audiometrie zu vermeiden, wurde als sekundärer Endpunkt ein Anstieg der Hörschwellen um 10 dB oder mehr bei 1, 2 und 4 kHz verwendet.

Alle Teilnehmer erhielten eine Radiotherapie. Der Mittelwert der Cochlea-Dosis lag bei 15 Gy. Eine Cisplatin-Chemotherapie bekamen 43,4 % der Patienten (mittlere kumulative Dosis 298 mg/m2). Die mittleren Hörschwellen stiegen von 25 dB (Baseline) auf 30 dB nach Therapieende. 103 der 482 einzelnen Ohren (21,2 %) wiesen dabei einen Anstieg von mehr als 10 dB auf.

Das Alter, das Hörvermögen vor der Behandlung sowie die tatsächlich gegebenen Dosierungen von Cisplatin und Radiotherapie waren mit der Einschränkung der Hörfähigkeit nach der Behandlung assoziiert. Damit stimme das Modell gut mit bereits bekannten Modellen überein, so die Wissenschaftler.

Es war aber auch als prädiktives Modell aussagefähig: Schon die vorab geplanten Dosierungen korrelierten mit den posttherapeutischen Hörschwellen, ebenso die Lokalisation des Primärtumors (v.a. Entfernung zur Cochlea). Außerdem nahm das Hörvermögen bei älteren Patienten und solchen mit besserem Hörvermögen vor der Therapie stärker ab.

Die Vorhersagefunktion des Modells konnte 77 % der Variabilität in den Reinton-Hörschwellen zwei Monate nach Behandlungsende erklären. Zudem konnte es mit 80 % Sensitivität und 75 % Spezifität einen beobachteten mittleren Wert der Reinton-Hörschwelle von über 35 dB nach Behandlung vorhersagen. Die Fläche unter der Receiver-Operating-Characteristic-Kurve lag bei 0,85 und spricht damit für die Zuverlässigkeit des Modells. Dieses biete erstmals die Möglichkeit, Auswirkungen von Radio- und Chemotherapie bei Kopf-Hals-Tumoren auf die Funktion des Hörsinns vorherzusagen, resümieren die Kollegen.

* Zwei von ihnen hatten jeweils nur ein funktionelles Ohr

Quelle: Schuette A et al. JAMA Otolaryngol Head Neck Surg 2019; DOI: 10.1001/jamaoto.2019.3550

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Hörschwellen über 35 dB werden zuverlässig vorhergesagt. Hörschwellen über 35 dB werden zuverlässig vorhergesagt. © iStock/iLexx